24.03.2015

Zuspätkommen wegen eines Sturms: Arbeitnehmer können einen Anspruch auf Arbeitszeitgutschrift haben

Sieht eine Betriebsvereinbarung (BV) vor, dass Zeiten des Arbeitsausfalls wegen Naturkatastrophen dem Gleitzeitkonto gutgeschrieben werden, so schließt dies das eigentlich vom Arbeitnehmer zu tragende Wegerisiko mit ein. Insoweit handelt es sich um eine für die Arbeitnehmer günstigere Regelung, die den allgemeinen Grundsätzen vorgeht. Arbeitnehmer, die wegen eines Sturms zu spät oder gar nicht zur Arbeit kommen, haben daher nach einer solchen BV einen Anspruch auf Gutschrift der ausgefallenen Arbeitszeit.

LAG Düsseldorf 23.3.2015, 9 TaBV 86/14
Der Sachverhalt:
Antragsteller im vorliegenden Verfahren war der in einem Düsseldorfer Versicherungsunternehmen gebildete Betriebsrat. Dieser hatte mit der Arbeitgeberin eine BV zur flexiblen Arbeitszeit geschlossen, die u.a. folgende Regelung enthielt:

"Unberührt der Regelung des § 616 BGB, des MTV für das private Versicherungsgewerbe und der BV "Arbeitsordnung und Sozialleistungen" werden die Zeiten folgender Arbeitsausfälle dem Gleitzeitkonto gutgeschrieben: (...) Naturkatastrophen (Nachweis nur bei lokalem Auftreten erforderlich)."

Im Juni 2014 kam es im Bereich Düsseldorf zu einem Unwetter mit orkanartigen Böen, welches dazu führte, dass zahlreiche Bäume auf die Straßen stürzten. Einige Mitarbeiter der Arbeitgeberin hatten deshalb Probleme, zur Arbeit zu kommen, und trafen verspätet oder gar nicht an ihrem Arbeitsplatz ein.

Der Betriebsrat sah hierin eine "Arbeitsausfall aufgrund einer Naturkatastrophe" i.S.d. BV und beantragte, die Arbeitgeberin zu verpflichten, den Mitarbeitern die Arbeitsausfälle infolge des Sturms auf dem Gleitzeitkonto gutzuschreiben. Die Arbeitgeberin meinte, dass eine Zeitgutschrift gemäß der BV nur zu erteilen sei, wenn wegen einer Naturkatastrophe in ihrem Betrieb nicht gearbeitet werden könne.

Das LAG gab dem Antrag des Betriebsrats statt und ließ gegen seine Entscheidung die Rechtsbeschwerde nicht zu.

Die Gründe:
Der Betriebsrat kann von der Arbeitgeberin die Durchführung der BV aus eigenem Recht verlangen.

Die Betriebsvereinbarung begründet abweichend von den allgemeinen Grundsätzen einen Anspruch auf Zeitgutschrift wegen eines Arbeitsausfalls bei Naturkatastrophen. Dieser Anspruch schließt das Wegerisiko mit ein. Dieses trägt grds. der Arbeitnehmer - und zwar auch bei Naturkatastrophen. Gelangt er deshalb nicht zur Arbeit, hat er daher grds. keinen Vergütungsanspruch. Die BV enthielt indes eine für die Arbeitnehmer günstigere Regelung und geht insoweit den allgemeinen Grundsätzen vor.

Der verwandte Begriff des Arbeitsausfalls ist weit zu verstehen und umfasst auch das Wegerisiko, zumal dieses auch in anderen Regelungen der BV angesprochen ist. Entgegen der Auffassung der Arbeitgeberin besteht der Anspruch auf Zeitgutschrift daher nicht nur für Fälle, in denen im Betrieb katastrophenbedingt nicht gearbeitet werden kann.

Im vorliegenden Verfahren war allerdings nur zu entscheiden, ob die Betriebsvereinbarung den Arbeitnehmern dem Grunde nach einen Anspruch auf Zeitgutschrift wegen Zuspätkommens infolge des Sturms gewährt. Ob und inwieweit im Einzelfall tatsächlich ein Anspruch besteht, müssen die betroffenen Arbeitnehmer jetzt individuell klären.

LAG Düsseldorf PM v. 23.3.2015
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