20.05.2019

Wann darf die stufenweise Wiedereingliederung eines Schwerbehinderten abgelehnt werden?

Zwar können Arbeitgeber nach § 81 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 SGB IX in der bis 31.12.2017 geltenden Fassung (a.F.) verpflichtet sein, an einer Maßnahme der stufenweisen Wiedereingliederung derart mitzuwirken, dass er die/den Beschäftigte/n entsprechend den Vorgaben des Wiedereingliederungsplans beschäftigt. Sie dürfen allerdings die stufenweise Wiedereingliederung eines Schwerbehinderten bei begründeten Zweifeln an der Gesundheitseignung ablehnen.

BAG v. 16.5.2019 - 8 AZR 530/17
Der Sachverhalt:
Der Kläger ist schwerbehindert. Er ist bei der beklagten Stadt als Technischer Angestellter beschäftigt. Von August 2014 bis Anfang März 2016 war er arbeitsunfähig erkrankt. Am 21.9.2015 fand eine betriebsärztliche Untersuchung des Klägers statt. In der Beurteilung vom 12.10.2015 wurde eine stufenweise Wiedereingliederung zur vorsichtigen Heranführung an die Arbeitsfähigkeit mit bestimmten Einschränkungen in der Tätigkeit befürwortet.

Unter Vorlage des Wiedereingliederungsplans seines behandelnden Arztes vom 28.10.2015 beantragte der Kläger bei der beklagten Stadt die stufenweise Wiedereingliederung in das Erwerbsleben im Zeitraum vom 16.11.2015 bis zum 15.1.2016. Der Wiedereingliederungsplan des behandelnden Arztes sah keine Einschränkungen in der Tätigkeit vor. Als absehbaren Zeitpunkt der Wiederherstellung der vollen Arbeitsfähigkeit gab der Arzt den 18.1.2016 an.

Die Beklagte lehnte den Wiedereingliederungsplan am 5.11.2015 ab. Sie war der Ansicht, dass ein Einsatz des Klägers im bisherigen Aufgabengebiet/Tätigkeitsbereich wegen der in der betriebsärztlichen Beurteilung aufgeführten Einschränkungen nicht möglich sei. Dem vom Kläger vorgelegten zweiten Wiedereingliederungsplan, der eine Wiedereingliederung in der Zeit vom 4.1. bis zum 4.3.2016 vorsah, und dem ein Bericht der behandelnden Psychologin beilag, wonach Einschränkungen in der Tätigkeit nicht mehr bestanden, stimmte die Beklagte nach erneuter - nun positiver - Beurteilung durch die Betriebsärztin zu. Diese Wiedereingliederung war erfolgreich, der Kläger erlangte am 7.3.2016 seine volle Arbeitsfähigkeit wieder.

Der Kläger forderte von der Beklagten daraufhin den Ersatz der Vergütung, die ihm in der Zeit vom 18.1. bis zum 6.3.2016 dadurch entgangen war, dass die beklagte Stadt ihn nicht entsprechend den Vorgaben des Wiedereingliederungsplans vom 28.10.2015 beschäftigt hatte. Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das LAG gab ihr im Berufungsverfahren im Wesentlichen statt. Die Revision der beklagten Stadt hatte vor dem Achten Senat des Bundesarbeitsgerichts Erfolg. Auf die Revision der Beklagten hat das BAG das Berufungsurteil aufgehoben und die Berufung zurückgewiesen.

Die Gründe:
Die beklagte Stadt war nicht verpflichtet, den Kläger entsprechend den Vorgaben des Wiedereingliederungsplans vom 28.10.2015 in der Zeit vom 16.11.2015 bis zum 15.1.2016 zu beschäftigen.

Zwar kann der Arbeitgeber nach § 81 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 SGB IX in der bis 31.12.2017 geltenden Fassung (a.F.) verpflichtet sein, an einer Maßnahme der stufenweisen Wiedereingliederung derart mitzuwirken, dass er die/den Beschäftigte/n entsprechend den Vorgaben des Wiedereingliederungsplans beschäftigt. Im vorliegenden Fall lagen allerdings besondere Umstände vor, aufgrund derer die Beklagte ihre Zustimmung zum Wiedereingliederungsplan vom 28.10.2015 verweigern durfte. Denn es bestand aufgrund der Beurteilung der Betriebsärztin vom 12.10.2015 die begründete Befürchtung, dass der Gesundheitszustand des Klägers eine Beschäftigung entsprechend diesem Wiedereingliederungsplan nicht zulassen würde. Die begründeten Zweifel an der Geeignetheit des Wiedereingliederungsplans ließen sich auch nicht bis zum vorgesehen Beginn der Maßnahme ausräumen.

Linkhinweis:
  • Der Volltext der Entscheidung wird demnächst auf den Webseiten des BAG veröffentlicht.
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BAG PM Nr. 22 vom 16.5.2019
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