12.12.2017

Tätlicher Streit unter Kollegen: Verletzungen können als Arbeitsunfall anzuerkennen sein

Verletzt ein Kollege einen anderen während eines Streits über betriebliche Pflichten oder eines Streits, der in Zusammenhang mit der versicherten Tätigkeit steht, so kann das schädigende Ereignis als Arbeitsunfall anzuerkennen sein.

LSG Baden-Württemberg 22.11.2017, L 1 U 1277/17 u. L 1 U 1504/17
Die Sachverhalte:
Im ersten Streitfall (Az.: L 1 U 1277/17) fuhr der Kläger nach einem Einsatz auf einer Baustelle seine Kollegen und sich im Firmentransporter nach Hause. Es entstand Streit darüber, ob Fenster zum Lüften des Autos geöffnet werden sollten. Nachdem ein Kollege abgesetzt worden war und ein anderer die Beifahrertür öffnete, eskalierte die Situation: Beim Versuch die Tür für die Weiterfahrt wieder zu schließen, schlug ein Kollege dem Kläger mit der Faust ins Gesicht, wodurch dieser zu Boden ging. Dann trat er den Kläger noch mit seinem Schuh mit Stahlkappe an den Kopf. Der Kläger erlitt dadurch u.a. eine Schädelprellung. Die Berufungsgenossenschaft lehnte die Anerkennung eines Arbeitsunfalls ab. Nach dem das SG dies in erster Instanz bestätigte, hob das LSG das Urteil auf und gab der Klage statt.

Anders im zweiten Streitfall (Az.: L 1 U 1504/17): Hier war es am Arbeitsplatz, einem Warenlager, zu einer hitzigen Diskussion über Arbeitsabläufe zwischen dem Kläger und einem Kollegen gekommen. Etwa eine halbe Stunde später eskalierte der Streit erneut und es kam zu wechselseitigen Beschimpfungen. Der Kläger verließ seinen Arbeitsplatz, rannte mit gesenktem Kopf auf den Kollegen zu und stieß ihm absichtlich mit seinem Kopf in den Rumpf. Beide gingen zu Boden. Der Kläger zog sich bei dem Kopfstoß und nachfolgenden dem Sturz einen Halswirbelbruch zu. Hier wies das LSG die Klage ab.

Die Gründe:
Im ersten Streitfall ist das Ereignis als Arbeitsunfall anzuerkennen, da auch der Heimweg von der Arbeitsstätte zur Wohnung unter dem Schutz der gesetzlichen Wegeunfallversicherung steht. Der Versicherungsschutz wurde auch nicht unterbrochen, denn das Zurücklegen des Weges war die maßgebliche Ursache für die Einwirkungen durch den Täter auf den Kläger. Der Täter wollte den Kläger daran hindern, die Fahrzeugtür zu schließen, um die Weiterfahrt zu verhindern. Die Ursachen des Streits lagen also nicht im privaten Bereich begründet, sondern in der versicherten Tätigkeit des Klägers als Fahrer. Der Streit über das Lüften des Autos hat auch einen konkreten Bezug zur versicherten Tätigkeit und wirkte unmittelbar nach. Der Umstand, dass der Kläger das Fahrzeug zum Unfallzeitpunkt verlassen hat, ist dabei unschädlich, da dies notwendig gewesen ist, um den restlichen Weg zurücklegen zu können. Es handelt sich dabei um keine private Tätigkeit.

Anders ist dies im zweiten Streitfall zu bewerten. Hier liegt kein Arbeitsunfall vor. Der Kläger verließ seinen Arbeitsplatz, um den Angriff auf den Kollegen auszuführen. Er hat hierdurch den Schutzbereich der gesetzlichen Unfallversicherung verlassen. Zwar kann die Klärung eines Streits über betriebliche Pflichten durchaus im betrieblichen Interesse liegen. Im vorliegenden Fall ging es dem Kläger aber nicht maßgeblich um die Klärung des Streits, sondern nur noch darum, den Kollegen zu verletzen. Ein solches Verhalten kann unter keinen Umständen als betriebsdienlich angesehen werden.

LSG Baden-Württemberg, PM vom 8.12.2017
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