10.12.2013

Zur vorläufigen Amtsenthebung eines bisher disziplinarrechtlich nicht in Erscheinung getretenen Notars

Die vorläufige Amtsenthebung kann bei einem bisher disziplinarrechtlich nicht in Erscheinung getretenen Notar geboten sein, wenn dieser durch Verabredung "gestalterischer Vorkehrungen" für die Durchführung künftig beabsichtigter Beurkundungen von Kettenkaufverträgen die gem. § 14 Abs. 2 BNotO verbotene Amtsausübung verschleiert. Es ist nicht vorstellbar, dass ein in Grundstücksgeschäften erfahrener Notar angesichts der erheblichen Differenzen zwischen Ankaufs- und Verkaufspreisen der jeweiligen Kaufverträge, geglaubt haben könnte, bei den von ihm beurkundeten Verträgen gehe alles mit rechten Dingen zu.

BGH 8.11.2013, NotSt(B) 1/13
Der Sachverhalt:
Der Beschwerdeführer ist seit 1989 Notar. Die Staatsanwaltschaft hatte im Februar 2011 Anklage gegen ihn und weitere Angeschuldigte erhoben. Dieser lag der Vorwurf zugrunde, dass der Beschwerdeführer in zwei Fällen notarielle Beurkundungen vorgenommen und dadurch Eigentumsübertragungen als Voraussetzung für Darlehensgewährungen durch eine kreditgebende Bank ermöglicht habe, obwohl ihm bekannt gewesen sei, dass die Immobilien überfinanziert waren.

Bereits im April 2009 wurde der Beschwerdeführer von der Staatsanwaltschaft darauf hingewiesen, dass die Beurkundung von Kettenkaufverträgen mit erheblichen Differenzen zwischen dem An- und Verkaufspreis auch für den Notar strafrechtlich relevant sein könne. Außerdem erging ein Rundschreiben der Notarkammer, dass die Mitwirkung eines Notars an Kettenkaufverträgen mit unerklärlichen Preissteigerungen strafrechtlich relevant sei und den Verlust des Notaramtes nach sich ziehen könne. Infolgedessen wies der Beschwerdeführer einen Immobilienverkäufer darauf hin, dass die unmittelbare erhebliche Wertsteigerung einer gewissen Begründung bedürfe oder aber die Verträge nicht unmittelbar nacheinander abgewickelt werden sollten. Außerdem beurkundete er weiterhin derartige Kaufverträge.

Der Beschwerdeführer ist nicht vorbestraft und war bislang disziplinarisch rechtskräftig nicht belangt worden. Der Präsident des zuständigen LG leitete im April 2011 ein Disziplinarverfahren gegen den Beschwerdeführer ein und setzte dieses bis zur Beendigung des Strafverfahrens aus. Von einer vorläufigen Amtsenthebung wurde vorerst abgesehen. Im Februar 2012 verurteilte das LG den Beschwerdeführer wegen Beihilfe zum Betrug in zwei Fällen zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr und drei Monaten auf Bewährung. Daraufhin wurde er auch vorläufig des Notaramtes enthoben.

Der BGH hob das Urteil des LG auf und wies die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung an eine andere Strafkammer zurück. Das OLG wies den Antrag des Beschwerdeführers auf Aussetzung der vorläufigen Amtsenthebungsverfügung zurück. Die hiergegen gerichtete Beschwerde des Notars blieb vor dem BGH erfolglos.

Gründe:
Das OLG hatte den vom Beschwerdeführer gestellten Antrag mit Recht zurückgewiesen.

Nach § 96 Abs. 1 S. 1 BNotO, § 38 Abs. 1 S. 1 Alt. 1 BDG kann die für die Erhebung der Disziplinarklage zuständige Behörde einen Notar gleichzeitig mit oder nach der Einleitung des Disziplinarverfahrens vorläufig seines Amtes entheben, wenn im Disziplinarverfahren voraussichtlich auf Entfernung aus dem Amt des Notars erkannt werden wird. Die vorläufige Amtsenthebung setzt weiterhin voraus, dass die Maßnahme zur Abwehr konkreter Gefahren für wichtige Gemeinschaftsgüter geboten ist und dass sie dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit entspricht. Diese Voraussetzungen waren bei der Anordnung der Maßnahme gegeben und liegen auch weiterhin vor.

Der Senat sah in dem Verhalten des Beschwerdeführers eine Verabredung "gestalterischer Vorkehrungen" für die Durchführung künftig beabsichtigter gleichgelagerter Beurkundungsvorgänge und teilte die Beurteilung des OLG, dass die im Hinblick auf die Wahrnehmung der Dienstpflichten und des Verhaltens des Beschwerdeführers zutage getretene Nachlässigkeit die Besorgnis begründet ist, dass auch künftig Urkundsbeteiligte durch eine entsprechende Sachbehandlung geschädigt werden könnten und das Vertrauen der Bevölkerung in die Unabhängigkeit und Unparteilichkeit des Notars sowie die Funktionsfähigkeit der vorsorgenden Rechtspflege bei der Belassung im Amt nachhaltig beeinträchtigt werden würden. Es ist schlichtweg nicht vorstellbar, dass ein in Grundstücksgeschäften erfahrener Notar angesichts der erheblichen Differenzen zwischen Ankaufs- und Verkaufspreisen der jeweiligen Kaufverträge, für die es keinerlei nachvollziehbare Erklärungen gibt, geglaubt haben könnte, bei den von ihm beurkundeten Verträgen gehe alles mit rechten Dingen zu.

Vergeblich berief sich der Beschwerdeführer auf die Aufhebung des LG-Urteils durch den BGH als ihm günstig. Denn nach den der Anklage zugrundeliegenden nicht streitigen objektiven Sachverhalten hatte der Beschwerdeführer vorsätzlich an schädigenden Handlungen zu Lasten der kreditgebenden Bank bei Immobiliengeschäften mitgewirkt. Der - unwiederbringliche - Vertrauensverlust war schon allein durch die unzulässigen Beurkundungen eingetreten. Angesichts der bisherigen Dauer war mit Rücksicht auf das Strafverfahren die vorläufige Maßnahme auch nicht unverhältnismäßig. Nachdem die Strafsache an eine andere Strafkammer des LG zurückverwiesen wurde, ist vielmehr damit zu rechnen, dass das Strafverfahren in absehbarer Zeit abgeschlossen werden wird. Mit der Entscheidung über die endgültige Entfernung des Beschwerdeführers aus seinem Amt kann sodann alsbald gerechnet werden.

Linkhinweis:

  • Der Volltext der Entscheidung ist auf der Homepage des BGH veröffentlicht.
  • Um direkt zum Volltext zu kommen, klicken Sie bitte hier.
BGH online
Zurück