05.02.2020

Zulässigkeit eines Arbeitszeiterfassungssystems mittels Fingerabdruck

Die Arbeitszeiterfassung durch ein Zeiterfassungssystem mittels Fingerabdruck ist im Normalfall nicht erforderlich im Sinne von § 26 Abs. 1 BDSG und damit ohne Einwilligung der betroffenen Person nicht zulässig.

ArbG Berlin v. 16.10.2019 - 29 Ca 5451/19
Der Sachverhalt:
Der Kläger verlangte die Entfernung von Abmahnungen aus seiner Personalakte, die ihren Grund in seiner Weigerung hatten, an der von seinem Arbeitgeber neu eingeführten Zeiterfassung unter Verwendung seines Fingerabdrucks ("Fingerprint") teilzunehmen.

Die neu eingeführte Zeiterfassung Fingerprint sah vor, dass der Mitarbeiter sich durch Abgleich seines Fingerabdrucks mit den im Zeiterfassungsterminal gespeicherten Daten im Zeiterfassungsprogramm an- und abmeldet. Hierfür wurden aus dem Fingerabdruck des Mitarbeiters zunächst sogenannte Minutien (individuelle, nicht vererbbare Fingerlinienverzweigungen) mittels eines speziellen Algorithmus extrahiert. Der Minutiendatensatz wurde sodann im Zeiterfassungsterminal gespeichert und zum Abgleich des Fingerabdrucks des Mitarbeiters bei der An- und Abmeldung verwendet. Nicht gespeichert wurde grundsätzlich der Fingerabdruck des Mitarbeiters. Aus dem gespeicherten Minutiendatensatz konnte der Fingerabdruck des Mitarbeiters auch nicht wieder generiert werden.

Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben. Berufung wurde eingelegt beim LAG Berlin-Brandenburg unter dem Aktenzeichen 10 Sa 2130/19.

Die Gründe:
Die Abmahnungen sind aus der Personalakte zu entfernen, da der Kläger nicht verpflichtet ist, das Zeiterfassungssystem Fingerprint zu nutzen.

Datenschutzrechtlich handelt es sich bei dem Minutiendatensatz um biometrische Daten nach Art. 9 Abs. 1 DSGVO und besondere Kategorien personenbezogener Daten im Sinne von § 26 Abs. 3 BDSG. Diesen Daten ist eigen, dass eine Verarbeitung die Privatsphäre des Mitarbeiters und damit das Recht auf informationelle Selbstbestimmung im besonderen Maße verletzen kann. Die Verarbeitung von biometrischen Daten - und somit auch von Minutiendatensätzen - ist daher nach Art. 9 Abs. 1 GSGVO grundsätzlich verboten. Allerdings enthält Art. 9 Abs. 2 GSGVO mehrere Erlaubnistatbestände, bei deren Vorliegen eine Verarbeitung (ausnahmsweise) doch zulässig ist. Arbeitsrechtlich relevant sind insbesondere die Erlaubnistatbestände "Erforderlichkeit", "Freiwillige Einwilligung" und "Kollektivvereinbarung".

Eine Einwilligung und eine Kollektivvereinbarung lagen hier nicht vor. Ohne diese darf der Arbeitgeber biometrische Merkmale eines Beschäftigten nach § 26 Abs. 3 BDSG nur dann verarbeiten, wenn dies für die Begründung, Durchführung oder Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses erforderlich ist. Die Erhebung und Verwendung von biometrischen Merkmalen muss im Rahmen der dreistufigen Prüfung folgende Voraussetzungen erfüllen:

1. Das biometrische Verfahren muss für die Zwecke des Beschäftigungsverhältnisses geeignet sein, das heißt, der jeweils auf das Beschäftigungsverhältnis bezogene Zweck muss tatsächlich gefördert werden können.

2. Es darf kein anderes, gleich wirksames, das Persönlichkeitsrecht weniger beeinträchtigendes Mittel existieren.

3. Als Ergebnis einer umfassenden Abwägung der schutzwürdigen Interessen und Grundrechte des Arbeitnehmers und des Arbeitgebers muss die Beeinträchtigung des Persönlichkeitsrechts des Beschäftigten durch das biometrische Verfahren in einem angemessenen Verhältnis zu dem angestrebten Zweck der Datenverwendung stehen

Dabei gilt folgende Regel: Je intensiver in das Persönlichkeitsrecht eingegriffen werden soll, desto gewichtiger muss der vom Arbeitgeber mit dem Verfahren verfolgte konkrete Zweck wiegen.

Vorliegend war die Verwendung biometrischer Daten im Rahmen der Arbeitszeiterfassung nicht als erforderlich anzusehen, da nichts dazu vorgetragen wurde, dass das bisherige Zeiterfassungssystem in erheblicher Weise missbraucht worden wäre. Angesichts des Eingriffs in Grundrechte der Mitarbeiter durch die Erfassung ihrer biometrischen Daten könnte nur ein nachgewiesener Missbrauch des Systems in nicht unerheblichem Umfang die Erforderlichkeit einer solchen Maßnahme begründen. Daher kann nicht festgestellt werden, dass vorliegend die Interessen des beklagten Arbeitgebers das schutzwürdige Interesse des Klägers an dem Ausschluss der Verarbeitung der biometrischen Daten überwiegen, weshalb die Abmahnungen aus der Personalakte des Klägers zu entfernen sind.
Rechtsprechungsdatenbank Berlin-Brandenburg
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