20.04.2012

"Stalking" kann außerordentliche Kündigung rechtfertigen

Ignoriert ein Arbeitnehmer hartnäckig den Wunsch einer Arbeitskollegin, nichtdienstliche Kontakte mit ihr zu unterlassen, so kann dies eine außerordentliche Kündigung rechtfertigen. Ob es zuvor einer einschlägigen Abmahnung bedarf, hängt von den Umständen des Einzelfalls ab. Gegen ein Abmahnerfordernis kann z.B. sprechen, dass der Arbeitnehmer schon einmal einer (anderen) Arbeitskollegin nachgestellt hat und vom Arbeitgeber aufgefordert wurde, dies künftig zu unterlassen.

BAG 19.4.2012, 2 AZR 258/11
Der Sachverhalt:
Der Kläger war beim beklagten Land seit 1989 als Verwaltungsangestellter beschäftigt. 2007 teilte das Land ihm als Ergebnis eines Verfahrens vor der Beschwerdestelle nach § 13 AGG mit, dass eine Mitarbeiterin, die sich von ihm belästigt fühlte, weder dienstlich noch privat Kontakt mit ihm wünsche und dieser Wunsch vorbehaltlos zu respektieren sei. Eine unmittelbare Kontaktaufnahme mit der Mitarbeiterin habe "auf jeden Fall zur Vermeidung arbeitsrechtlicher Konsequenzen zu unterbleiben".

Im Oktober 2009 beschwerte sich eine andere, als Leiharbeitnehmerin beschäftigte Mitarbeiterin beim Land über den Kläger. Sie gab an, vom Kläger in unerträglicher Art und Weise belästigt und bedrängt zu werden. In den letzten vier Monaten habe der Kläger ihr mehr als 120 E-Mails, MMS und SMS geschickt. Er habe sie zudem ohne dienstlichen Anlass in ihrem Büro angerufen oder dort aufgesucht und sich wiederholt und zunehmend aufdringlich in ihr Privatleben eingemischt. Um sie zu weiterem privaten Kontakt mit ihm zu bewegen, habe er ihr u.a. damit gedroht, er könne dafür sorgen, dass sie keine feste Anstellung beim Land bekomme.

Nach näherer Befragung der Mitarbeiterin und Anhörung des Klägers kündigte das Land das Arbeitsverhältnis mit ihm außerordentlich fristlos. Die hiergegen gerichtete Klage wies das Arbeitsgericht ab; das LAG gab ihr statt. Auf die Revision des Landes hob das BAG diese Entscheidung auf und verwies die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das LAG zurück.

Die Gründe:
Es steht noch nicht fest, ob ein wichtiger Grund für die Kündigung i.S.v. § 626 Abs. 1 BGB vorliegt.

Ein schwerwiegender Verstoß eines Arbeitnehmers gegen seine vertragliche Nebenpflicht, die Privatsphäre und den deutlichen Wunsch einer Arbeitskollegin zu respektieren, nichtdienstliche Kontaktaufnahmen mit ihr zu unterlassen, kann zwar grds. die außerordentliche Kündigung des Arbeitsverhältnisses rechtfertigen. Gegebenenfalls ist vor der Kündigung aber eine Abmahnung auszusprechen. Maßgeblich  sind insoweit die Umstände des Einzelfalles.

Im Streitfall ist der Kläger durch die Mitteilung aus dem Jahr 2007 nicht im Rechtssinne abgemahnt worden. Das LAG hat allerdings nicht ausreichend geprüft, ob angesichts der Warnung durch das zuvor durchgeführte Beschwerdeverfahren und der übrigen Umstände eine Abmahnung entbehrlich war. Ob die Kündigung gerechtfertigt ist, konnte der Senat nicht selbst entscheiden, da das LAG keine hinreichenden Feststellungen zum Sachverhalt getroffen hat.

Linkhinweis:

  • Der Volltext der Entscheidung wird demnächst auf den Webseiten des BAG veröffentlicht.
  • Für die Pressemitteilung des BAG klicken Sie bitte hier.
BAG PM Nr. 32/12 vom 19.4.2012
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