29.02.2024

Streit um Feiertagszuschlag an Allerheiligen - Auslegung von §§ 8, 43 TV-L von grundsätzlicher Bedeutung

Ein Arbeitnehmer mit gewöhnlichem Arbeitsort in NRW hat für vergütungspflichtige Tätigkeiten, die er an Allerheiligen auf Weisung des Arbeitgebers in Hessen erbringt, keinen Anspruch auf Feiertagszuschläge nach § 8 Abs. 1 S. 2 lit. d) i.d.F.d. § 43 Nr. 5 Abs. 1 Unterabs. 1 S. 2 lit. d) TV-L. Da der Frage der Auslegung von §§ 8, 43 TV-L grundsätzliche Bedeutung zukommt, ohne dass es hierzu bereits höchstrichterliche Entscheidungen gäbe, wurde nach § 72 Abs. 2 Nr. 1 ArbGG die Revision zugelassen.

LAG Hamm v. 11.1.2024 - 11 Sa 936/23
Der Sachverhalt:
Der Kläger ist seit 1996 als technische Fachkraft bei der beklagten Klinik beschäftigt. Das Arbeitsverhältnis bestimmt sich nach dem Bundes-Angestelltentarifvertrag (BAT) und den diesen ergänzenden oder ersetzenden Tarifverträgen in der für den Arbeitgeber geltenden Fassung. Außerdem finden die für den Arbeitgeber jeweils geltenden sonstigen Tarifverträge Anwendung. Der regelmäßige Arbeitsplatz des Klägers befindet sich in Nordrhein-Westfalen. Seinen Lohn erhält er vom beklagten Klinikum.

Der Kläger hatte auf Anordnung seines Vorgesetzten vom 1.11.2021 bis 5.12.2021 an einem Gerätelehrgang in Hessen teilgenommen. Allerheiligen ist in Nordrhein-Westfalen ein gesetzlicher Feiertag, in Hessen jedoch nicht. Für die Schulung stellte der Kläger ebenfalls auf Anordnung seines Vorgesetzten einen Dienstreiseantrag.

Der Kläger begehrt für zehn unstreitig in Hessen geleistete Stunden Feiertagszuschläge nach dem TV-L. Für den 1.11.2021 wurden dem Kläger lediglich zehn Stunden im Arbeitszeitkonto gutgeschrieben. Ein Feiertagszuschlag wurde nicht gezahlt. Der Kläger war der Ansicht, er habe für den 1.11.2021 Anspruch auf Feiertagszuschlag nach § 8 Abs. 1 S. 2 lit. d) i.d.F.d. § 43 Nr. 5 Abs. 1 Unterabs. 1 S. 2 lit. d) TV-L i.H.v. 35%. Es sei das Feiertagsrecht des Landes Nordrhein-Westfalen anwendbar.

Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben. Auf die Berufung des beklagten Klinikums hat das LAG das Urteil abgeändert und die Klage abgewiesen. Allerdings wurde wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache die Revision zum BAG zugelassen.

Die Gründe:
Dem Kläger steht kein Anspruch auf Zahlung eines Feiertagszuschlags für den 1.11.2021 zu. Ein solcher folgt insbesondere nicht aus § 8 Abs. 1 S. 2 lit. d) i.d.F.d. § 43 Nr. 5 Abs. 1 Unterabs. 1 S. 2 lit. d) TV-L.

Der Kläger hat am 1.11.2021 keine Feiertagsarbeit i.S.v. § 8 Abs. 1 S. 2 lit. d) i.d.F.d. § 43 Nr. 5 Abs. 1 Unterabs. 1 S. 2 lit. d) TV-L geleistet. Die Feiertagsarbeit ist im TV-L nicht näher definiert. Der Begriff bedarf daher der Auslegung. Die Auslegung des normativen Teils eines Tarifvertrags folgt nach ständiger BAG-Rechtsprechung den für die Auslegung von Gesetzen geltenden Regeln. Auszugehen ist zunächst vom Tarifwortlaut. Zu erforschen ist der maßgebliche Sinn der Erklärung, ohne am Buchstaben zu haften. Dabei sind der wirkliche Wille der Tarifvertragsparteien und damit der von ihnen beabsichtigte Sinn und Zweck der Tarifnorm mit zu berücksichtigen, soweit sie in den tariflichen Normen ihren Niederschlag gefunden haben. Auch auf den tariflichen Gesamtzusammenhang ist abzustellen. Verbleiben noch Zweifel, können weitere Kriterien berücksichtigt werden. Im Zweifel ist die Tarifauslegung zu wählen, die zu einer vernünftigen, sachgerechten, zweckorientierten und praktisch brauchbaren Lösung führt (vgl. BAG vom 12.12.2018 - 4 AZR 147/17; BAG vom 20.6.2018 - 4 AZR 339/17).

Feiertage sind zunächst die jeweils länderrechtlich bestimmten Wochenfeiertage (vgl. BAG vom 24.2.2021 - 10 AZR 130/19). Nach § 2 Abs. 1 Nr. 9 des Gesetzes über die Sonn- und Feiertage NRW ist Allerheiligen in Nordrhein-Westfalen ein gesetzlicher Feiertag. Nach § 1 Hessisches Feiertagsgesetz ist dies nicht der Fall. Der TV-L ist daneben so auszulegen, dass für die Frage, ob ein Arbeitnehmer Feiertagsarbeit geleistet hat, auf den konkreten Beschäftigungsort - hier Hessen - abzustellen ist. Anders als das Arbeitsgericht angenommen hat, ist der regelmäßige Beschäftigungsort dann nicht von Bedeutung, wenn und soweit der Arbeitnehmer dort nicht auch tatsächlich tätig wird.

Mit Blick auf die in derselben Norm geregelten Zuschläge für Nacht- und Sonntagsarbeit mit gleichem Kompensationszweck wie im Falle eines Feiertages wäre es etwa undenkbar, einem auf Auslandsreise in einer anderen Zeitzone tagsüber tätig werdenden Arbeitnehmer Zuschläge für Nachtarbeit zu gewähren, weil an seinem regelmäßigen Arbeitsplatz aufgrund Zeitverschiebung Nacht ist. Da der Frage der Auslegung von §§ 8, 43 TV-L grundsätzliche Bedeutung zukommt, ohne dass es hierzu bereits höchstrichterliche Entscheidungen gäbe, wurde nach § 72 Abs. 2 Nr. 1 ArbGG die Revision zugelassen.

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