27.08.2021

Was sind wichtige Gründe für die Gewährung eines langfristigen unbezahlten Sonderurlaubs?

Die angestrebte Mitarbeit einer Arbeitnehmerin im Betrieb ihres Ehegatten zur Behebung eines seit längerem bestehenden Personalmangels ist regelmäßig kein wichtiger Grund zur Gewährung eines langfristigen unbezahlten Sonderurlaubs. Etwas anderes kann in einer persönlichen Notlage des Ehegatten (z. B. Erkrankung) gelten, die ihm ein Tätigwerden für den Betrieb vorübergehend unmöglich macht, andere Kräfte nicht zur Verfügung stehen und seine Erwerbsgrundlage ohne ein Einspringen des anderen Ehepartners aller Voraussicht nach dauerhaft entfallen würde.

LAG Mecklenburg-Vorpommern v. 17.6.2021 - 5 Sa 83/21
Der Sachverhalt:
Die 44-jährige Klägerin ist seit 2006 bei der Beklagten beschäftigt. Sie war zuletzt im Jobcenter A-Stadt als Sachbearbeiterin Unterhaltsheranziehung eingesetzt. Auf das Arbeitsverhältnis der Parteien findet der Tarifvertrag der Bundesagentur für Arbeit (TV-BA) Anwendung. Die Klägerin ist Volljuristin und in der Tätigkeitsebene IV des TV-BA eingruppiert, was zuletzt einem monatlichen Gehalt von rund 4.789 € brutto entsprach.

Am 7.8.2019 hatte die Klägerin unbezahlten Sonderurlaub für den Zeitraum vom 1.10.2019 bis zum 30.9.2020 beantragt, um in dem Unternehmen ihres Ehemanns, der ein Bestattungshaus führt, mitzuarbeiten und den akuten Personalmangel im Betrieb aufzufangen. Zur Begründung verwies sie auf die gegenseitige Verantwortung innerhalb der ehelichen Lebensgemeinschaft gem. § 1353 Abs. 1 Satz 2 BGB sowie die Sicherung des Familienunterhalts. Die Beklagte bewilligte ihr den unbezahlten Sonderurlaub für die Dauer eines Jahres vom 1.12.2019 bis zum 30.11.2020. Die Klägerin schloss sodann einen Arbeitsvertrag mit ihrem Ehemann.

Am 23.8.2020 beantragte die Klägerin die Verlängerung des unbezahlten Sonderurlaubs um ein weiteres Jahr bis zum 30.11.2021. Sie begründete den Antrag mit den bislang erfolglos gebliebenen Bemühungen zur Einstellung weiterer Arbeitskräfte. Die Beklagte bot ihr eine letztmalige Freistellung bis zum 30.6.2021 an. Die Klägerin lehnte dies ab und erweiterte stattdessen ihren Antrag bis zum 31.12.2022, um der Beklagten ggf. mehr Planungssicherheit zu geben. Die Beklagte versagte sodann eine Bewilligung von unbezahltem Sonderurlaub und forderte die Klägerin auf, den Dienst am 1.12.2020 wieder anzutreten.

Das Arbeitsgericht hat die Klage auf Gewährung des Sonderurlaubs abgewiesen. Die hiergegen gerichtete Berufung der Klägerin blieb vor dem LAG erfolglos.

Die Gründe:
Die Klägerin hat keinen Anspruch aus § 31 TV-BA auf einen weiteren (unbezahlten) Sonderurlaub, und zwar weder bis zum 31.12.2022 noch bis zu einem früheren Datum. Ebenso wenig ergibt sich ein Anspruch dem arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz.

Nach dem Tarifwortlaut des § 31 des Tarifvertrags der Bundesagentur für Arbeit (TV-BA) muss es für den beantragten Sonderurlaub einen wichtigen Grund geben. Ein sachlicher, nachvollziehbarer Grund allein genügt noch nicht. Vielmehr muss der Grund gewichtig sein. Dabei kommt es nicht darauf an, welches Gewicht der Beschäftigte ihm beimisst. Maßgeblich ist eine objektive Betrachtungsweise.

Da der Tarifvertrag verschiedene gesetzlich geregelte Fälle einer Arbeitsbefreiung ohne Fortzahlung der Bezüge ergänzt, können diese als Maßstab für die geforderte Wichtigkeit des Grundes herangezogen werden. Eine vollständige oder teilweise Freistellung ohne Fortzahlung der Vergütung kann etwa zum Zwecke der Betreuung und Erziehung von Kindern oder der Pflege naher Angehöriger beansprucht werden (§ 15 BEEG, § 3 PflegeZG). Auch die Übernahme von bestimmten Tätigkeiten im öffentlichen Interesse führt zum Ruhen der Rechte und Pflichten aus dem Arbeitsverhältnis, wie etwa die Übernahme eines Bundestagsmandats (§ 5 Abs 1 S 1, § 8 Abs 3 AbgG).

Die Ehegatten sind zwar nach § 1360 S 1 BGB einander verpflichtet, durch ihre Arbeit und mit ihrem Vermögen die Familie angemessen zu unterhalten. Sie tragen nach § 1353 Abs 1 S 2 BGB füreinander Verantwortung. Eine Verpflichtung zur - vorübergehenden oder dauerhaften - Mitarbeit in dem oder in einem Unternehmen des Ehepartners ergibt sich daraus jedoch grundsätzlich nicht. Nach § 1356 Abs 2 S 1 BGB sind beide Ehegatten berechtigt, erwerbstätig zu sein. Jedem Ehegatten steht es grundsätzlich frei, seine Arbeitskraft nach seinen persönlichen Wünschen einzusetzen. Eine Pflicht zur Mitarbeit im Betrieb des Ehegatten besteht allenfalls in Not- und Zwangssituationen. Eine solche Notlage kann etwa im Fall einer Erkrankung des Ehepartners vorliegen, die ihm ein Tätigwerden für den Betrieb vorübergehend unmöglich macht, andere Kräfte nicht zur Verfügung stehen und seine Erwerbsgrundlage ohne ein Einspringen des anderen Ehepartners aller Voraussicht nach dauerhaft entfallen würde.
Landesrecht M-V
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