31.05.2012

Alterswertminderung: Zur Bezugsfertigkeit neu errichteter Bürogebäude

Neu errichtete Bürogebäude, die nach ihrer Funktion zur Vermietung einzelner, entsprechend den individuellen Bedürfnissen der Mieter gestalteter Büros dienen sollen, sind dann i.S.v. § 146 Abs. 4 S. 1 i.V.m. § 145 Abs. 1 S. 3 BewG bezugsfertig, wenn die für das Gebäude wesentlichen Bestandteile fertiggestellt sind und zumindest eine Büroeinheit benutzbar ist. Nicht erforderlich ist, dass in einem neu errichteten, zur Vermietung vorgesehenen Bürogebäude bereits alle Büroeinheiten mietergerecht ausgebaut und benutzbar sind.

BFH 18.4.2012, II R 58/10
Der Sachverhalt:
Die Kläger hatten im August 2005 von ihrem Vater eine Beteiligung von 50 % an einer GmbH & Co. KG geerbt. Zum deren Vermögen gehörte ein Grundstück, das mit einem mehrgeschossigen Bürogebäude und einer Tiefgarage bebaut war. Das Gebäude war zwar bereits in den Jahren 1992 und 1993 errichtet worden, jedoch zunächst ohne Innenausbau, insbesondere ohne Innenwände, Bodenbeläge, Deckenabhängungen und Sanitäranlagen. Die Grundleitungen für die Toilettenanlagen sowie für die Be- und Entlüftung des gesamten Gebäudes waren installiert.

Der Innenausbau wurde in den Jahren 1994 bis 2000 jeweils entsprechend den Bedürfnissen der Mieter gestaltet und durchgeführt. Die ersten Mieter zogen im Jahr 1994 und die letzten im Jahr 2000 ein. Für Zwecke der Erbschaftsteuer berücksichtigte das Finanzamt zunächst ausgehend von der Bezugsfertigkeit des Bürogebäudes im Jahr 1994 eine Alterswertminderung von 5,5 % des Ausgangswertes. Später ging es davon aus, dass das Bürogebäude erst im Jahr 2000 mit der Erstellung des gesamten Innenausbaus bezugsfertig gewesen und damit nur eine Alterswertminderung von 2,5 % anzusetzen sei.

Das FG gab der hiergegen gerichteten Klage statt. Die Revision des Finanzamtes blieb vor dem BFH erfolglos.

Die Gründe:
Das FG hatte zu Recht angenommen, dass die Wertminderung wegen Alters des Bürogebäudes für die Zeit ab 1994 anzusetzen war und deshalb 5,5 % des Ausgangswerts betrug. Das Bürogebäude war im Jahr 1994 bereits bezugsfertig.

Gebäude sind als bezugsfertig anzusehen, wenn den zukünftigen Bewohnern oder sonstigen Benutzern zugemutet werden kann, sie zu benutzen; die Abnahme durch die Bauaufsichtsbehörde ist nicht entscheidend. Die Bezugsfertigkeit setzt grundsätzlich voraus, dass Fenster und Türen eingebaut, Anschlüsse für Strom- und Wasserversorgung, Heizung sowie sanitäre Einrichtungen vorhanden sind. Bei einem betrieblich genutzten Gebäude ist von einer Bezugsfertigkeit auszugehen, wenn das Gebäude in seinen wesentlichen Bereichen bestimmungsgemäß für den vorgesehenen Betrieb nutzbar ist.

Ein neu errichtetes Bürogebäude, das - wie hier - nach seiner Funktion zur Vermietung einzelner, entsprechend den individuellen Bedürfnissen der Mieter gestalteter Büros dienen soll, ist bezugsfertig i.S.v. § 146 Abs. 4 S. 1 i.V.m. § 145 Abs. 1 S. 3 BewG, wenn es potentiellen Mietern möglich ist, Büroräume zu nutzen. Dies setzt neben der Fertigstellung der für das Gebäude wesentlichen Bestandteile (z.B. Außenwände, Fenster, tragende Innenwände, Estrichböden, Dach, Treppenhaus) voraus, dass zumindest eine Büroeinheit benutzbar ist. Eine Benutzbarkeit liegt vor, wenn die Büroeinheit durch Wände bzw. eingebaute Türen gegenüber dem noch nicht vermieteten Bereich abgegrenzt ist, die Innenwände eingebaut und Heizung, Sanitäreinrichtungen sowie alle notwendigen Grundleitungen für Wasser, Strom, Be- und Entlüftung, Kommunikationsanlagen usw. installiert sind. Nicht erforderlich ist, dass in einem neu errichteten, zur Vermietung vorgesehenen Bürogebäude bereits alle Büroeinheiten mietergerecht ausgebaut und benutzbar sind.

Infolgedessen war die Alterswertminderung zutreffend für die Zeit ab 1994 berücksichtigt worden. Nach den insoweit nach § 118 Abs. 2 FGO bindenden Feststellungen des FG wurden mehrere Büroeinheiten ab 1994 durch Mieter tatsächlich genutzt.

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