24.08.2011

Abgrenzungskriterien zur Einordnung von Imbissgerichten als Essenslieferung oder Restaurationsleistung

Die Abgabe von Bratwürsten, Pommes frites und ähnlichen standardisiert zubereiteten Speisen an einem nur mit behelfsmäßigen Verzehrvorrichtungen ausgestatteten Imbissstand ist eine einheitliche Leistung, die als Lieferung dem ermäßigten Steuersatz unterliegt. Erfolgt die Abgabe hingegen an einem Tisch mit Sitzgelegenheiten, führt dies zu einem dem Regelsteuersatz unterliegenden Restaurationsumsatz.

BFH 30.6.2011, V R 18/10 u.a.
Der Sachverhalt:

+++ V R 35/08 +++
Im ersten Fall verkaufte der Kläger auf Wochenmärkten in Imbisswagen Würstchen mit Pommes frites und Getränke. Die Imbisswagen verfügten über eine Verkaufstheke mit Spritzschutz aus Glas und ein darunter angebrachtes umlaufendes "Brett", das zum Verzehr der Speisen an Ort und Stelle genutzt werden konnte. Seitlich befand sich als Fortsetzung der umlaufenden "Verzehrtheke" über der Deichsel eine herausklappbare "Zunge". Der Bereich, in dem sich Kunden zum Verzehr aufhalten können, war durch ein herausklappbares Dach vor Regen geschützt.

Das Finanzamt war der Ansicht, die Umsätze aus dem Verkauf der Speisen unterlägen nicht dem ermäßigten Steuersatz. Es setzte die Umsatzsteuer dementsprechend fest. Das FG gab der hiergegen gerichteten Klage statt.

+++ V R 18/10 +++
Im zweiten Fall verkaufte der Kläger an einem vor seiner Fleischerei aufgebauten Imbissstand Bratwürste und Pommes Frites sowie täglich wechselnde Mittagsgerichte. Der Stand hatte eine Größe von ca. 3,5 m x 3,8 m und war mit einem über die Außenwände hinausragenden Dach versehen. Umlaufend war in einer Höhe von ca. 1,10 m ein ca. 0,5 m breites Brett angebracht, auf dem Ketchup und Senfbehälter aufgestellt waren. Der Verkauf war nach allen vier Seiten möglich. Die jeweils nicht zum Verkauf genutzten Seiten waren durch herabgelassene Fensterläden geschlossen. Unmittelbar vor dem Stand befand sich eine fest installierte, allgemein zugängliche städtische Sitzbank. Später stellte der Kläger eine aus zwei Bänken und einem Tisch bestehende "Bierzeltgarnitur" vor seinem Stand auf.

Auch hier war das Finanzamt der Ansicht, die Umsätze aus dem Verkauf der Speisen unterlägen nicht dem ermäßigten Steuersatz. Das FG wies die Klage allerdings ab.

Auf die Revisionen in beiden Fällen hatte der BFH die Verfahren ausgesetzt und dem EuGH zur Vorabentscheidung vorgelegt. Der EuGH entschied in seinem Urteil vom 10.3.2011 (C-497/09, C-499/09, C-501/09, C-502/09), dass die Abgabe frisch zubereiteter Speisen oder Nahrungsmittel zum sofortigen Verzehr an Imbissständen oder -wagen oder in Kino-Foyers eine Lieferung von Gegenständen i.S.d. Art. 5 der Sechsten Richtlinie 77/388/EWG ist, wenn eine qualitative Prüfung des gesamten Umsatzes ergibt, dass die Dienstleistungselemente, die der Lieferung der Nahrungsmittel voraus- und mit ihr einhergehen, nicht überwiegen.

Bei Lieferung von Gegenständen ist der Begriff "Nahrungsmittel" in Anhang H Kategorie 1 der durch die Richtlinie 92/111 geänderten Sechsten Richtlinie 77/388 dahin auszulegen, dass er auch Speisen oder Mahlzeiten umfasst, die durch Kochen, Braten, Backen oder auf sonstige Weise zum sofortigen Verzehr zubereitet wurden.

Infolgedessen gab der BFH in beiden Fällen den im Wesentlichen Klägern Recht.

Die Gründe:
Eine dem ermäßigten Steuersatz unterliegende Essenslieferung liegt vor, wenn nur einfach zubereitete Speisen (wie etwa Bratwürste oder Pommes Frites oder ähnlich standardisiert zubereitete Speisen) abgegeben werden und dem Kunden lediglich behelfsmäßige Verzehrvorrichtungen (wie z.B. Theken oder Ablagebretter bei Imbissständen) zur Verfügung zur Einnahme der Speisen stehen und die Speisen nur im Stehen eingenommen werden können.

Zu einem dem Regelsteuersatz unterliegenden Restaurationsumsatz führt die Abgabe von Standardspeisen dagegen, sobald der leistende Unternehmer seinen Kunden zusätzliches Mobiliar wie Tisch(e) mit Sitzgelegenheiten zur Verfügung stellt. Im Unterschied zur früheren BFH-Rechtsprechung sind dabei jedoch Verzehrvorrichtungen Dritter - wie z.B. Tische und Bänke eines Standnachbarn - nicht zu berücksichtigen, auch wenn diese im Interesse des leistenden Unternehmers zur Verfügung gestellt wurden.

Infolgedessen stellte der Kläger im zweiten Fall im Unterschied zur lediglich "behelfsmäßigen Infrastruktur" von Imbissständen seinen Kunden zusätzlich "Mobiliar" (Tisch mit Sitzgelegenheit) zur Verfügung, das ausschließlich dazu bestimmt war, den Verzehr der Speisen zu erleichtern. Unter Berücksichtigung des Umstands, dass der Auf- und Abbau sowie die Reinigung der Bierzeltgarnitur einen "gewissen personellen Einsatz" erfordern, wurde hier die Schwelle zum Restaurationsumsatz überschritten.

Die neuen Abgrenzungskriterien sollen dazu beitragen, eine wesentliche Vereinfachung der steuerrechtlichen Beurteilung zu schaffen und die in der Vergangenheit häufig aufgeworfenen Zweifelsfragen hinsichtlich der Bedeutung und Größe von Verzehrtheken zu beenden.

Linkhinweis:

  • Die Volltexte der Entscheidungen sind auf der Homepage des BFH veröffentlicht.
  • Um direkt zum Volltext der Sache Az.: V R 18/10 zu gelangen, klicken Sie bitte hier.
  • Um direkt zum Volltext der Sache Az.: V R 35/08 zu gelangen, klicken Sie bitte hier.
BFH PM Nr. 67 vom 24.8.2011
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