Anlaufhemmung bei Abgabe einer Schenkungsteuererklärung nach Anzeigeerstattung; Werterhöhung von Anteilen an einer Kapitalgesellschaft
KurzbesprechungAO § 170 Abs 2 S 1 Nr. 1
ErbStG § 7 Abs 8 S 1, ErbStG § 30 Abs 1, ErbStG § 30 Abs 2, ErbStG § 31 Abs 1 S 1
BewG § 99, BewG § 176
1. Ablauf der Festsetzungsfrist
Nach bisheriger Rechtsprechung des BFH endet in Fällen, in denen die gemäß § 30 Abs. 1 oder 2 ErbStG bestehende Anzeigepflicht vom Steuerpflichtigen erfüllt worden ist und das FA gemäß § 31 Abs. 1 ErbStG die Abgabe einer Schenkungsteuererklärung anfordert, die Anlaufhemmung erst mit Ablauf des Kalenderjahres, in dem die Steuererklärung eingereicht wird, spätestens jedoch mit Ablauf des dritten Kalenderjahres nach dem Jahr der Steuerentstehung.
Der II. Senat des BFH hat nun entschieden, dass er an dieser Rechtsprechung festhält, so dass im Streitfall der angefochtene Schenkungsteuerbescheid noch innerhalb der Festsetzungsfrist ergangen war.
Zwar wird nach dem Wortlaut des § 170 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AO die Anlaufhemmung alternativ durch die Einreichung der Steuererklärung beziehungsweise Steueranmeldung oder durch die Erstattung der Anzeige beendet. Diese Vorschrift enthält keine ausdrückliche Regelung der Frage, ob bereits eine ordnungsgemäß erstattete Anzeige im Sinne des § 30 Abs. 1 oder 2 ErbStG die Anlaufhemmung endgültig beendet oder ob sofern das FA nach Anzeigeerstattung zur Abgabe einer Schenkungsteuererklärung auffordert diese Rechtsfolge erst in dem Zeitpunkt eintritt, in dem die Steuererklärung eingereicht wird und der Dreijahreszeitraum der Anlaufhemmung nicht schon vorher abgelaufen ist.
Sofern das FA nach Erstattung der Anzeige zur Einreichung der Steuererklärung gemäß § 31 Abs. 1 ErbStG auffordert, rechtfertigt sich jedoch eine (weitere) Anlaufhemmung aufgrund der unterschiedlichen Zwecksetzungen der Anzeige (§ 30 Abs. 1 und 2 ErbStG) einerseits und der Steuererklärung (§ 31 ErbStG) andererseits.
Denn die Anzeigepflicht soll lediglich die möglichst vollständige Erfassung aller Erwerbe sicherstellen und dient in erster Linie dazu, dem FA die Prüfung zu erleichtern, ob und wen es im Einzelfall zur Abgabe einer Steuererklärung aufzufordern hat. Demgegenüber hat die Steuererklärung ein Verzeichnis der zum Nachlass gehörenden Gegenstände und die sonstigen für die Feststellung des Gegenstands und des Werts des Erwerbs erforderlichen Angaben zu enthalten (§ 31 Abs. 2 ErbStG) und soll so die Erbschaftsteuer- beziehungsweise Schenkungsteuerfestsetzung ermöglichen.
Diesen unterschiedlichen Zwecksetzungen der Anzeige beziehungsweise der Steuererklärung ist bei der Anwendung des § 170 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AO dadurch Rechnung zu tragen, dass bei einer ordnungsgemäßen Erstattung der Anzeige erst die dem FA nachfolgend durch die Einreichung der angeforderten Steuererklärung vermittelte Kenntnis zur (endgültigen) Beendigung der Anlaufhemmung führt.
Nach den Wertungen des § 170 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AO rechtfertigt sich der Beginn der Festsetzungsfrist nicht schon deshalb, weil das FA den Steuerpflichtigen bereits aufgrund der Anzeige zur Abgabe einer Steuererklärung auffordern und diese Aufforderung (etwa durch Anwendung von Zwangsmitteln, §§ 328 ff. AO) gegebenenfalls auch durchsetzen kann.
Daher richtet sich der Anlauf der Festsetzungsfrist bei einer Aufforderung zur Abgabe einer Schenkungsteuererklärung auch dann nach § 170 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AO, wenn das FA bereits vor der Aufforderung zur Erklärungsabgabe Kenntnis von dem Erwerb erlangt hat.
2. Schenkung nach § 7 Abs. 8 Satz 1 ErbStG
Nach § 7 Abs. 8 Satz 1 ErbStG gilt als Schenkung auch die Werterhöhung von Anteilen an einer Kapitalgesellschaft, die eine an der Gesellschaft unmittelbar oder mittelbar beteiligte natürliche Person (Bedachte) durch die Leistung einer anderen Person (Zuwendender) an die Gesellschaft erlangt. § 7 Abs. 8 Satz 1 ErbStG fingiert eine Schenkung des an eine Kapitalgesellschaft Leistenden an den mittelbar oder unmittelbar beteiligten Gesellschafter, dessen Geschäftsanteil durch die Leistung eine Werterhöhung erfährt. Die Vorschrift soll eine Besteuerungslücke schließen, indem Leistungen des Zuwendenden in das Vermögen einer Kapitalgesellschaft schenkungsteuerrechtlich einer Direktzuwendung an den (Mit-)Gesellschafter gleichgestellt werden. § 7 Abs. 8 Satz 1 ErbStG verdrängt als Spezialtatbestand den Grundtatbestand des § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG.
Im Streitfall hatte das FA zu Recht angenommen, dass die Zahlung der Mutter in Höhe von 3,7 Mio. € auf das Konto der GmbH zum Zwecke des Erwerbs des Grundstücks eine Leistung der Mutter des Steuerpflichtigen an die GmbH im Sinne des § 7 Abs. 8 Satz 1 ErbStG war. Die Zahlung erfolgte aus dem Vermögen der Mutter des Steuerpflichtigen als Zuwendende in das Vermögen der GmbH als Zuwendungsempfängerin, um dieser den Erwerb des Grundstücks zu ermöglichen.
Im Streitfall stand einer Leistung an die GmbH nicht entgegen, dass aufgrund der im privatschriftlichen Schenkungsvertrag getroffenen Vereinbarung zunächst ein Betrag in Höhe von 4 Mio. € auf das Konto des Steuerpflichtigen als Gesellschafter der GmbH eingezahlt wurde. Denn diese Zahlung an den Steuerpflichtigen war von vornherein mit der Zweckbindung erfolgt, den erhaltenen Betrag abzüglich der voraussichtlich fälligen Schenkungsteuer in Höhe von 300.000 € als Eigenkapital in die GmbH einzubringen, damit diese das Grundstück erwirbt. Der dem Steuerpflichtigen überwiesene Geldbetrag sollte, soweit er den zur Deckung der voraussichtlich fälligen Schenkungsteuer erforderlichen Betrag überstieg, nicht bei ihm als Zuwendungsempfänger verbleiben. Vielmehr hatte er diesen Betrag lediglich als Durchgangs- beziehungsweise Mittelsperson sogleich an die GmbH weiterzuleiten, ohne dass von dieser Zahlung etwas in seinem Vermögen verblieb. Der Fall war daher nicht anders zu beurteilen, als wenn die Mutter des Steuerpflichtigen einen Betrag in Höhe von 3,7 Mio. € unmittelbar in das Vermögen der GmbH zur Finanzierung des Grundstückserwerbs eingezahlt hätte.
Der Annahme einer Leistung im Sinne des § 7 Abs. 8 Satz 1 ErbStG stand nicht entgegen, dass die Mutter des Steuerpflichtigen nicht selbst an der GmbH beteiligt war. Denn nach dem Wortlaut des § 7 Abs. 8 Satz 1 ErbStG ist die Person des Zuwendenden nicht auf eine unmittelbar oder mittelbar an der die Leistung empfangenden Kapitalgesellschaft beteiligten Person begrenzt. Es werden auch Personen erfasst, die nicht an der Kapitalgesellschaft beteiligt sind. Leistender im Sinne des § 7 Abs. 8 Satz 1 ErbStG kann daher auch ein gesellschaftsfremder Dritter sein.
Die Leistung der Mutter des Steuerpflichtigen an die GmbH in Höhe von 3,7 Mio. €, aus der der Erwerb des Grundstücks finanziert wurde, führte somit zu einer Werterhöhung der GmbH-Beteiligung des Steuerpflichtigen, die das FA im Schenkungsteuerbescheid in zutreffender Höhe angesetzt hatte.