18.01.2018

Regelmäßige wöchentliche Ruhezeiten im Straßentransportsektor dürfen nicht im Fahrzeug verbracht werden

Die im Straßentransportsektor tätigen Fahrer dürfen die ihnen zustehende regelmäßige wöchentliche Ruhezeit nicht in ihrem Fahrzeug verbringen. Ihre reduzierte wöchentliche Ruhezeit sowie ihre tägliche Ruhezeit dürfen sie hingegen unter bestimmten Voraussetzungen im Fahrzeug unternehmen.

EuGH 20.12.2017, C-102/16
Der Sachverhalt:
Das Transportunternehmen, Vaditrans, mit Sitz in Belgien erhob im August 2014 beim Raad van State (Staatsrat, Belgien) eine Klage auf Nichtigerklärung eines Königlichen Erlasses, nach dem eine Geldbuße i.H.v. 1.800 € verhängt werden kann, wenn der Fahrer eines Lkw seine regelmäßige wöchentliche Ruhezeit in seinem Fahrzeug verbringt. Nach Auffassung des Unternehmens ist der Königliche Erlass nicht mit dem Grundsatz der Gesetzmäßigkeit der Strafen vereinbar, da eine einschlägige Unionsverordnung, Verordnung Nr. 561/2006 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 15.3.2006 zur Harmonisierung bestimmter Sozialvorschriften im Straßenverkehr ein solches Verbot nicht vorsehe.

Die streitgegenständliche Unionsverordnung verpflichtet die Fahrer, eine regelmäßige tägliche Ruhezeit von mindestens elf Stunden (die unter bestimmten Voraussetzungen auf neun reduziert werden darf) sowie eine regelmäßige wöchentliche Ruhezeit von 45 Stunden (die unter bestimmten Voraussetzungen auf 24 Stunden reduziert werden darf) einzuhalten. Außerdem Zudem können gem. Art. 8 Abs. 8 der Verordnung nicht am Standort eingelegte tägliche Ruhezeiten und reduzierte wöchentliche Ruhezeiten im Fahrzeug verbracht werden, wenn sich ein Fahrer dazu entscheidet und das Fahrzeug über geeignete Schlafmöglichkeiten für jeden Fahrer verfügt und nicht fährt.

Der belgische Staatsrat ersuchte den Gerichtshof, die Anforderungen der Verordnung klarzustellen. Insbesondere fragte er, ob die Verordnung ein implizites Verbot enthalte, die regelmäßige wöchentliche Ruhezeit im Fahrzeug zu verbringen und ob die Verordnung, indem sie dieses Verbot nicht klar und ausdrücklich beinhalte, gegen den Grundsatz der Gesetzmäßigkeit im Zusammenhang mit Strafen verstoße. Der EuGH bejahte die erste Frage und sah keinen Verstoß gegen den Grundsatz der Gesetzmäßigkeit.

Die Gründe:
Die streitgegenständliche Verordnung enthält offensichtlich das Verbot für die Fahrer, ihre regelmäßig wöchentliche Ruhezeit im Fahrzeug zu verbringen.

Die Verordnung verwendet immer dann, wenn sie gleichzeitig die Begriffe "regelmäßige wöchentliche Ruhezeit" und "reduzierte wöchentliche Ruhezeit" meint, den allgemeinen Ausdruck "wöchentliche Ruhezeit". Hingegen benutzt die Verordnung hinsichtlich der Möglichkeit, die Ruhezeit im Fahrzeug einzulegen, den allgemeinen Ausdruck "tägliche Ruhezeit" (umfasst sowohl die regelmäßige als auch die reduzierte) sowie den Ausdruck "reduzierte wöchentliche Ruhezeit". Aus dem Umstand, dass der Gesetzgeber somit nicht den allgemeinen Ausdruck wöchentliche Ruhezeit verwendet hat, um beide Möglichkeiten zu erfassen, lässt offensichtlich erkennen, dass er die Absicht hatte, dem Fahrer zu erlauben, die reduzierten wöchentlichen Ruhzeiten zu verbringen und ihm dies hingegen für die regelmäßigen zu verbieten.

Ziel der Verordnung ist zudem die Verbesserung der Arbeitsbedingungen des Personals im Straßentransportsektor sowie die Straßenverkehrssicherheit im Allgemeinen. Eine Lastwagenkabine stellt offensichtlich keinen geeigneten Ort für längere Ruhezeiträume als die täglichen und die reduzierten wöchentlichen Ruhezeiten dar. Schließlich hat sich die Kommission während des Erlass der Verordnung die Möglichkeit alle Ruhezeiten im Fahrzeug verbringen zu können vorgeschlagen. Dieser Vorschlag wurde jedoch in die gültige Fassung abgeändert. Der Abänderung ist der Wille des Gesetzgebers zu entnehmen, gerade die regelmäßige wöchentliche Ruhezeit von der Möglichkeit des Verbringens im Fahrzeug auszuschließen.

Da die Verordnung ein offensichtliches Verbot, die regelmäßige wöchentliche Ruhezeit im Fahrzeug zu verbringen enthält, und diese die Mitgliedstaaten gem. Art. 19 der Verordnung verpflichtet, für Verstöße Sanktionen vorzusehen, ist der Grundsatz der Gesetzmäßigkeit nicht verletzt.

Linkhinweise:
Für den auf den Webseiten des EuGH veröffentlichten Volltext der Entscheidung klicken Sie bitte hier. Für die dort ebenfalls veröffentlichte Pressemitteilung hier.

EuGH, PM Nr. 145/17 vom 20.12.2017
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