17.10.2011

1-Prozent-Regelung verfassungsgemäß: Keine Anpassungsverpflichtung des Gesetzgebers

Die Vorschriften zur Ermittlung des geldwerten Vorteils für die private Nutzung eines vom Arbeitgeber zur Verfügung gestellten Kfz (§ 8 Abs. 2 S. i.V.m. § 6 Abs. 1 Nr. 4 S. 2 EStG) sind verfassungsgemäß. Der Gesetzgeber ist nicht verpflichtet, die typisierende 1-Prozent-Regelung nach Abschaffung des Rabattgesetzes und der Zugabeverordnung sowie unter Berücksichtigung der allgemeinen Marktentwicklungen im Kfz-Handel zu überprüfen und an die veränderten Marktverhältnisse anzupassen.

Niedersächsisches FG 14.9.2011, 9 K 394/10
Der Sachverhalt:
Der Kläger war im Streitjahr 2009 als Geschäftsführer für eine GmbH tätig. Sein Arbeitgeber stellte ihm ein geleastes Gebrauchtfahrzeug (Neuwagenlistenpreis: 81.400 €; Gebrauchtwagenwert: 31.990 €) als Dienstwagen zur Verfügung. Bei Berechnung des geldwerten Vorteils für die Privatnutzung ging das Finanzamt unter Anwendung der 1-Prozent-Regelung vom Bruttoneuwagenlistenpreis aus und errechnete einen mtl. zu versteuernden Vorteil von 814 €.

Der Kläger vertrat in dem vom Bund der Steuerzahler unterstützten Verfahren die Auffassung, die sog. 1-Prozent-Regelung sei verfassungswidrig. Sie genüge insbes. den für typisierende Regelungen geltenden Anforderungen wegen der fortdauernden Bezugnahme auf den Bruttoneuwagenlistenpreis nicht mehr. Der Gesetzgeber sei spätestens im Streitjahr 2009 verpflichtet gewesen, die Bemessungsgrundlage nach Abschaffung des Rabattgesetzes und der Zugabeverordnung unter Berücksichtigung der allgemeinen Marktentwicklung im Kfz-Handel anzupassen und übliche Rabattabschläge (im Durchschnitt 20 Prozent) zu berücksichtigen.

Der Kläger verweist hierzu auf ein BFH-Urteil vom 17.9.2009 (VI R 18/07), in dem der BFH die unverbindliche Preisempfehlung eines Automobilherstellers aus den vorgenannten Gründen jedenfalls seit dem Jahr 2003 nicht mehr als geeignete Grundlage für die Bewertung des lohnsteuerrechtlich erheblichen Vorteils eines Personalrabatts für sog. Jahreswagen angesehen hat. Der verfassungsrechtlich bestehende Anpassungszwang könne nicht durch Verweis auf die Fahrtenbuchmethode (sog. Escape-Klausel) unterlaufen werden.

Das FG wies die Klage ab. Die Revision zum BFH wurde zugelassen.

Die Gründe:
Das Finanzamt hat zu Recht den geldwerten Vorteil für die private Nutzung des betrieblichen Kfz auf der Basis des inländischen Bruttolistenneupreises von 81.400 € berechnet (§ 8 Abs. 2 S. 2 EStG i.V.m. § 6 Abs. 1 Nr. 4 S. 2 EStG) und diesen geldwerten Vorteil als Arbeitslohn bei den Einkünften des Klägers aus nichtselbständiger Arbeit (§ 19 Abs. 1 EStG) erfasst.

Die Regelungen zur Ermittlung des geldwerten Vorteils für die private Nutzung eines vom Arbeitgeber zur Verfügung gestellten Kfz sind nicht verfassungswidrig. Insbes. hat der Gesetzgeber nicht gegen Art. 3 Abs. 1 GG verstoßen, indem er unverändert seit 1996 an dem Bruttoneuwagenlistenpreis als Bemessungsgrundlage festgehalten hat.

Zwar steht das Recht auf Typisierung unter dem Vorbehalt der realitätsgerechten Erfassung der Wirklichkeit. Ein Gleichheitsverstoß wegen Verletzung der Anpassungsverpflichtung liegt im Streitfall gleichwohl nicht vor. Der Gesetzgeber ist nicht gehalten, im Kfz-Handel gewährte übliche Rabatte - von 10 Prozent bis zu über 30 Prozent -, die zudem vom Hersteller, Modell und vielen Sonderfaktoren (Verkäuflichkeit, Auslauf- oder Sondermodell) abhängig sind, bei der Bestimmung der Bemessungsgrundlage zu berücksichtigen.

Linkhinweis:

Für den auf den Webseiten des Niedersächsischen FG veröffentlichten Volltext der Entscheidung klicken Sie bitte hier.

Niedersächsisches FG PM vom 14.10.2011
Zurück