Aktivierung von Provisionsansprüchen bei Versicherungsvertretern
Kurzbesprechung
BFH v. 30.4.2025 - X R 12-13/22
EStG § 5 Abs. 1 Satz 1
HGB § 87a Abs. 1, § 92 Abs. 4, § 252 Abs. 1 Nr. 4
AO § 162 Abs. 1, § 162 Abs. 2
Gem. § 252 Abs. 1 Nr. 4 Halbsatz 2 HGB sind Gewinne bei einem bilanzierenden Unternehmer nur zu berücksichtigen, wenn sie am Abschlussstichtag realisiert sind. Diese Voraussetzung ist erfüllt, wenn eine Forderung entweder rechtlich bereits entstanden ist oder die für die Entstehung wesentlichen wirtschaftlichen Ursachen im abgelaufenen Geschäftsjahr gesetzt worden sind und der Kaufmann mit der künftigen Entstehung der Forderung fest rechnen kann.
Nicht erforderlich ist, dass die Forderung am Bilanzstichtag fällig ist Demgegenüber dürfen aufschiebend bedingte Ansprüche nicht aktiviert werden.
Ein Handelsvertreter im Allgemeinen hat gem. § 87a Abs. 1 Satz 1 HGB Anspruch auf Provision, sobald und soweit der Unternehmer das Geschäft ausgeführt hat. Vertragliche Abweichungen von diesem Grundsatz sind nur in den durch § 87a Abs. 1 Satz 2 und 3 HGB abgesteckten Grenzen zulässig.
Demgegenüber enthält § 92 Abs. 4 HGB für den Provisionsanspruch von Versicherungsvertretern als einer besonderen Gruppe von Handelsvertretern ein anderes Regelungssystem. Nach dieser Vorschrift hat der Versicherungsvertreter Anspruch auf Provision i.S.d. § 87a Abs. 1 HGB, sobald der Versicherungsnehmer die Prämie gezahlt hat, aus der sich die Provision nach dem Vertragsverhältnis berechnet. Die Vertragsparteien (der Versicherer und der Versicherungsvertreter) haben es daher in der Hand, durch Anknüpfung an die - sich ggf. über einen gewissen Zeitraum erstreckenden - Prämienzahlungen auch den Zeitpunkt des rechtlichen Entstehens des Provisionsanspruchs hinauszuschieben. Das gilt auch, wenn die Bemessungsgrundlage der Provision nicht die Prämie, sondern die Versicherungssumme ist. Wenn die Provision beispielsweise mit vollständiger Zahlung der ersten Jahresprämie geschuldet ist und die Versicherungsprämien monatlich zu zahlen sind, hat der Versicherungsvertreter erst nach Zahlung der letzten Monatsrate für das erste Versicherungsjahr einen Anspruch auf die (volle) Provision.
§ 92 Abs. 4 HGB regelt das Entstehen des Provisionsanspruchs. In Bezug auf die im Streitfall nicht maßgebende Fälligkeit ordnet der - mangels einer Spezialregelung auch für Versicherungsvertreter anwendbare - § 87a Abs. 4 HGB an, dass der Provisionsanspruch am letzten Tag des Monats fällig wird, in dem nach § 87c Abs. 1 HGB über ihn abzurechnen ist.
Die BFH-Rechtsprechung knüpft an diese zivilrechtliche Differenzierung an, wobei stets die Vertragsgestaltung im konkreten Einzelfall maßgeblich ist Wenn sich aus der maßgebenden Provisionsregelung - die ggf. die Sonderregelung des § 92 Abs. 4 HGB umsetzt - ergibt, dass ein Provisionsanspruch für ein vermitteltes Geschäft noch nicht entstanden ist, handelt es sich bei den etwaigen gleichwohl vom Auftraggeber vorgenommenen Auszahlungen lediglich um Provisionsvorschüsse, die nach § 266 Abs. 3 Abschn. C.3 HGB als erhaltene Anzahlungen zu passivieren sind, also noch keine gewinnrealisierende Wirkung haben.
Ebenso ist es möglich, zivilrechtlich zu vereinbaren, dass Provisionsansprüche von Versicherungsvertretern ratierlich entsprechend den einzelnen Prämienzahlungen entstehen. Auch dann ist im Umfang der rechtlich noch nicht entstandenen Provisionsansprüche zunächst kein Gewinn realisiert. Die Aktivierung einer Forderung kommt in dieser Konstellation nicht in Betracht. Mangels Gewinnrealisation darf in einem solchen Fall umgekehrt aber auch keine Rückstellung für Stornorisiken gebildet werden.
Ist eine Provision bereits verdient und ertragsteuerrechtlich realisiert, muss das Risiko ihres späteren Verlusts je nach den Umständen über die Bewertung der Forderung erfasst werden oder es ist eine Rückstellung zu bilden; dabei handelt es sich um eine Rückstellung für ungewisse Verbindlichkeiten.
Das FG hatte sich in seiner Entscheidung mit den vorstehend geschilderten Rechtsgrundsätzen nicht befasst und auch keine ausreichenden tatsächlichen Feststellungen getroffen, die dem BFH eine eigene Entscheidung ermöglicht hätten. Daher verwies der BFH den Streitfall zur erneuten Entscheidung an die Vorinstanz zurück.
Zusätzlich wies der BFH auf zahlreiche Fehler und Ungereimtheiten in der Entscheidung der Vorinstanz hin. So können Gegenstand einer Schätzung nach § 162 Abs. 1, 2 AO nur quantitative Größen sein, nicht aber qualitative Besteuerungsmerkmale wie ganze Sachverhalte oder Tatsachenfragen. Wenn das FG meint, es habe nicht ermitteln können, wie der Steuerpflichtige die vom FA vorgenommene Nachaktivierung bilanziell nachvollzogen habe, dann muss es zunächst erwägen, ob seiner Überzeugungsbildung ein abgesenktes Beweismaß zugrunde zu legen ist, und als ultima ratio nach den Grundsätzen über die Feststellungslast entscheiden.
Vor allem aber kritisierte der BFH, dass im FG-Urteil in Bezug auf die bilanzielle Behandlung der Nachaktivierung mehrere Varianten angeführt werden, die miteinander denklogisch unvereinbar sind und auch zu unterschiedlichen Ergebnissen führen können. Das Urteil leidet daher insoweit an innerer Widersprüchlichkeit.
Verlag Dr. Otto Schmidt
EStG § 5 Abs. 1 Satz 1
HGB § 87a Abs. 1, § 92 Abs. 4, § 252 Abs. 1 Nr. 4
AO § 162 Abs. 1, § 162 Abs. 2
Gem. § 252 Abs. 1 Nr. 4 Halbsatz 2 HGB sind Gewinne bei einem bilanzierenden Unternehmer nur zu berücksichtigen, wenn sie am Abschlussstichtag realisiert sind. Diese Voraussetzung ist erfüllt, wenn eine Forderung entweder rechtlich bereits entstanden ist oder die für die Entstehung wesentlichen wirtschaftlichen Ursachen im abgelaufenen Geschäftsjahr gesetzt worden sind und der Kaufmann mit der künftigen Entstehung der Forderung fest rechnen kann.
Nicht erforderlich ist, dass die Forderung am Bilanzstichtag fällig ist Demgegenüber dürfen aufschiebend bedingte Ansprüche nicht aktiviert werden.
Ein Handelsvertreter im Allgemeinen hat gem. § 87a Abs. 1 Satz 1 HGB Anspruch auf Provision, sobald und soweit der Unternehmer das Geschäft ausgeführt hat. Vertragliche Abweichungen von diesem Grundsatz sind nur in den durch § 87a Abs. 1 Satz 2 und 3 HGB abgesteckten Grenzen zulässig.
Demgegenüber enthält § 92 Abs. 4 HGB für den Provisionsanspruch von Versicherungsvertretern als einer besonderen Gruppe von Handelsvertretern ein anderes Regelungssystem. Nach dieser Vorschrift hat der Versicherungsvertreter Anspruch auf Provision i.S.d. § 87a Abs. 1 HGB, sobald der Versicherungsnehmer die Prämie gezahlt hat, aus der sich die Provision nach dem Vertragsverhältnis berechnet. Die Vertragsparteien (der Versicherer und der Versicherungsvertreter) haben es daher in der Hand, durch Anknüpfung an die - sich ggf. über einen gewissen Zeitraum erstreckenden - Prämienzahlungen auch den Zeitpunkt des rechtlichen Entstehens des Provisionsanspruchs hinauszuschieben. Das gilt auch, wenn die Bemessungsgrundlage der Provision nicht die Prämie, sondern die Versicherungssumme ist. Wenn die Provision beispielsweise mit vollständiger Zahlung der ersten Jahresprämie geschuldet ist und die Versicherungsprämien monatlich zu zahlen sind, hat der Versicherungsvertreter erst nach Zahlung der letzten Monatsrate für das erste Versicherungsjahr einen Anspruch auf die (volle) Provision.
§ 92 Abs. 4 HGB regelt das Entstehen des Provisionsanspruchs. In Bezug auf die im Streitfall nicht maßgebende Fälligkeit ordnet der - mangels einer Spezialregelung auch für Versicherungsvertreter anwendbare - § 87a Abs. 4 HGB an, dass der Provisionsanspruch am letzten Tag des Monats fällig wird, in dem nach § 87c Abs. 1 HGB über ihn abzurechnen ist.
Die BFH-Rechtsprechung knüpft an diese zivilrechtliche Differenzierung an, wobei stets die Vertragsgestaltung im konkreten Einzelfall maßgeblich ist Wenn sich aus der maßgebenden Provisionsregelung - die ggf. die Sonderregelung des § 92 Abs. 4 HGB umsetzt - ergibt, dass ein Provisionsanspruch für ein vermitteltes Geschäft noch nicht entstanden ist, handelt es sich bei den etwaigen gleichwohl vom Auftraggeber vorgenommenen Auszahlungen lediglich um Provisionsvorschüsse, die nach § 266 Abs. 3 Abschn. C.3 HGB als erhaltene Anzahlungen zu passivieren sind, also noch keine gewinnrealisierende Wirkung haben.
Ebenso ist es möglich, zivilrechtlich zu vereinbaren, dass Provisionsansprüche von Versicherungsvertretern ratierlich entsprechend den einzelnen Prämienzahlungen entstehen. Auch dann ist im Umfang der rechtlich noch nicht entstandenen Provisionsansprüche zunächst kein Gewinn realisiert. Die Aktivierung einer Forderung kommt in dieser Konstellation nicht in Betracht. Mangels Gewinnrealisation darf in einem solchen Fall umgekehrt aber auch keine Rückstellung für Stornorisiken gebildet werden.
Ist eine Provision bereits verdient und ertragsteuerrechtlich realisiert, muss das Risiko ihres späteren Verlusts je nach den Umständen über die Bewertung der Forderung erfasst werden oder es ist eine Rückstellung zu bilden; dabei handelt es sich um eine Rückstellung für ungewisse Verbindlichkeiten.
Das FG hatte sich in seiner Entscheidung mit den vorstehend geschilderten Rechtsgrundsätzen nicht befasst und auch keine ausreichenden tatsächlichen Feststellungen getroffen, die dem BFH eine eigene Entscheidung ermöglicht hätten. Daher verwies der BFH den Streitfall zur erneuten Entscheidung an die Vorinstanz zurück.
Zusätzlich wies der BFH auf zahlreiche Fehler und Ungereimtheiten in der Entscheidung der Vorinstanz hin. So können Gegenstand einer Schätzung nach § 162 Abs. 1, 2 AO nur quantitative Größen sein, nicht aber qualitative Besteuerungsmerkmale wie ganze Sachverhalte oder Tatsachenfragen. Wenn das FG meint, es habe nicht ermitteln können, wie der Steuerpflichtige die vom FA vorgenommene Nachaktivierung bilanziell nachvollzogen habe, dann muss es zunächst erwägen, ob seiner Überzeugungsbildung ein abgesenktes Beweismaß zugrunde zu legen ist, und als ultima ratio nach den Grundsätzen über die Feststellungslast entscheiden.
Vor allem aber kritisierte der BFH, dass im FG-Urteil in Bezug auf die bilanzielle Behandlung der Nachaktivierung mehrere Varianten angeführt werden, die miteinander denklogisch unvereinbar sind und auch zu unterschiedlichen Ergebnissen führen können. Das Urteil leidet daher insoweit an innerer Widersprüchlichkeit.