13.08.2019

Zu den Voraussetzungen eines Vergleichsmehrwertes

Geht der Inhalt einer Regelung im Vergleich über einfache Abwicklungsmaßnahmen nicht hinaus, entsteht insoweit kein Vergleichsmehrwert; das kann auch für eine Vereinbarung über die Erstellung eines Zeugnisses gelten. Die Formulierung "wohlwollend" ist immer vor dem Hintergrund der konkreten Vorwürfe zu verstehen. Ein vollstreckbarer Zeugnisinhalt ergibt sich aus der Formulierung nicht, weshalb auch ein Titulierungsinteresse keinen Vergleichsmehrwert rechtfertigen kann.

LAG Berlin-Brandenburg v. 5.7.2019 - 26 Ta (Kost) 6034/19
Der Sachverhalt:
Die Prozessbevollmächtigten der Beklagten begehrten mit der Beschwerde Berücksichtigung eines Mehrwerts i.H.v. 2.368 € im Zusammenhang mit Vereinbarungen im Vergleich, nach denen das Arbeitsverhältnis bis zum vereinbarten Beendigungszeitpunkt ordnungsgemäß abgerechnet werden sollte, Resturlaubstage abzugelten seien, der Beklagte der Klägerin ein wohlwollendes qualifiziertes Zeugnis und eine Arbeitsbescheinigung erstellen sollte. Das Arbeitsgericht hatte zunächst hierfür 2.368 € in Ansatz gebracht.

Der Klägerin war Prozesskostenhilfe bewilligt worden. Der Bezirksrevisor hat vor diesem Hintergrund die Festsetzung des Gegenstandswerts für den "Mehrvergleich" mit einer sofortigen Beschwerde angegriffen. Die Voraussetzungen für die Festsetzung eines Gegenstandswerts für den Mehrvergleich lägen nicht vor. Das Arbeitsgericht hat der Beschwerde abgeholfen.

Gegen diesen Beschluss wandte sich der Prozessbevollmächtigte der Klägerin mit der vorliegenden Beschwerde. Er war der Ansicht, der Gesetzgeber könne nicht beabsichtigt haben, bei gerichtlichen Einigungen über die Beendigung des Arbeitsverhältnisses für jeden weiteren Anspruch ein gesondertes Klageverfahren anzustreben. Es mache keinen Sinn, im Rahmen des Vergleichs nur die Kündigungsfrage zu regeln. Anzustreben sei eine vollständige Bereinigung. Das müsse sich auch bei den Streitwerten niederschlagen. Zur Vermeidung gesonderter Verfahren hätten die Parteien die kostengünstigste Variante gewählt. So seien auch im Streitwertkatalog für die Arbeitsgerichtsbarkeit die Arbeitspapiere, der Urlaubsanspruch und das Zeugnis erwähnt. Ungewiss sei, was den Parteien unklar sei. Unsicherheit reiche.

Das Arbeitsgericht hat der Beschwerde nicht abgeholfen. Auch die hiergegen gerichtete sofortige Beschwerde blieb vor dem LAG ohne Erfolg.

Die Gründe:
Das Arbeitsgericht hat die Berücksichtigung eines Vergleichsmehrwerts zuletzt zutreffend abgelehnt.

Die Festsetzung eines Vergleichsmehrwerts ist nicht bereits dann gerechtfertigt, wenn die Parteien während ihrer Vergleichsverhandlungen über die gerichtlich anhängigen Gegenstände weitere Ansprüche ansprechen und auch sie eine Regelung in dem Vergleich erfahren. Zwar wird eine Einigung der Parteien häufig nur zu erreichen sein, wenn derartige Vereinbarungen getroffen werden; denn die Parteien sind nicht selten nur dann zum Abschluss eines Vergleichs bereit, wenn weitere Fragen geregelt werden und ein diesbezüglicher zukünftiger Streit vermieden wird. Die Tätigkeit des Rechtsanwalts, die zum Abschluss eines Vergleichs führt, ist jedoch mit der Einigungsgebühr als solcher abgegolten. Auch genügt es für die Festsetzung eines Vergleichsmehrwertes nicht, dass eine der Parteien in den Vergleichsverhandlungen Forderungen aufstellt, um dann im Wege des Nachgebens einen Vergleich zu erreichen; für einen Vergleichsmehrwert muss vielmehr der potentielle Streitgegenstand eines künftigen Verfahrens eine Regelung erfahren.

Infolgedessen lagen hier die Voraussetzungen für den Ansatz eines Vergleichsmehrwerts hinsichtlich der Abrechnung, der Abgeltung der Resturlaubstage, der Erstellung eines wohlwollenden qualifizierten Zeugnisses und der Arbeitsbescheinigung nicht vor. Es war nämlich nicht erkennbar, dass bzw. inwieweit die Frage der Erstellung von Abrechnungen den Anforderungen an eine Berücksichtigung eines Vergleichsmehrwerts genügte. Gleiches galt in Bezug auf die Abgeltung von Urlaubstagen. Beides waren nämlich einfache Abwicklungsregelungen.

Auch die Einigung bezüglich des Zeugnisses enthielt keinen qualifizierten Inhalt. Wenn die Parteien über die Wirksamkeit einer verhaltensbedingten Kündigung streiten, kann zwar an sich regelmäßig ohne nähere Begründung davon ausgegangen werden, dass auch das Führungs- und Leistungsverhalten des Arbeitnehmers streitig war; wird der Kündigungsrechtsstreit durch Abschluss eines Vergleichs beigelegt und dort eine Zeugnisregelung getroffen, führt dies deshalb ohne weiteres zur Festsetzung eines Vergleichsmehrwerts. Gleiches gilt bei einer personenbedingten Kündigung, wenn die Kündigungsgründe einen Bezug zu dem Führungs- und Leistungsverhalten aufweisen.

Stand hingegen eine betriebsbedingte Kündigung im Streit oder fehlen Angaben über die Kündigungsgründe, bedarf es zur Festsetzung eines Vergleichsmehrwerts für eine Zeugnisregelung regelmäßig näherer Angaben, aus denen auf einen im Zeitpunkt des Vergleichs bestehenden Streit bzw. eine Ungewissheit über den Zeugnisanspruch geschlossen werden kann. Somit war hier ein Mehrwert im Hinblick auf die Regelung im Vergleich zum Zeugnisinhalt nicht zu berücksichtigen. Es ging zwar um eine außerordentliche verhaltensbedingte Kündigung. Die Parteien hatten den Zeugnisinhalt aber nicht weiter konkretisiert. Der Inhalt der Vereinbarung ging über eine einfache Abwicklungsregelung durch die Verwendung des Begriffs "wohlwollend" nicht hinaus. Ein vollstreckbarer Zeugnisinhalt ergibt sich aus der Formulierung zudem nicht. Daher kann auch ein Titulierungsinteresse keinen Vergleichsmehrwert rechtfertigen.

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