28.05.2014

§ 74 AO: Keine Aufrechnung mit der Haftungsschuld des Eigentümers von Gegenständen gegen dessen Steuervergütungsansprüche

Eine Verrechnung der Haftungsschuld des an einem Unternehmen wesentlich beteiligten Eigentümers von Gegenständen mit einem diesem zustehenden Steuerguthaben ist unwirksam. Es wäre verfehlt, würde man dem Finanzamt - statt es auf den Weg einer Vollstreckung in die für die Befriedigung der Haftungsforderung vom Gesetz vorgesehenen Gegenstände zu verweisen - eine Aufrechnung mit irgendwelchen Forderungen des an dem Unternehmen beteiligten Dritten gestatten.

BFH 28.1.2014, VII R 34/12
Der Sachverhalt:
Das Finanzamt nahm die Klägerin nach § 74 AO für die Umsatzsteuerrückstände 2007 bis 2010 einer in Insolvenz geratenen GmbH auf Haftung in Anspruch, weil die Klägerin der GmbH Grund und Boden sowie Gebäude überlassen habe und an der GmbH als deren alleinige Gesellschafterin wesentlich beteiligt sei. Die Umsatzsteuer sei während des Bestehens dieser Beteiligung entstanden.

Der Klägerin stehen aufgrund von Umsatzsteuerfestsetzungen 2007 bis 2010 von März 2011 gegenüber dem Finanzamt Guthaben zu. Das Finanzamt ist der Auffassung, dieses Guthaben der Klägerin sei durch Aufrechnung mit ihren Haftungsschulden erloschen. Es erließ darüber im Juni 2011 den angefochtenen Abrechnungsbescheid.

Das FG gab der hiergegen gerichteten Klage statt. Die Revision des Finanzamts hatte vor dem BFH keinen Erfolg.

Die Gründe:
Das FG hat im Ergebnis zu Recht entschieden, die vom Finanzamt erklärte Aufrechnung gegen die Umsatzsteuerguthaben der Klägerin mit deren nach § 74 AO festgesetzter Haftungsschuld sei unwirksam.

Voraussetzung einer wirksamen Aufrechnung ist gem. § 226 Abs. 1 AO i.V.m. § 387 BGB, dass die aufgerechneten Forderungen ihrem Gegenstand nach gleichartig sind. Das ist hier der Fall, da die Haftungsforderung des Finanzamts - genau wie das auf Zahlung von Geld gerichtete Umsatzsteuerguthaben der Klägerin - auf einen Geldbetrag lautet und von der Klägerin durch die Zahlung eines entsprechenden Geldbetrags befriedigt werden könnte. Allerdings kann die Haftungsforderung im Fall ausbleibender Zahlung des Haftungsschuldners nicht in dessen gesamtes Vermögen vollstreckt werden, sondern nur durch Vollstreckung in die Gegenstände, derentwegen der Haftungsschuldner in Anspruch genommen worden ist, sowie in von ihm an deren Stelle erlangte Surrogate.

Daraus lässt sich zwar nicht unmittelbar etwas gegen die Wirksamkeit der vom Finanzamt erklärten Aufrechnung herleiten. Allerdings erschöpft sich der Sinngehalt des § 74 AO nicht darin, eine Vollstreckung in das von der Überlassung von Vermögensgegenständen des Haftungsschuldners an den Steuerschuldner nicht betroffene Vermögen zu verhindern. Die Vorschrift will bewirken, dass das Finanzamt hinsichtlich der Befriedigungsmöglichkeiten für seine Steuerforderungen so steht, wie wenn die dem Unternehmen von dem Haftungsschuldner lediglich zur Nutzung überlassenen Gegenstände zu dem Vermögen des Unternehmens gehörten. Es soll dem an einem Unternehmen wesentlich beteiligten Dritten verwehrt sein, dem Finanzamt Vollstreckungssubstanz vorzuenthalten, obwohl das Unternehmen unter Nutzung der betreffenden Gegenstände betrieben wird und daher die durch diesen Betrieb entstehenden Steuerforderungen gerade auf der Nutzung der überlassenen Gegenstände (zumindest mit-)beruhen.

Über dieses Ziel schösse es aber hinaus, wenn man dem Finanzamt - statt es auf den Weg einer Vollstreckung in die für die Befriedigung der Haftungsforderung vom Gesetz vorgesehenen Gegenstände zu verweisen - eine Aufrechnung mit irgendwelchen Forderungen des an dem Unternehmen beteiligten Dritten gestattete; denn diese stünden dem Finanzamt zur Befriedigung wegen Steuerschulden des Unternehmens auch dann nicht zur Verfügung, wenn jene von dem Dritten überlassenen Gegenstände Eigentum des Unternehmens und damit Vollstreckungssubstanz wären. Ob eine Aufrechnung gegen solche Forderungen des Haftungsschuldners auch dann unzulässig wäre, wenn die Haftungsforderung ohnehin nur noch durch Zugriff auf Forderungen des Haftungsschuldners vollstreckt werden kann, weil an die Stelle der dem Unternehmen ehemals überlassenen Gegenstände inzwischen ein entsprechendes Surrogat getreten ist, bedurfte vorliegend keiner Entscheidung.

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