02.05.2013

Vorlage an den EuGH: Sind deutsche Arbeitsgerichte für Lehrbeauftragte an Europäischen Schulen zuständig?

Das BAG hat dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) die Frage zur Vorabentscheidung vorgelegt, ob Lehrbeauftragte an sog. Europäischen Schulen mit Sitz in Deutschland vor deutschen Arbeitsgerichten eine Entfristungsklage erheben können. Die Satzung der Europäischen Schulen sieht für bestimmte Streitigkeiten die ausschließliche Zuständigkeit einer "Beschwerdekammer" vor. Fraglich ist, ob Lehrbeauftragte und die mit diesen geschlossenen Vereinbarungen unter diese Satzungsbestimmung fallen.

BAG 24.4.2013, 7 AZR 930/11 (A)
Der Sachverhalt:
Der Kläger ist seit September 1998 auf der Grundlage jährlich befristeter Arbeitsverträge als Lehrbeauftragter an der beklagten Europäischen Schule in München beschäftigt. Mit seiner zum Arbeitsgericht München erhobenen Klage griff er die mit ihm für die Schuljahre 2009/2010 und 2010/2011 vereinbarten Befristungen an.

Die beklagte Europäische Schule hielt die Klage für unzulässig. Zur Begründung berief sie sich auf Art. 27 Abs. 2 der Satzung der Europäischen Schulen (SES), wonach für bestimmte Streitigkeiten ausschließlich eine "Beschwerdekammer" zuständig sei. Nach Art. 27 Abs. 7 SES unterliegen allerdings "andere Streitigkeiten, bei denen die Schulen Partei sind", der Zuständigkeit der nationalen Gerichte.

Arbeitsgericht und LAG erachteten die Klage für zulässig, weil Streitigkeiten über die Wirksamkeit von Befristungen, die zwischen Lehrbeauftragten und dem Direktor einer Schule vereinbart worden seien, von Art. 27 Abs. 2 SES nicht erfasst würden. Auf die Revision der Beklagten setzte das BAG das Verfahren aus und legte dem EuGH die Frage vor, wie Art. 27 Abs. 2 SES auszulegen ist.

Die Gründe:
Art. 27 Abs. 2 SES ist auslegungsbedürftig. Daher war nach Art. 267 AEUV der EuGH um eine Vorabentscheidung zur Auslegung der Satzungsbestimmung zu ersuchen. Denn fraglich ist, ob Lehrbeauftragte zu den von Art. 27 Abs. 2 SES erfassten Personen gehören oder ob sie - wie das Verwaltungs- und Dienstpersonal - von der Anwendung der Regelung ausgenommen sind. Ferner ist unklar, ob die mit dem Direktor einer Europäischen Schule geschlossenen Vereinbarungen unter Art. 27 Abs. 2 SES fallen.

Der Hintergrund:
Die Europäischen Schulen wurden 1957 für den gemeinsamen Unterricht der Kinder der Bediensteten der Europäischen Gemeinschaften eingerichtet. Ihre Rechtsgrundlage ist eine Vereinbarung der Mitgliedstaaten über die Satzung der Europäischen Schulen (SES).

An diesen Schulen unterrichten zum einen Lehrer, die von den Mitgliedstaaten abgeordnet werden. Daneben werden Lehrbeauftragte beschäftigt, die der Direktor der jeweiligen Schule anstellt. Nach dem vom "Obersten Rat" - einem gemeinsamen Organ aller Schulen - erlassenen Statut sind mit den Lehrbeauftragten "jährliche Arbeitsverträge" abzuschließen.

Nach § 20 Abs. 2 GVG erstreckt sich die deutsche Gerichtsbarkeit nicht auf zwischenstaatliche Organisationen, soweit sie nach den allgemeinen Regeln des Völkerrechts, aufgrund völkerrechtlicher Vereinbarungen oder sonstiger Rechtsvorschriften von ihr befreit sind. Für Streitigkeiten, die nach Art. 27 Abs. 2 SES in die Zuständigkeit der Beschwerdekammer fallen, ist daher die deutsche Gerichtsbarkeit nicht gegeben. Da die SES Teil des EU-Rechts ist, ist für ihre Auslegung ausschließlich der EuGH zuständig.

Linkhinweis:

Der Volltext der Entscheidung wird demnächst auf den Webseiten des BAG veröffentlicht. Für die Pressemitteilung des BAG klicken Sie bitte hier.

BAG PM Nr. 26 vom 24.4.2013
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