25.08.2015

Streik: Gewerkschaft muss drittbetroffenen Unternehmen keinen Schadensersatz zahlen

Die von dem Fluglotsen-Streik im Frühjahr 2009 am Stuttgarter Flughafen betroffenen Fluggesellschaften haben gegen die streikführende Gewerkschaft der Flugsicherung (GdF) keinen Schadensersatzanspruch wegen ausgefallener, verspäteter oder umgeleiteter Flüge. Ein Eingriff in den eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb der Fluggesellschaften lag insoweit nicht vor, da der Streik der Fluglotsen nicht gegen die Fluggesellschaften gerichtet war, sondern gegen die Deutsche Flugsicherung.

BAG 25.8.2015, 1 AZR 875/13
Der Sachverhalt:
Die vier Klägerinnen betreiben Luftverkehrsunternehmen. Die beklagte Gewerkschaft der Flugsicherung e.V. (GdF) vertritt die Interessen des Flugsicherungspersonals in Deutschland.

Im Frühjahr 2008 forderte die GdF den Betreiber des Verkehrsflughafens Stuttgart zu Tarifverhandlungen für die dort beschäftigten Arbeitnehmer der Vorfeldkontrolle/Verkehrszentrale auf. Im März 2009 fand zunächst ein auf vier Tage befristeter Streik dieser Beschäftigten statt, der sodann auf unbestimmte Zeit verlängert wurde. Für den 6. April 2009 rief die GdF die bei ihr organisierten und bei der Deutschen Flugsicherung GmbH (DFS) angestellten Fluglotsen am Standort Stuttgart zu einem sechsstündigen Unterstützungsstreik auf.

Entsprechend einer Notdienstvereinbarung mit der DFS wickelten die Fluglotsen zwar 25 % des planmäßigen Luftverkehrs ab. Dennoch fielen zahlreiche Flüge der Klägerinnen aus, weitere hatten Verspätung oder mussten umgeleitet werden. Aufgrund einer Verbotsverfügung des Arbeitsgerichts Frankfurt a.M. brach die GdF den Unterstützungsstreik vorzeitig ab.

Die Klage auf Zahlung von Schadensersatz aus unerlaubter Handlung hatte in allen Instanzen keinen Erfolg.

Die Gründe:
Die Klägerinnen haben gegen die Beklagte keinen Anspruch auf Zahlung von Schadensersatz für die infolge des Unterstützungsstreiks ausgefallenen oder verspäteten Flüge.

Es besteht insbesondere kein Schadensersatzanspruch aus § 823 Abs. 1 BGB wegen einer widerrechtlichen Eigentumsverletzung in Form einer erheblichen Nutzungsbeeinträchtigung an den Flugzeugen. Auch das Recht der Klägerinnen am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb als sonstiges Recht i.S.v. § 823 Abs. 1 BGB ist nicht verletzt. Denn der Streik der Fluglotsen war nicht gegen die Klägerinnen, sondern gegen den Betrieb  der DFS gerichtet. Ein Eingriff in die Gewerbebetriebe der Klägerinnen war damit nicht verbunden und ist insbesondere nicht wegen der öffentlich-rechtlichen Rahmenbedingungen für Luftverkehrsunternehmen anzunehmen.

Auch die Voraussetzungen einer sittenwidrigen Schädigung der Klägerinnen i.S.v. § 826 BGB durch den Arbeitskampf bei der DFS liegen nicht vor.

Der Hintergrund:
Der Senat hat am selben Tag über die Revisionen von drei Fluggesellschaften verhandelt, die sich gegen die Abweisung ihrer Schadensersatzklagen wegen zwei von der GdF für den 4. und 9.8.2011 angekündigter - tatsächlich aber nicht durchgeführter - Streikmaßnahmen aller Tarifbeschäftigten der DFS richtete. Auch in diesem Fall hatten die Revisionen der Klägerinnen keinen Erfolg (BAG, Urt. v. 25.8.2015 - 1 AZR 875/13).

Linkhinweis:
Der Volltext der Entscheidung wird demnächst auf den Webseiten des BAG veröffentlicht. Für die Pressemitteilung des BAG klicken Sie bitte hier.

BAG PM Nr. 43/15 vom 25.8.2015
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