23.02.2021

SGB II: Contergan-Rente nicht anrechenbar

Dem Bezug von SGB II-Leistungen durch Empfänger einer Rente nach dem ContStifG steht weder ihre laufende Rentenleistung noch eine aus Mitteln dieser Rente angeschaffte, selbst bewohnte Eigentumswohnung entgegen.

LSG NRW v. 3.12.2020 - L 6 AS 1651/17
Der Sachverhalt:
Die Klägerin bezieht eine Rente nach dem Gesetz über die Conterganstiftung für behinderte Menschen (ContStifG) und bewohnt eine aus den Rentenmitteln erworbene Eigentumswohnung (119 m²).

Das beklagte Jobcenter Bonn gewährte ihr für die Zeit von Dezember 2012 bis November 2013 darlehnsweise SGB II-Leistungen. Vor dem SG machte sie erfolgreich höhere Leistungen in Zuschussform geltend.

Die Berufung des Beklagten hat das LSG nun zurückgewiesen. Die Revision wurde zugelassen.

Die Gründe:
Der Klägerin steht u.a. ein Mehrbedarf nach § 21 Abs. 7 SGB II für ihre über den im Regelbedarf enthaltenen Anteil hinausgehenden Stromkosten zu. Sie muss diesen nicht aus eigenen Mitteln decken. Zwar verfügt sie über (erhebliche) monatliche Zahlungen aus der Contergan-Rente. Diese Leistungen bleiben jedoch gemäß § 18 Abs. 1 ContStifG bei der Berechnung der SGB II-Leistungen außer Betracht. Ihnen kommt im Wesentlichen eine Entschädigungsfunktion für die Betroffenen zu, wodurch vorrangig entgangene Lebensmöglichkeiten ausgeglichen werden sollten.

Infolgedessen ist die Contergan-Rente (einschließlich der jährlichen Sonderzahlung) zur Bestreitung des Lebensunterhaltes weder bestimmt noch geeignet und muss daher auch zur Deckung jedenfalls existenzsichernder Mehrbedarfe nicht eingesetzt werden.

Die Klägerin muss auch ihre Eigentumswohnung - ungeachtet von deren Größe - nicht einsetzen. Denn die Verwertung der Immobilie stellt eine besondere Härte i.S.v. § 12 Abs. 3 SGB II für sie dar, da diese von ihr ein Sonderopfer abverlangen würde, das weit über dasjenige hinausgeht, welches die Verwertung einer Immobilie, die den Lebensmittelpunkt des Betroffenen bildet, ohnehin bedeuten würde. Die Klägerin hat auch nachgewiesen, dass die Wohnung zumindest in weiten Teilen aus Mitteln der Contergan-Rente erworben worden ist.
LSG NRW PM vom 22.2.2021
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