08.01.2013

Verletzung eines Lehrers bei Schnellballschlacht mit Schülern gilt als Dienstunfall

Lässt sich ein Lehrer beim Verlassen des Unterrichtsraums von seinen Schülern in eine Schneeballschlacht auf dem Schulgelände verwickeln und erleidet er dabei eine Augenverletzung, so ist dies ein Dienstunfall, für den ihm Unfallfürsorge zu gewähren ist. Dies gilt auch dann, wenn die Schulordnung das Werfen von Schneebällen untersagt.

VG Freiburg 4.12.2012, 5 K 1220/11
Sachverhalt:
Der klagende Lehrer war während der Pause von seinen Schülern in eine Schneeballschlacht auf dem Schulgelände verwickelt worden. Dabei traf ihn ein Schneeball direkt auf das Auge und verletzte dieses schwer. Der Kläger war nach einer anschließenden Operation seines Auges einen Monat lang dienstunfähig krankgeschrieben.

Das beklagte Regierungspräsidium als Schulbehörde hatte seinen Antrag auf Anerkennung des Vorfalls als Dienstunfall abgelehnt. Es war der Ansicht, es fehle der natürliche Zusammenhang mit seinen eigentlichen Dienstaufgaben. Außerdem habe der Kläger den Interessen des Dienstherrn zuwidergehandelt, da nach der Schulordnung das Schneeballwerfen ausdrücklich verboten sei. Er sei nicht als Lehrer im Über-Unterordnungsverhältnis gegenüber den Schülern eingeschritten, sondern habe privat als gleichgeordneter Teilnehmer an der Schneeballschlacht mit den Schülern mitgewirkt und durch Missachtung des Verbots seine erzieherische Vorbildfunktion verletzt.

Das VG gab der Klage statt. Die Entscheidung ist allerdings noch nicht rechtskräftig.

Gründe:
Das beklagte Regierungspräsidium war zur Anerkennung eines Dienstunfalls zu verpflichten.

Der Unfall hatte sich durchaus noch "in Ausübung des Dienstes", nämlich am Dienstort auf dem Schulgelände und auch noch während der Dienstzeit ereignet. Der Kläger wirkte nicht sofort bei der Schneeballschlacht mit, sondern forderte die Schüler zunächst auf, damit aufzuhören. Als daraufhin eine allgemeine Schneeballschlacht entbrannte, bei der alle auf alle warfen, beteiligte sich auch der Kläger daran. Vor diesem Hintergrund war es lebensfremd, diesen einheitlichen Vorgang in eine noch dienstliche, rein defensive Verteidigungsphase und eine anschließende außerdienstliche, rein private aktive Teilnahme an der Schneeballschlacht aufzuspalten.

Es ist durchaus nachvollziehbar und jedenfalls nicht unvertretbar, dass ein Lehrer sich selbst als noch im Dienst betrachtet und die Schneeballschlacht nicht als Privatsache versteht. Der Kläger konnte hier plausibel darlegen, dass er wegen seines guten Verhältnisses zu den Schülern ihren Schneeballangriff nicht als böswillig, sondern als Ausdruck der Lebensfreude und für sich als Herausforderung begriffen hatte und dass er sich mit einer bloßen Aufforderung aufzuhören und einem teilnahmslosen Verlassen des Handlungsortes auch als Pädagoge lächerlich gemacht hätte.

Infolgedessen war es unerheblich, ob, in welchem Umfang und für welchen Personenkreis die Hausordnung der Schule überhaupt galt. Selbst wenn ein Lehrer mit seinen Schneeballwürfen gegen ein wirksames Verbot des Dienstherrn verstößt, verliert er damit nicht dessen dienstunfallrechtliche Fürsorge. Wie im gesetzlichen Unfallversicherungsrecht schließt nämlich selbst verbotswidriges Verhalten einen Versicherungsfall nicht aus. Im Beamtenrecht ist dies allenfalls dann der Fall, wenn Beamte den dienstlichen Rahmen objektiv und subjektiv derart verlassen, dass das Verhalten sich als ein "dienstfremder Exzess" darstellt. Dies gilt etwa bei einer Alkoholfahrt nach einer Betriebsfeier oder einer Schlägerei bei einer dienstlichen Weihnachtsfeier. Ein solches Ereignis lag hier allerdings nicht vor.

VG Freiburg PM v. 7.1.2013
Zurück