28.03.2023

Rechtsdienstleistungen einer Vermessungsingenieurin?

Erlaubt ist die Tätigkeit nach § 5 Abs. 1 Satz 1 RDG, wenn sie zum Berufs- oder Tätigkeitsbild desjenigen gehört, der die Rechtsdienstleistung erbringt, und wenn sie eine Nebenleistung zu einer Haupttätigkeit ist. Liegt der Schwerpunkt in der Ermittlung und Kennzeichnung der Grenzpunkte sowie der Widmung der Grenzzeichen, stellt die Aufforderung an den Nachbarn, die für die Setzung der Grenzsteine benötigten Stellen zu beräumen, eine bloße Vorbereitungshandlung für die gebotene dauerhafte und sichtbare Kennzeichnung der Grenzpunkte und somit eine Nebenleistung dar.

OLG Brandenburg v. 28.2.2023 - 6 U 57/21
Der Sachverhalt:
Der Kläger ist Rechtsanwalt. Er war in einem Nachbarrechtsstreit mandatiert. Die hiesige beklagte Vermessungsingenieurin war von der Gegenpartei mit der Abmarkung von Grenzpunkten der gemeinsamen Grenze beauftragt. In diesem Zusammenhang wandte sie sich mit einem Schreiben vom 9.9.2020 an den hiesigen Kläger. In dem Schreiben hieß es u.a.:

"Ungeachtet dessen, hält Frau B. [die Auftraggeberin der Beklagten] weiterhin an der Abmarkung ihrer Grundstücksecken fest. Dies ist zurzeit von der Grundstücksseite von Frau B. jedoch nicht möglich, da Herr M. [der Mandant des Klägers] ganz aktuell den Zaun an den Stellen, wo die Grenzsteine standen, von seiner Seite auf dem Grundstück von Frau B. massiv verstellt hat. Im Auftrag von Frau B. setze ich hiermit Ihrem Mandanten zur Beräumung eine Frist bis zum 21.9.2020. Ich schlage des Weiteren mehrere Vermessungstermine zum erneuten Setzen der beiden Grenzsteine vor:..."

Der Kläger mahnte die Beklagte daraufhin am 14.9.2020 wegen eines Verstoßes gegen §§ 3, 5 RDG durch Annahme eines Auftrages zur Geltendmachung einer Grundstücksräumung ab. Zugleich forderte er sie zur Abgabe einer Unterlassungs- und Verpflichtungserklärung sowie zum Ersatz seiner Kosten auf. Nach fruchtlosem Ablauf der hierfür gesetzten Frist hat er den Unterlassungs- und den Kostenersatzanspruch gerichtlich geltend gemacht.

Das LG hat der Klage antragsgemäß stattgegeben. Auf die Berufung der Beklagten hat das OLG die Entscheidung abgeändert und die Klage abgewiesen.

Die Gründe:
Dem Kläger steht der geltend gemachte Unterlassungsanspruch weder nach § 8 Abs. 1, § 3 Abs. 1, § 3a UWG i.V.m. § 3 RDG noch aus einem anderen Rechtsgrund zu.

Dabei konnte offenbleiben, ob es sich bei der im Streit stehenden Aufforderung des Mandanten des Klägers zur Beräumung des fraglichen Bereichs des Grundstücks der Auftraggeberin der Beklagten um eine Rechtsdienstleistung i.S.v. § 2 Abs. 1 RDG handelte. Denn die von der Beklagten mit dem Schreiben vom 9.9.2020 entfaltete Tätigkeit war jedenfalls nach § 5 Abs. 1 Sätze 1 und 2 RDG erlaubt. Danach sind Rechtsdienstleistungen im Zusammenhang mit einer anderen Tätigkeit erlaubt, wenn sie als Nebenleistung zum Berufs- oder Tätigkeitsbild gehören. Ob eine Nebenleistung vorliegt, ist nach ihrem Inhalt, Umfang und sachlichen Zusammenhang mit der Haupttätigkeit unter Berücksichtigung der Rechtskenntnisse zu beurteilen, die für die Haupttätigkeit erforderlich sind (§ 5 Abs. 1 Satz 2 RDG).

§ 5 Abs. 1 RDG setzt mithin voraus, dass die fragliche Rechtsdienstleistung nicht selbst wesentlicher Teil der Haupttätigkeit ist, sondern der Schwerpunkt der Tätigkeit - soweit es sich nicht um Dienstleistungen von Angehörigen steuerberatender Berufe oder nach § 10 RDG registrierter Personen handelt - auf nichtrechtlichem Gebiet liegt. Die hier vom Kläger angegriffene Tätigkeit der Beklagten, für ihre Auftraggeberin seinen Mandanten unter Fristsetzung zur Beräumung eines Grundstücksteils aufzufordern, stand im Zusammenhang mit einer konkreten anderen Tätigkeit der Beklagten.

Bei der Tätigkeit der Beklagten handelte es sich nach Inhalt und Umfang um eine Nebenleistung zu der beauftragten Abmarkung. Der Schwerpunkt des der Beklagten erteilten Auftrages bestand in der Ermittlung und Kennzeichnung der Grenzpunkte sowie der Widmung der Grenzzeichen. Die hier in Rede stehende Aufforderung an den Mandanten des Klägers, die für die Setzung der Grenzsteine benötigten Stellen zu beräumen, stellte sich demgegenüber als bloße Vorbereitungshandlung für die gebotene dauerhafte und sichtbare Kennzeichnung der Grenzpunkte dar. Zu berücksichtigen ist zudem, dass sich diese Tätigkeit der Beklagten darin erschöpfte, ihre Auftraggeberin bei der Geltendmachung des Anspruchs nach § 919 Abs. 1 BGB durch außergerichtliche Aufforderung des Mandanten des Klägers zur Beseitigung der von ihm in den fraglichen Grundstücksbereich verbrachten Sachen zu unterstützen. Dafür, dass die Beklagte darüber hinausgehende Leistungen zur Durchsetzung dieses Anspruchs erbracht oder zugesagt hat, war nichts ersichtlich.

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Rechtsprechung
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