03.05.2018

Änderung eines Bescheids über die gesonderte Feststellung des Grundbesitzwerts wegen neuer Tatsachen

Verzichtet das FA gegenüber dem Steuerpflichtigen ausdrücklich auf die Abgabe einer förmlichen Feststellungserklärung und fordert ihn stattdessen zu bestimmten Angaben auf, verletzt es seine Ermittlungspflicht, wenn die geforderten Angaben für die Ermittlung des für die Grundbesitzbewertung maßgebenden Sachverhalts nicht ausreichen und es keine weiteren Fragen stellt. Dies kann dazu führen, dass eine Bescheidänderung nach § 173 AO nach den Grundsätzen von Treu und Glauben ausgeschlossen ist.

Kurzbesprechung
BFH v. 29.11.2017 - II R 52/15

AO § 164 Abs. 2, § 173 Abs. 1 Nr. 1, § 181 Abs. 5 Satz 1

Im Streitfall waren die Steuerpflichtigen zu drei gleichen Teilen Erben. Zum Erbe gehörten verschiedene Miet- und Geschäftsgrundstücke, die für die spätere Festsetzung der Erbschaftsteuer bewertet werden sollten. Das für die Bewertung zuständige FA forderte die Steuerpflichtigen auf, nähere Angaben zu den Grundstücken zu machen. Dieser Aufforderung kamen sie umfassend nach. Nachfolgend wurden dem FA nun weitere Tatsachen bekannt, die zu einer höheren Wertfeststellung führten. Den daraufhin erlassenen, auf § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO gestützten Änderungsbescheid hob der BFH jedoch im Revisionsverfahren auf.

Denn die Änderung eines Bescheids ist zum Nachteil des Steuerpflichtigen nach "Treu und Glauben" ausgeschlossen, wenn dem FA die nachträglich bekannt gewordenen Tatsachen bei ordnungsgemäßer Erfüllung der behördlichen Ermittlungspflicht nicht verborgen geblieben wären. Dasselbe gilt, wenn das FA gegenüber dem Steuerpflichtigen ausdrücklich auf die Abgabe einer förmlichen Erklärung verzichtet und ihn stattdessen zu bestimmten Angaben auffordert. Beantwortet der Steuerpflichtige die gestellten Fragen zutreffend und vollständig, ist das FA an einer Änderung des Bescheids auch dann gehindert, wenn es zuvor falsche oder unzutreffende Fragen an den Steuerpflichtigen gestellt hat.

Der BFH stellte klar, dass das FA seine Ermittlungspflicht verletzt, wenn die geforderten An-gaben für die Ermittlung des für die Grundbesitzbewertung maßgebenden Sachverhalts nicht ausreichen und es keine weiteren Fragen stellt. Erfüllt der Steuerpflichtige in einem solchen Fall seinerseits seine Mitwirkungspflichten, indem er die vom FA gestellten Fragen zutreffend und vollständig beantwortet, ist das FA nach "Treu und Glauben" an einer Änderung nach § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO gehindert, wenn es später Kenntnis von steuererhöhenden Tatsachen erlangt.

Beraterhinweis: Ein weiterer Aspekt der Entscheidung betraf die Frage, ob der Feststel-lungsbescheid nach Ablauf der Feststellungsfrist überhaupt noch geändert werden durfte. Dies ist zwar nicht von vornherein ausgeschlossen (s. § 181 Abs. 5 Satz 1 AO), kann aber nicht auf einen "Vorbehalt der Nachprüfung" (§ 164 Abs. 2 AO) gestützt werden.

BFH, Urteil vom 29.11.2017, II R 52/15, veröffentlicht am 25.4.2018

Verlag Dr. Otto Schmidt
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