19.12.2023

Zur Höhe des Streit- und Gegenstandswertes bei mehreren Kündigungen

Werden mehrere Kündigungen ausgesprochen, ist im Hinblick auf die Kündigung mit dem frühesten Beendigungstermin regelmäßig ein Vierteljahreseinkommen in Ansatz zu bringen. Ändert sich aufgrund der weiteren Kündigungen der Beendigungszeitpunkt, ist für die diesbezüglichen Kündigungsschutzanträge ein Wert in Höhe der Entgeltdifferenz zu den verschiedenen Beendigungsterminen festzusetzen.

LAG München v. 9.11.2023, 3 Ta 170/23
Der Sachverhalt:
Die Beklagte hatte dem Kläger am 27.10.2021 außerordentlich fristlos, hilfsweise ordentlich zum nächstmöglichen Termin gekündigt. Nach Erhebung der Kündigungsschutzklage durch den Kläger kündigte die Beklagte am 25.1.2022 ein eventuell noch bestehendes Arbeitsverhältnis "vorsorglich, jedoch unbedingt" außerordentlich/fristlos nochmals, hilfsweise ordentlich zum nächstmöglichen Zeitpunkt.

In der Kammerverhandlung wies der Vorsitzende den Kläger unter Hinweis auf die BAG-Entscheidung vom 18.10.2018 - 2 AZR 381/18 - darauf hin, dass davon ausgegangen werde, die angekündigte Antragstellung in Bezug auf die Kündigung vom 25.1.2022 sei entsprechend dieser Rechtsprechung auszulegen. Der Kläger erklärte sich mit dieser Auslegung einverstanden. Das Arbeitsgericht stellte daraufhin fest, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien nicht durch die außerordentliche, fristlose Kündigung der Beklagten vom 27.10.2021 aufgelöst worden sei, löste es aber zum 27.10.2021 unter Verurteilung der Beklagten zur Zahlung einer Abfindung auf. Hinsichtlich des höheren Abfindungsbetrags, wies es den Antrag des Klägers zurück.

Das Arbeitsgericht führte aus, dass aufgrund des Auflösungsantrags die Anträge des Klägers, die auf die Feststellung der Unwirksamkeit der hilfsweisen ordentlichen Kündigung vom 27.10.2021 und der außerordentlichen fristlosen, hilfsweise ordentlichen Kündigung vom 25.1.2022 gerichtet gewesen seien, nicht zur Entscheidung angefallen seien. Im Berufungsverfahren vor dem LAG einigten sich die Parteien auf einen gerichtlichen Vergleich, nach dem das Arbeitsverhältnis der Parteien aufgrund ordentlicher Kündigung der Beklagten vom 27.10.2021 mit Ablauf des 31.01.2022 geendet hat.

Das LAG setzte den Wert des Streitgegenstandes für das Berufungsverfahren auf 21.060 € fest. Es seien für jede der beiden Kündigungen drei Bruttomonatsgehälter in Ansatz zu bringen, da die jeweiligen Beendigungstermine mehr als drei Monate auseinanderlägen. Auf Antrag der Beklagten hat das Arbeitsgericht den "Wert des Gegenstands der anwaltlichen Tätigkeit" auf 10.530 € festgesetzt. Das LAG hat die Beschwerde des Prozessbevollmächtigten der Beklagten gegen den Beschluss zurückgewiesen.

Die Gründe:
Der Wert für die Gerichtsgebühren (Streitwert), der gem. § 32 Abs. 1 RVG auch für die Gebühren des Beklagtenvertreters maßgebend ist, war gem. § 63 Abs. 2 GKG auf 10.530 € festzusetzen.

Werden mehrere Kündigungen ausgesprochen, ist im Hinblick auf die Kündigung mit dem frühesten Beendigungstermin regelmäßig ein Vierteljahreseinkommen in Ansatz zu bringen. Ändert sich aufgrund der weiteren Kündigungen der Beendigungszeitpunkt, ist für die diesbezüglichen Kündigungsschutzanträge ein Wert in Höhe der Entgeltdifferenz zu den verschiedenen Beendigungsterminen festzusetzen. Bei mehreren Kündigungsschutzanträgen ist für die Wertfestsetzung weiter zu ermitteln, ob und welche Kündigungsschutzanträge als Haupt- oder als unechte Hilfsanträge gestellt sind. Ein hilfsweise geltend gemachter Kündigungsschutzantrag ist nach § 45 Abs. 1 S. 2 GKG mit dem Hauptantrag nur zusammenzurechnen, soweit über ihn eine Entscheidung ergeht und prozessrechtlich ergehen durfte oder er durch Vergleich erledigt wird, § 45 Abs. 4 i.V.m. Abs. 1 S. 2 GKG.

In Anwendung dieser Grundsätze war die erste Kündigung die außerordentliche, hilfsweise ordentliche Kündigung vom 27.10.2021, die mit einem Vierteljahreseinkommen des Klägers i.H.v. 10.530 € zu bewerten war. Die zweite Kündigung war die außerordentliche, hilfsweise ordentliche Kündigung vom 25.1.2022, deren zwischen den Beendigungszeitpunkten 27.10.2021 und 25.1.2022 liegende Entgeltdifferenz eine weitere Vergütung für ein Vierteljahr i.H.v. 10.530 € ausmacht. Nach § 45 Abs. 1 S. 2 GKG waren die beiden Kündigungsschutzanträge jedoch nicht zusammen zu rechnen. Das Arbeitsgericht hatte den Kündigungsschutzantrag gegen die Kündigung vom 25.1.2022 nämlich als Hilfsantrag ausgelegt und über ihn ausweislich der Entscheidungsgründe des erstinstanzlichen Urteils nicht entschieden. Der aus § 45 Abs. 1 S. 2 GKG folgende Wert ist auch für die Gebühren des Rechtsanwalts maßgebend.

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