17.10.2017

Teilzeitbeschäftigte Arbeitnehmer können Erhöhung der Arbeitszeit nicht erzwingen

Berücksichtigt ein Arbeitgeber einen teilzeitbeschäftigten Arbeitnehmer, der seine Arbeitszeit aufstocken möchte, trotz Eignung nicht bei der Besetzung eines freien Arbeitsplatzes, geht der Anspruch des Arbeitnehmers auf Verlängerung der Arbeitszeit gem. § 275 Abs. 1 BGB unter, sobald die freie Stelle besetzt ist. Der Arbeitgeber kann dann zwar zu Schadensersatz verpflichtet sein, dieser ist aber auf einen finanziellen Ausgleich beschränkt.

BAG 18.7.2017, 9 AZR 259/16
Der Sachverhalt:
Die Klägerin ist bei der Beklagten seit 1989 als Krankenschwester beschäftigt. Sie war ab 1.8.2006 im unterschiedlichen Beschäftigungsumfang einer Vollzeitkraft für unterschiedliche Zeiträume tätig. Seit Oktober 2011 wurde sie im Umfang von 50 Prozent der Regelarbeitszeit einer Vollzeitarbeitskraft beschäftigt. Mit Schreiben ihrer Prozessbevollmächtigten vom 9.2.2015 äußerte die Klägerin gegenüber der Beklagten unter Hinweis auf § 9 TzBfG ihr Interesse an einer Vollzeitstelle. Zum 1.4.2010 stellte die Beklagte fünf examinierte Krankenschwestern in Vollzeit ein, ohne die Klägerin vorab über die freien Stellen zu informieren.

Die Klägerin ist der Auffassung, sie habe gem. § 9 TzBfG einen Anspruch auf eine Vollzeitstelle. Sie erhob daher Klage auf Zustimmung zu einer Erhöhung ihrer Arbeitszeit von 19,5 Stunden pro Woche auf 39 Stunden pro Woche. Die Klage hatte zunächst vor dem Arbeitsgericht Erfolg. Auf die Berufung der Beklagten wies das LAG die Klage ab. Die dagegen gerichtete Revision hatte keinen Erfolg.

Die Gründe:
Die Beklagte ist nicht dazu verpflichtet, das Angebot der Klägerin, die regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit auf 39 Stunden zu erhöhen, anzunehmen. Die Klägerin hat weder einen Aufstockungsanspruch aus § 9 TzBfG noch ergibt sich ein solcher im Wege des Schadensersatzes.

Grundsätzlich gibt § 9 TzBfG teilzeitbeschäftigten Arbeitnehmern einen Anspruch auf Vollzeitbeschäftigung bei der Besetzung eines freien Arbeitsplatzes bei gleicher Eignung. Die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 9 TzBfG liegen im Streitfall jedoch nicht vor. Es fehlt an einem freien Arbeitsplatz. Zum maßgeblichen Zeitpunkt, dem Schluss der mündlichen Verhandlung vor dem LAG, gab es im Betrieb der Beklagten keine freie Stelle. Der Beklagten ist die Erfüllung des Anspruchs der Klägerin aus § 9 TzBfG durch die endgültige Besetzung der freien Stellen zum 1.4.2015 gem. § 275 Abs. 1 BGB unmöglich geworden mit der Folge, dass der Anspruch ausgeschlossen ist.

Der Umstand, dass die Klägerin regelmäßig Mehrarbeit in erheblichen Umfang geleistet hat, begründet ebenso keinen Anspruch. § 9 TzBfG setzt das Vorhandensein eines freien Arbeitsplatzes voraus. Der Arbeitnehmer hat keinen Anspruch darauf, dass der Arbeitgeber einen neuen Arbeitsplatz schafft, auch nicht zum Abbau von Überstunden.
 
Besetzt der Arbeitgeber eine freie Stelle i.S.d. § 9 TzBfG und führt dies zum Untergang des Anspruchs des Arbeitnehmers auf Vertragsänderung, haftet er zwar aus § 275 Abs. 1 und 4, § 280 Abs. 1 und 3, § 281 Abs. 2, § 283 S. 1 BGB auf Schadensersatz. Der Schadensersatzanspruch führt aber nicht zu einem Anspruch auf Vertragsänderung. Ein solcher Anspruch widerspräche der Wertung des § 15 Abs. 6 AGG, wonach bei einem Verstoß des Arbeitgebers gegen ein Benachteiligungsverbot grundsätzlich kein Anspruch auf die Begründung eines Beschäftigungsverhältnisses besteht. Es besteht lediglich ein Anspruch auf den finanziellen Ausgleich der Nachteile.

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