16.11.2011

Zeugnis: Nicht jede ungewöhnliche Formulierung stellt eine unzulässige verschlüsselte Kritik dar

Die Zeugnisformulierung "wir haben Herrn ... als sehr interessierten und hochmotivierten Mitarbeiter kennengelernt" verstößt nicht gegen den Grundsatz der Zeugnisklarheit (§ 109 Abs. 2 Satz 2 GewO). Sie erweckt aus Sicht des objektiven Empfängerhorizonts nicht den Eindruck, der Arbeitgeber attestiere dem Arbeitnehmer in Wahrheit Desinteresse und fehlende Motivation.

BAG 15.11.2011, 9 AZR 386/10
Der Sachverhalt:
Der Kläger war drei Jahre im "SAP Competence Center" der Beklagten beschäftigt. Die Beklagte erteilte ihm unter dem Beendigungsdatum ein Zeugnis. Dieses enthielt u.a. folgende Formulierung:

"Wir haben den Kläger als sehr interessierten und hochmotivierten Mitarbeiter kennengelernt, der stets eine sehr hohe Einsatzbereitschaft zeigte. Der Kläger war jederzeit bereit, sich über die normale Arbeitszeit hinaus für die Belange des Unternehmens einzusetzen. Er erledigte seine Aufgaben stets zu unserer vollen Zufriedenheit."

Mit seiner Klage wendet sich der Kläger gegen die Formulierung "kennengelernt". Diese werde in der Berufswelt überwiegend negativ verstanden und bringe verschlüsselt zum Ausdruck, dass gerade das Gegenteil der jeweiligen Aussage zutreffe. Die Klage hatte in allen Instanzen keinen Erfolg.

Die Gründe:
Der Kläger hat gegen die Beklagte keinen Anspruch auf Zeugnisberichtigung.

Nach § 109 Abs. 1 GewO haben Arbeitnehmer bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses Anspruch auf ein schriftliches Zeugnis. Dieses darf gem. § 109 Abs. 2 Satz 2 GewO keine Formulierungen enthalten, die den Zweck haben, eine andere als aus der äußeren Form oder dem Wortlaut ersichtliche Aussage über den Arbeitnehmer zu treffen (Grundsatz der Zeugnisklarheit).

Gegen den Grundsatz der Zeugnisklarheit hat die Beklagte nicht verstoßen. Die Formulierung, die Beklagte habe den Kläger "als sehr interessierten und hochmotivierten Mitarbeiter kennengelernt", erweckt aus Sicht des objektiven Empfängerhorizonts nicht den Eindruck, die Beklagte attestiere dem Kläger in Wahrheit Desinteresse und fehlende Motivation.

Linkhinweis:

  • Der Volltext der Entscheidung wird demnächst auf den Webseiten des BAG veröffentlicht.
  • Für die Pressemitteilung des BAG klicken Sie bitte hier.
BAG PM Nr. 88 vom 15.11.2011
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