Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung bei Pflege von EU-Ausländern?
BSG v. 11.12.2025 - B 10/12 R 4/23 R
Der Sachverhalt:
Wer in Deutschland nicht erwerbsmäßig einen in der sozialen Pflegeversicherung versicherten Pflegebedürftigen in häuslicher Umgebung pflegt, wird dafür rentenrechtlich abgesichert. Die Pflegekasse zahlt unter weiteren Voraussetzungen für die Pflegeperson Beiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung.
Das BSG hatte nun darüber zu entscheiden, ob diese Absicherung auch dann greift, wenn der Gepflegte nur im europäischen Ausland sozialversichert ist. Aufgrund europarechtlicher Vorschriften erhält er in diesen Fällen lediglich Sachleistungen aus der deutschen Pflegeversicherung.
Im konkreten Fall hatte der Kläger in Deutschland seine französischen Schwiegereltern gepflegt. Diese bezogen ausschließlich eine französische Rente und waren damit nach der Koordinierungsverordnung (EG) 883/2004 lediglich für die Sachleistungsaushilfe in das deutsche Pflegesystem einbezogen. Die beklagte Rentenversicherung veneinte deshalb eine Rentenversicherungspflicht des Klägers, die beigeladene Pflegekasse lehnte es ab, für ihn Rentenversicherungsbeiträge zu zahlen.
Der Kläger klagte auf Feststellung seiner Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung für Zeiträume, in denen er seine französischen Schwiegereltern in Deutschland nicht erwerbsmäßig gepflegt hat. Das SG gab der Klage statt, das LSG hob jedoch dessen Gerichtsbescheid auf und wies die Klage ab.
Der Kläger machte in der Revision geltend, die Vorschriften über die Versicherungspflicht seien zu seinen Gunsten unionsrechts- und verfassungskonform auszulegen. Die Gewährung von Sachleistungsaushilfe an in Deutschland gepflegte Personen auf der Grundlage europäischer Vorschriften genüge, um für die Pflegeperson eine Versicherungspflicht nach deutschem Recht zu begründen.
Die Revision des Klägers blieb vor dem BSG ohne Erfolg.
Die Gründe:
SG und LSG haben seinen Anspruch auf Feststellung der Rentenversicherungspflicht zutreffend verneint. Zwar hat der Kläger in Deutschland seine französischen Schwiegereltern im hierfür erforderlichen zeitlichen Umfang nicht erwerbsmäßig gepflegt. Jedoch hat es an deren Versicherteneigenschaft in der sozialen Pflegeversicherung gefehlt, die § 3 Satz 1 Nummer 1a SGB VI zwingend voraussetzt. Die Schwiegereltern des Klägers waren als Rentner ausschließlich in Frankreich sozialversichert. Sie erhielten daher in Deutschland Sachleistungen der Pflege lediglich als Sachleistungsaushilfe nach Artikel 17, 24 Verordnung (EG) 883/2004 und damit nicht "aus der sozialen Pflegeversicherung" im Sinne von § 3 Satz 1 Nummer 1a SGB VI.
Dass der Kläger in der Zeit der von ihm erbrachten Pflege nicht gesetzlich rentenversichert war, ergibt sich vor allem aus der systematischen Stellung der einschlägigen Vorschriften der gesetzlichen Renten- und Pflegeversicherung. Die Tragung der Beiträge für nicht erwerbsmäßig tätige Pflegepersonen ist als Bestandteil der Leistungen der deutschen sozialen Pflegeversicherung für ihre Versicherten ausgestaltet (§§ 28 Absatz 1 Nummer 10, 44 SGB XI). Sie setzt zwingend die Beitragspflicht einer inländischen Pflegekasse nach § 170 Absatz 1 Nummer 6 SGB VI voraus. Für Pflegebedürftige, die in Deutschland lediglich aufgrund europarechtlicher Koordinierung Pflege-leistungen im Wege der Sachleistungsaushilfe erhalten, besteht ein solcher Beitragstatbestand nicht. Auch europarechtlich bleibt für Geldleistungen bei Krankheit ausschließlich der Rentenzahlstaat zuständig, im Fall der Schwiegereltern des Klägers Frankreich. Das gilt auch für die Zahlung von Rentenversicherungsbeiträgen zugunsten von Pflegepersonen im Wohnsitzmitgliedstaat. Eine trotz der europarechtlichen Koordinierung grundsätzlich mögliche Erweiterung des § 3 Satz 1 Nummer 1a SGB VI auf im EU-Ausland Versicherte ist dem Gesetz nicht zu entnehmen.
Dieser Ausschluss von EU-Ausländern vom Recht auf Beitragszahlung für ihre Pflegepersonen verstößt auch nicht gegen das Diskriminierungsverbot des Europarechts oder Artikel 3 GG, weil die europäische Rechtsordnung lediglich eine Koordinierung, aber keine Harmonisierung der Leistungsansprüche vorsieht und der deutsche Gesetzgeber daran ohne Gleichheitsverstoß anknüpfen darf.
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Wer in Deutschland nicht erwerbsmäßig einen in der sozialen Pflegeversicherung versicherten Pflegebedürftigen in häuslicher Umgebung pflegt, wird dafür rentenrechtlich abgesichert. Die Pflegekasse zahlt unter weiteren Voraussetzungen für die Pflegeperson Beiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung.
Das BSG hatte nun darüber zu entscheiden, ob diese Absicherung auch dann greift, wenn der Gepflegte nur im europäischen Ausland sozialversichert ist. Aufgrund europarechtlicher Vorschriften erhält er in diesen Fällen lediglich Sachleistungen aus der deutschen Pflegeversicherung.
Im konkreten Fall hatte der Kläger in Deutschland seine französischen Schwiegereltern gepflegt. Diese bezogen ausschließlich eine französische Rente und waren damit nach der Koordinierungsverordnung (EG) 883/2004 lediglich für die Sachleistungsaushilfe in das deutsche Pflegesystem einbezogen. Die beklagte Rentenversicherung veneinte deshalb eine Rentenversicherungspflicht des Klägers, die beigeladene Pflegekasse lehnte es ab, für ihn Rentenversicherungsbeiträge zu zahlen.
Der Kläger klagte auf Feststellung seiner Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung für Zeiträume, in denen er seine französischen Schwiegereltern in Deutschland nicht erwerbsmäßig gepflegt hat. Das SG gab der Klage statt, das LSG hob jedoch dessen Gerichtsbescheid auf und wies die Klage ab.
Der Kläger machte in der Revision geltend, die Vorschriften über die Versicherungspflicht seien zu seinen Gunsten unionsrechts- und verfassungskonform auszulegen. Die Gewährung von Sachleistungsaushilfe an in Deutschland gepflegte Personen auf der Grundlage europäischer Vorschriften genüge, um für die Pflegeperson eine Versicherungspflicht nach deutschem Recht zu begründen.
Die Revision des Klägers blieb vor dem BSG ohne Erfolg.
Die Gründe:
SG und LSG haben seinen Anspruch auf Feststellung der Rentenversicherungspflicht zutreffend verneint. Zwar hat der Kläger in Deutschland seine französischen Schwiegereltern im hierfür erforderlichen zeitlichen Umfang nicht erwerbsmäßig gepflegt. Jedoch hat es an deren Versicherteneigenschaft in der sozialen Pflegeversicherung gefehlt, die § 3 Satz 1 Nummer 1a SGB VI zwingend voraussetzt. Die Schwiegereltern des Klägers waren als Rentner ausschließlich in Frankreich sozialversichert. Sie erhielten daher in Deutschland Sachleistungen der Pflege lediglich als Sachleistungsaushilfe nach Artikel 17, 24 Verordnung (EG) 883/2004 und damit nicht "aus der sozialen Pflegeversicherung" im Sinne von § 3 Satz 1 Nummer 1a SGB VI.
Dass der Kläger in der Zeit der von ihm erbrachten Pflege nicht gesetzlich rentenversichert war, ergibt sich vor allem aus der systematischen Stellung der einschlägigen Vorschriften der gesetzlichen Renten- und Pflegeversicherung. Die Tragung der Beiträge für nicht erwerbsmäßig tätige Pflegepersonen ist als Bestandteil der Leistungen der deutschen sozialen Pflegeversicherung für ihre Versicherten ausgestaltet (§§ 28 Absatz 1 Nummer 10, 44 SGB XI). Sie setzt zwingend die Beitragspflicht einer inländischen Pflegekasse nach § 170 Absatz 1 Nummer 6 SGB VI voraus. Für Pflegebedürftige, die in Deutschland lediglich aufgrund europarechtlicher Koordinierung Pflege-leistungen im Wege der Sachleistungsaushilfe erhalten, besteht ein solcher Beitragstatbestand nicht. Auch europarechtlich bleibt für Geldleistungen bei Krankheit ausschließlich der Rentenzahlstaat zuständig, im Fall der Schwiegereltern des Klägers Frankreich. Das gilt auch für die Zahlung von Rentenversicherungsbeiträgen zugunsten von Pflegepersonen im Wohnsitzmitgliedstaat. Eine trotz der europarechtlichen Koordinierung grundsätzlich mögliche Erweiterung des § 3 Satz 1 Nummer 1a SGB VI auf im EU-Ausland Versicherte ist dem Gesetz nicht zu entnehmen.
Dieser Ausschluss von EU-Ausländern vom Recht auf Beitragszahlung für ihre Pflegepersonen verstößt auch nicht gegen das Diskriminierungsverbot des Europarechts oder Artikel 3 GG, weil die europäische Rechtsordnung lediglich eine Koordinierung, aber keine Harmonisierung der Leistungsansprüche vorsieht und der deutsche Gesetzgeber daran ohne Gleichheitsverstoß anknüpfen darf.
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