08.03.2019

Zutrittsverweigerung eines Gewerkschaftsbeauftragten zur Betriebsratssitzung nur in Ausnahmefällen

Der Arbeitgeber kann einem Gewerkschaftsbeauftragten den Zutritt zum Betrieb für den Fall verweigern, dass dieser wiederholt seine Befugnisse eindeutig überschreitet oder den Betriebsfrieden nachhaltig stört und dies erneut zu befürchten ist. Aufgrund der besonderen Bedeutung des durch Art. 9 Abs. 3 GG geschützten Rechts der Gewerkschaft kann ein Recht zur Verweigerung des Zutritts nur in besonderen Ausnahmefällen in Betracht kommen.

ArbG Gießen v. 5.10.2018 - 7 BV 15/17
Der Sachverhalt:
Die Beteiligten streiten um das Teilnahmerecht eines Gewerkschaftsbeauftragten an Betriebsratssitzungen sowie Betriebsversammlungen.

Auf Antrag der Mitglieder der Ver.di Liste, die mehr als ein Viertel der Mitglieder des Betriebsrats darstellen, hatte der betroffene Gewerkschaftsbeauftrage an den Betriebsratssitzungen teilgenommen. Während dieser Sitzungen kam es aus Sicht des Betriebsrats wiederholt zu Störungen im Ablauf durch den Beauftragten, da dieser etwa unwahre Behauptungen über Betriebsratsmitglieder geäußert oder vertrauliche Informationen des Betriebsrats verbreitet habe. Insbesondere hatte er an einer Betriebsratssitzung ungeladen teilgenpmmen, bis er erst nach mehrfachen Aufforderungen des Betriebsratsgremiums die Sitzung verließ.

Später forderte der Betriebsrat den Arbeitgeber auf, den Gewerkschaftsbeauftragten von zukünftigen Betriebsratssitzungen sowie Betriebsversammlungen auszuschließen und ihm Hausverbot zu erteilen. Die Gewerkschaft des Beauftragten beantragte daraufhin, dem Betriebsrat aufzugeben, dem Beauftragten wieder Zutritt zu den Sitzungen und Versammlungen zu gewähren. Das Arbeitsgericht gab dem Antrag statt.

Die Gründe:
Der Betriebsrat muss den Gewerkschaftsbeauftragten weiterhin an den Betriebsratssitzungen und Betriebsversammlungen teilnehmen lassen.

Der Arbeitgeber kann nur in besonderen Ausnahmefällen einem Gewerkschaftsbeauftragen aus Gründen, die in dessen Person liegen, den Zutritt zum Betrieb verweigern. Das ist der Fall, wenn dieser wiederholt seine Befugnisse eindeutig überschreitet, den Betriebsfrieden nachhaltig stört, den Unternehmer oder seinen Vertreter oder Arbeitnehmer des Betriebs grob beleidigt und dies erneut zu befürchten ist.

Aufgrund der besonderen Bedeutung des Zutrittsrechts des Gewerkschaftsbeauftragten und des von Art. 9 Abs. 3 GG geschützten Rechts der Gewerkschaft, die Person des Gewerkschaftsbeauftragten selbst auszuwählen, kann ein Recht zur Verweigerung des Zutritts ebenfalls nur in besonderen Ausnahmefällen in Betracht kommen. Solche ergeben sich vorliegend aus dem Vorbringen des Betriebsrats nicht. Insofern das Gericht dem Betriebsrat aufgegeben hat, im Einzelnen und unter Beweisantritt diejenigen Tatsachen zu nennen, aus denen sich ein solcher Ausnahefall begründen ließe, kam der Betriebsrat dem nicht nach.

Die Teilnahme des ungeladenen Beauftragten an der Betriebsratssitzung ist zwar nach herrschender Auffassung als Überschreitung seiner Befugnisse als Gewerkschaftsbeauftragter anzusehen. Jedenfalls ein eindeutiger Verstoß gegen seine Befugnisse ist darin jedoch nicht zu sehen, da in der Kommentarliteratur auch eine abweichende Auffassung vertreten wird. Eine wiederholte, eindeutige Überschreitung der Befugnisse oder eine nachhaltige Störung des Betriebsfriedens ist alledem nicht feststellbar.

Juris vom 5.10.2018
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