07.09.2017

Weiterleitung von E-Mails mit betrieblichen Informationen an privaten E-Mail-Account kann zur fristlosen Kündigung führen

Die Weiterleitung von E-Mails mit betrieblichen Unterlagen an eine private E-Mail-Adresse zur Vorbereitung einer Tätigkeit bei einem neuen Arbeitgeber ist eine erhebliche Pflichtverletzung der Rücksichtnahme auf die Rechte und Interessen des Arbeitgebers. Befindet sich der Arbeitnehmer kurz vor Abschluss eines Arbeitsvertrags mit einem Konkurrenzunternehmen und unternimmt dies, so kann dies aufgrund der unmittelbaren Gefährdung der Geschäftsinteressen des Arbeitgebers eine fristlose Kündigung rechtfertigen.

LAG Berlin-Brandenburg 16.5.2017, 7 Sa 38/17
Der Sachverhalt:
Die Beklagte ist ein Unternehmen, das u.a. Rückkühlanlagen für Industrieanlagen herstellt. Der Kläger ist bei ihr seit 2006 als Senior Expert Sales & Engineering im Vertrieb beschäftigt. Der Kläger nahm Anfang 2016 Verhandlungen mit anderen Arbeitgebern auf, u. a. der Firma P.P. Anlagen B. und K. GmbH, die ebenfalls Kälteanlagen für die Lebensmittelindustrie herstellt und eine Konkurrentin der Beklagten ist. Am 8.4.2016 übersandte die Geschäftsführerin dieser Gesellschaft dem Kläger konkrete Vertragsunterlagen für ein zukünftiges Arbeitsverhältnis ab 1.7.2016.

Am 25.4.2016 versandte der Kläger zahlreiche dienstliche E-Mails von seinem Arbeitsplatzcomputer an seine private E-Mail-Adresse. Die E-Mails enthielten u.a. ausführliche Kundendaten, Preislisten sowie Projektunterlagen eines anderen Mitarbeiters. Die Beklagte fand dies heraus und kündigte dem Kläger nach erfolgter Anhörung außerordentlich fristlos zum 29.4.2016, hilfsweise fristgemäß zum 31.7.2016, da sie der Überzeugung war, dass der Kläger damit seine zukünftige Konkurrenztätigkeit vorbereiten wolle. Der Kläger gab an, er habe sich die E-Mails an seine private E-Mail-Adresse geschickt, um Kundendaten abzugleichen und von zu Hause arbeiten zu können.

Er erhob daher Klage und begehrte neben der Feststellung der Unwirksamkeit der fristlosen Kündigung, Vergütungsansprüche für Mai und Juni 2016 sowie eine erfolgsabhängige anteilige Vergütung für 2016. Die Klage hatte zunächst vor dem Arbeitsgericht Erfolg. Das LAG wies die Klage jedoch größtenteils ab.

Die Gründe:
Die Berufung der Beklagten hat teilweise Erfolg. Das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis endete aufgrund der fristlosen Kündigung der Beklagten mit sofortiger Wirkung am 29.4.2016. Daher hat der Kläger keinen Anspruch auf Vergütung für die Monate Mai und Juni 2016. Die vom Kläger geltend gemachte Erfolgsbeteiligung besteht nur anteilig bis zum Beendigungszeitpunkt am 29.4.2016.

Die außerordentliche Kündigung der Beklagten vom 29.4.2016 ist rechtswirksam. Die Beklagte hatte einen wichtigen Grund für sich genommen, der es ihr unter Berücksichtigung der besonderen Umstände des Einzelfalls und unter Abwägung der beiderseitigen Interessen der Parteien unzumutbar machte, das Arbeitsverhältnis noch länger fortzuführen. Ein wichtiger Grund gem. § 626 Abs. 1 BGB liegt auch in der schuldhaften Verletzung einer vertraglichen Nebenpflicht. Gem. § 241 Abs. 2 BGB ist der Arbeitnehmer zur Rücksichtnahme auf die Rechte und Interessen seines Arbeitgebers verpflichtet. Es ist dem Arbeitnehmer daher nicht gestattet, sich ohne Erlaubnis seitens des Arbeitgebers betriebliche Unterlagen anzueignen. Verstößt er gegen diese Pflicht, kann ein wichtiger Grund i.S.v. § 626 Abs. 1 BGB wie im vorliegenden Fall gegeben sein. Denn der Kläger hat in schwerwiegender Weise gegen die Pflicht verstoßen, indem er sich zahlreiche E-Mails mit betrieblichen Unterlagen an seine private E-Mail-Adresse zu betriebsfremden Zwecken geschickt hat.

Nach Überzeugung des Gerichts hat der Kläger die Daten an seine private E-Mail-Adresse weitergeleitet, um seine neue Tätigkeit bei einem Konkurrenzunternehmen vorzubereiten. Denn es bestand keine dienstliche Notwendigkeit dafür dies zu tun. Der Kläger konnte, wenn er von zu Hause arbeiten wollte, den ihm zur Verfügung gestellten Laptop mit allen notwendigen Daten nutzen. Auch sind keine Gründe dafür ersichtlich, weswegen er sich Projektunterlagen eines Kollegen übersandte. Ebenso die Vielzahl und die Inhalte sprechen für die Annahme sowie der Umstand, dass der Kläger zu Zeitpunkt der Versendung bereits in konkreten Vertragsverhandlungen zu seinem neuen Arbeitgeber stand und sich nicht lediglich nur Angebote einholte.

Die Versendung zu betriebsfremden Zwecken stellt eine erhebliche Pflichtverletzung dar. Zudem geschah sie vorsätzlich. Es bestand eine konkrete Gefährdung für die geschäftlichen Interessen der Beklagten. Bei einer Abwägung des Interesses des Klägers am Fortbestand seines Arbeitsverhältnisses und dem Interesse der Beklagte an der sofortigen Beendigung, überwiegt aufgrund der Schwere der Verletzung, der Grad des Verschuldens sowie der möglichen Wiederholungsgefahr das Beklagteninteresse. Die Dauer des Arbeitsverhältnisses seit 2006 und der bis dahin störungsfreie Ablauf treten dahinter zurück.

LAG Berlin-Brandenburg
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