Amtliche Richtsatzsammlung des BMF auf dem Prüfstand
Kurzbesprechung
3. Im Rahmen der Ermessensausübung sind tendenziell ungenauere Schätzungsmethoden gegenüber genaueren Schätzungsmethoden nachrangig. In der Regel ist der innere Betriebsvergleich im Verhältnis zum äußeren Betriebsvergleich als die zuverlässigere Schätzungsmethode anzusehen.
4. FA und FG müssen das Ergebnis ihrer Schätzung nachvollziehbar begründen. Eine fehlende oder nicht nachvollziehbare Begründung kann zu einem sachlich-rechtlichen Mangel des Urteils führen, der auch ohne besondere Rüge vom Revisionsgericht beanstandet werden kann.
5. Die Finanzverwaltung darf zur Ermittlung von Vergleichsdaten Datenbanken aufbauen und verwenden, auch wenn diese nicht allgemein zugänglich sind, und es ist zulässig, Vergleichsdaten mit Hilfe von Datenbanken zu ermitteln. Allerdings muss die im Einzelfall zu verwendende Datenbank Mindestanforderungen an die Qualität der Datenerfassung erfüllen.Die Gerichte können deshalb gehalten sein, Rückfragen über die Zusammenstellung und Ableitung der anonymisierten Vergleichsdaten zu stellen. Können solche Fragen aus Gründen des Steuergeheimnisses oder aus anderen Gründen nicht beantwortet werden, geht dies zu Lasten des Beweiswertes der Vergleichsdaten (Anschluss an Urteil des Bundesfinanzhofs vom 17.10.2001 - I R 103/00, BFHE 197, 68, BStBl II 2004, 171, unter III.A.2.c cc).
6. Es bestehen gegenwärtig erhebliche Zweifel, ob die amtliche Richtsatzsammlung in ihrer bisherigen Form eine geeignete Grundlage für einen äußeren Betriebsvergleich darstellt.
BFH v. 18.6.2025 - X R 19/21
AO § 5, AO § 146 Abs 1 S 2, AO § 158, AO § 162 Abs 1, AO § 162 Abs 2, AO § 193, FGO § 68, FGO § 96 Abs 1 S 1 Halbs 2, FGO § 121 S 1
Im Streitfall geht es um eine Diskothek, bei der die Kassen für die Getränkeumsätze nicht ordnungsgemäß geführt worden waren und das FA Zuschätzungen vorgenommen hatte. Der BFH entschied, dass das FG zwar zutreffend eine Schätzungsbefugnis dem Grunde nach bejaht hatte. Allerdings ist die vom FG vorgenommene Hinzuschätzung in Form eines äußeren Betriebsvergleichs auf der Grundlage der amtlichen Richtsatzsammlung des BMF nicht nachvollziehbar begründet worden, so dass der BFH sie nicht auf ihre Angemessenheit hin überprüfen konnte.
Der BFH wies insbesondere darauf hin, dass eine Diskothek kein Restaurant ist, so dass bei der Schätzung der Getränkeumsätze einer Diskothek auch nicht auf die Rohgewinnaufschlagsätze der amtlichen Richtsatzsammlung des BMF für Gastronomiebetriebe zurückgegriffen werden kann.
Zudem legte der BFH dar, dass im Fall einer Schätzung von Besteuerungsgrundlagen (§ 162 AO) der innere Betriebsvergleich, der an die Daten und Verhältnisse des geprüften Betriebs selbst anknüpft, im Verhältnis zum äußeren Betriebsvergleich, der sich auf statistische Durchschnittswerte der betreffenden Branchen stützt, grundsätzlich als die zuverlässigere Schätzungsmethode anzusehen ist. Dies müssen FA und FG bei der Ausübung des ihnen im Rahmen einer Schätzung zustehenden Ermessens (§ 5 AO) berücksichtigen, auch wenn sie bei der Wahl ihrer Schätzungsmethoden grundsätzlich frei sind.
Da dem BFH keine eigene Schätzungsbefugnis zukommt, verwies er die Streitsache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das FG zurück.
In der Entscheidung hat sich der BFH zudem mit den Mindestanforderungen befasst, die Datensammlungen oder Datenbanken der Finanzverwaltung erfüllen müssen, wenn sie in einem Gerichtsverfahren berücksichtigt werden sollen. Der X. Senat des BFH hat nun erhebliche Zweifel daran geäußert, dass sich die amtliche Richtsatzsammlung des BMF in ihrer bisherigen Form als Grundlage für eine Schätzung eignet. Begründet wird dies mit der fehlenden statistischen Repräsentativität der zur Ermittlung der Richtsätze herangezogenen Daten einerseits und dem kategorischen Ausschluss bestimmter Gruppen von Betrieben bei der Ermittlung der Richtsatzwerte andererseits.
Verlag Dr. Otto Schmidt
4. FA und FG müssen das Ergebnis ihrer Schätzung nachvollziehbar begründen. Eine fehlende oder nicht nachvollziehbare Begründung kann zu einem sachlich-rechtlichen Mangel des Urteils führen, der auch ohne besondere Rüge vom Revisionsgericht beanstandet werden kann.
5. Die Finanzverwaltung darf zur Ermittlung von Vergleichsdaten Datenbanken aufbauen und verwenden, auch wenn diese nicht allgemein zugänglich sind, und es ist zulässig, Vergleichsdaten mit Hilfe von Datenbanken zu ermitteln. Allerdings muss die im Einzelfall zu verwendende Datenbank Mindestanforderungen an die Qualität der Datenerfassung erfüllen.Die Gerichte können deshalb gehalten sein, Rückfragen über die Zusammenstellung und Ableitung der anonymisierten Vergleichsdaten zu stellen. Können solche Fragen aus Gründen des Steuergeheimnisses oder aus anderen Gründen nicht beantwortet werden, geht dies zu Lasten des Beweiswertes der Vergleichsdaten (Anschluss an Urteil des Bundesfinanzhofs vom 17.10.2001 - I R 103/00, BFHE 197, 68, BStBl II 2004, 171, unter III.A.2.c cc).
6. Es bestehen gegenwärtig erhebliche Zweifel, ob die amtliche Richtsatzsammlung in ihrer bisherigen Form eine geeignete Grundlage für einen äußeren Betriebsvergleich darstellt.
BFH v. 18.6.2025 - X R 19/21
AO § 5, AO § 146 Abs 1 S 2, AO § 158, AO § 162 Abs 1, AO § 162 Abs 2, AO § 193, FGO § 68, FGO § 96 Abs 1 S 1 Halbs 2, FGO § 121 S 1
Im Streitfall geht es um eine Diskothek, bei der die Kassen für die Getränkeumsätze nicht ordnungsgemäß geführt worden waren und das FA Zuschätzungen vorgenommen hatte. Der BFH entschied, dass das FG zwar zutreffend eine Schätzungsbefugnis dem Grunde nach bejaht hatte. Allerdings ist die vom FG vorgenommene Hinzuschätzung in Form eines äußeren Betriebsvergleichs auf der Grundlage der amtlichen Richtsatzsammlung des BMF nicht nachvollziehbar begründet worden, so dass der BFH sie nicht auf ihre Angemessenheit hin überprüfen konnte.
Der BFH wies insbesondere darauf hin, dass eine Diskothek kein Restaurant ist, so dass bei der Schätzung der Getränkeumsätze einer Diskothek auch nicht auf die Rohgewinnaufschlagsätze der amtlichen Richtsatzsammlung des BMF für Gastronomiebetriebe zurückgegriffen werden kann.
Zudem legte der BFH dar, dass im Fall einer Schätzung von Besteuerungsgrundlagen (§ 162 AO) der innere Betriebsvergleich, der an die Daten und Verhältnisse des geprüften Betriebs selbst anknüpft, im Verhältnis zum äußeren Betriebsvergleich, der sich auf statistische Durchschnittswerte der betreffenden Branchen stützt, grundsätzlich als die zuverlässigere Schätzungsmethode anzusehen ist. Dies müssen FA und FG bei der Ausübung des ihnen im Rahmen einer Schätzung zustehenden Ermessens (§ 5 AO) berücksichtigen, auch wenn sie bei der Wahl ihrer Schätzungsmethoden grundsätzlich frei sind.
Da dem BFH keine eigene Schätzungsbefugnis zukommt, verwies er die Streitsache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das FG zurück.
In der Entscheidung hat sich der BFH zudem mit den Mindestanforderungen befasst, die Datensammlungen oder Datenbanken der Finanzverwaltung erfüllen müssen, wenn sie in einem Gerichtsverfahren berücksichtigt werden sollen. Der X. Senat des BFH hat nun erhebliche Zweifel daran geäußert, dass sich die amtliche Richtsatzsammlung des BMF in ihrer bisherigen Form als Grundlage für eine Schätzung eignet. Begründet wird dies mit der fehlenden statistischen Repräsentativität der zur Ermittlung der Richtsätze herangezogenen Daten einerseits und dem kategorischen Ausschluss bestimmter Gruppen von Betrieben bei der Ermittlung der Richtsatzwerte andererseits.