28.02.2023

Streit um Jubiläumszuwendung für 35-jährige Beschäftigungszeit

Die Formulierung, dass ein Arbeitnehmer "bei einem 35-jährigen Dienstjubiläum" eine Jubiläumszuwendung erhält, setzt lediglich die Vollendung einer 35-jährigen Beschäftigungszeit voraus und nicht, dass das Arbeitsverhältnis über diesen Zeitpunkt hinaus auch noch am Jubiläumstag fortbesteht. Soll der Arbeitnehmer "bei Dienstjubiläum" einen Jubiläumszuwendung erhalten, ist damit lediglich die Fälligkeit des bei Vollendung der Beschäftigungszeit entstandenen Anspruchs geregelt.

LAG Hamm v. 9.12.2022 - 13 Sa 754/22
Der Sachverhalt:
Die Klägerin stand bei der Beklagten vom 1.9.1986 bis einschließlich 31.8.2021 in einem Arbeitsverhältnis als Maschinenbedienerin. Bei der Beklagten existiert eine Gesamtbetriebsvereinbarung, welche u.a. die Zahlung von Jubiläumsgeldern beinhaltet. Bei einem 35-jährigen Dienstjubiläum erhält ein Mitarbeiter demzufolge 2.200 € brutto. Ab dem 25-jährigen Dienstjubiläum erhält jeder Mitarbeiter einen Tag Sonderurlaub für die Jubiliarehrung durch die Geschäftsleitung.

Am 13.10.2021 hatte die Klägerin die Zahlung eines Jubiläumsgeld für ihr 35-jähriges Dienstjubiläum nach der Gesamtbetriebsvereinbarung geltend gemacht. Die Beklagte weigerte sich zu zahlen. Sie war der Auffassung, dass der Klägerin kein Anspruch auf Zahlung des Jubiläumsgeldes zustehe. Das Dienstjubiläum der Klägerin sei erst am 1.9.2021 gewesen; zu diesem Zeitpunkt habe die Klägerin nicht mehr im Arbeitsverhältnis gestanden.

Die klägerin war der Ansicht, dass sie die Anspruchsvoraussetzungen der Gesamtbetriebsvereinbarung erfülle. Das Arbeitsverhältnis habe bei ihrem Ausscheiden - unstreitig - genau 35 Jahre bestanden. Der Beschäftigungszeitraum berechne sich nach den §§ 187, 188 BGB, so dass die 35-jährige Beschäftigungszeit mit Ablauf des 31.8.2021 vollendet gewesen sei. Allein die Ableistung einer 35-jährigen Beschäftigungszeit sei Anspruchsvoraussetzung für die Zahlung des begehrten Jubiläumsgeldes.

Das Arbeitsgericht hat der Klage auf Zahlung des streitgegenständlichen Jubiläumsgeldes stattgegeben. Die hiergegen gerichtete Berufung der Beklagten blieb vor dem LAG erfolglos.

Die Gründe:
Der Klägerin steht ein Anspruch auf Zahlung eines Jubiläumsgeldes i.H.v. 2.200 € nach der Gesamtbetriebsvereinbarung zu.

Mit Vollendung der 35-jährigen Beschäftigungszeit am 31.8.2021 ist der Anspruch der Klägerin auf Zahlung des Jubiläumsgeldes i.H.v. 2.200 € entstanden. Das ergab die Auslegung der Gesamtbetriebsvereinbarung zum Jubiläumsgeld. Betriebsvereinbarungen sind nach der ständiger BAG-Rechtsprechung nach den für Gesetze und für Tarifverträge geltenden Grundsätzen auszulegen. Auszugehen ist vom Wortlaut der Bestimmungen und dem durch ihn vermittelten Wortsinn. Insbesondere bei einem unbestimmten Wortsinn sind der wirkliche Wille der Betriebsparteien und der von ihnen beabsichtigte Zweck zu berücksichtigen, sofern und soweit dies im Text seinen Niederschlag gefunden hat. Abzustellen ist ferner auf den Gesamtzusammenhang und die Systematik der Regelungen. Im Zweifel gebührt derjenigen Auslegung der Vorzug, die zu einem sachgerechten, zweckorientierten, praktisch brauchbaren und gesetzeskonformen Verständnis der Bestimmung führt.

Unter Zugrundelegung dieser Grundsätze ergab die gebotene Auslegung der Gesamtbetriebsvereinbarung, dass die Klägerin mit Ablauf des 31.8.2021 - und nicht erst am 1.9.2021 - einen Anspruch auf Zahlung des Jubiläumsgeldes erworben hat. Die Auslegung nach dem Wortlaut führte dabei zu keinem eindeutigen Ergebnis. Jedoch die Auslegung nach Sinn und Zweck der Gesamtbetriebsvereinbarung führte zu dem Ergebnis, dass die Vollendung der Beschäftigungszeit zur Begründung eines Anspruchs auf Jubiläumsgeld ausreichte.

Der Zweck der aufgrund einer freiwilligen Betriebsvereinbarung gewährten Jubiläumsgeldzahlungen besteht im Wesentlichen darin, die vom Arbeitnehmer in der Vergangenheit erbrachte Betriebstreue und die Arbeitsleistung in der Vergangenheit zu belohnen. Die Betriebstreue bzw. Arbeitsleistung von 10, 25 bzw. 35 Jahren hat der Arbeitnehmer deshalb nach einer Betriebszugehörigkeit von 10, 25 oder 35 Jahren erbracht. Bezogen auf diesen Zweck gibt es keinen Grund, den Fortbestand des Arbeitsverhältnisses über diesen Zeitpunkt hinaus - wenn auch nur für kurze Zeit oder gar nur für eine juristische Sekunde - zu verlangen. Dem steht nicht entgegen, dass die Gesamtbetriebsvereinbarung regelt, dass der Mitarbeiter "bei den nachstehenden Dienstjubiläen" ein Jubiläumsgeld erhält. Denn damit trifft die Gesamtbetriebsvereinbarung lediglich eine Regelung zur Fälligkeit des Anspruchs, die dem Grundgedanken des § 271 BGB entspricht.

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