17.05.2013

Annahme eines notariellen Kaufangebots nach Ablauf seiner befristeten Unwiderruflichkeit kein gleichstehender Rechtsakt

Ein erst nach Ablauf seiner befristeten Unwiderruflichkeit angenommenes, notarielles Kaufangebot stellt keinen "gleichstehenden Rechtsakt" i.S.v. § 7h Abs. 1 S. 3 bzw. § 7i Abs. 1 S. 5 EStG dar. Ein solches begründet weder eine beidseitige Verpflichtung noch definiert es einen konkreten Erwerbszeitpunkt.

BFH 19.2.2013, IX R 32/12
Der Sachverhalt:
Die Kläger gaben gegenüber dem Bauträger am 10.7.2003 ein notariell beurkundetes Vertragsangebot zum Abschluss eines Bauträgervertrags über eine Wohneinheit (WE 1) ab. Das Vertragsangebot enthält u.a. folgende Klausel: "Der Anbieter hält sich an dieses Angebot vier Monate gerechnet ab heute unwiderruflich gebunden. Der Angebotsempfänger kann das Angebot bis zu diesem Termin annehmen. Nach Ablauf der Frist erlischt das Angebot nicht von selbst, kann jedoch durch den Anbieter jederzeit widerrufen werden." Mit notariell beurkundeter Erklärung vom 11.11.2003 nahm der Bauträger das Angebot an.

Das Finanzamt stellte die Grundlagen für die Einkommensbesteuerung für die Abschreibungen nach § 7 Abs. 4 u. 5 EStG sowie die Grundlagen für die Investitionszulage nach § 3 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 InvZulG 1999 bzw. die erhöhte Investitionszulage nach § 3a Abs. 1 S. 1 Nr. 2 und S. 2 i.V.m. S. 1 Nr. 2 InvZulG 1999 gem. § 164 Abs. 1 AO unter dem Vorbehalt der Nachprüfung fest und erkannte Anschaffungskosten für nach Kaufvertragsabschluss durchgeführte Modernisierungs- bzw. Baumaßnahmen i..H.v. rd. 90.000 € an. Dabei legte es den 10.7.2003 als Zeitpunkt des rechtswirksamen Abschlusses des obligatorischen Kaufvertrags oder gleichstehenden Rechtsakts zugrunde. Eine Feststellung für die erhöhten Absetzungen nach §§ 7h, 7i und 10f EStG wurde in diesem Bescheid nicht getroffen.

Nach einer beim Bauträger durchgeführten Betriebsprüfung kam das Finanzamt zu der Auffassung, dass zwar für die WE 1 auch begünstigte Sanierungsaufwendungen nach § 7h und 7i EStG vorlägen, dass aber maßgeblicher Zeitpunkt für die Begünstigung erst die Annahme des Vertragsangebots durch den Bauträger am 11.11.2003 sei. Ein einem obligatorischen Kaufvertrag gleichstehender Rechtsakt liege nicht schon in dem notariellen Kaufangebot, da die Annahme erst nach Ablauf der von den Klägern gesetzten Bindungsfrist erfolgt sei. Da bis zum Abschluss des Kaufvertrags bereits 69,17 Prozent der Baumaßnahmen durchgeführt worden seien, könnten lediglich 26.829 € als nachträgliche Herstellungskosten anerkannt werden. Das Finanzamt erließ einen entsprechenden Änderungsbescheid.

Das FG wies die hiergegen gerichtete Klage ab. Die Revision der Kläger hatte vor dem BFH keinen Erfolg.

Die Gründe:
Das FG hat das streitbefangene Vertragsangebot zutreffend nicht als "gleichstehenden Rechtsakt" i.S.v. § 7h EStG bzw. § 7i EStG behandelt und so für die bis zur Annahme des Vertragsangebots durchgeführten Baumaßnahmen keine erhöhten Absetzungen gewährt.

Gem. § 7h Abs. 1 S. 3 EStG kann der Steuerpflichtige die erhöhten Absetzungen im Jahr des Abschlusses der fraglichen Maßnahme und in diesen folgenden neun Jahren auch für Anschaffungskosten in Anspruch nehmen, die auf Maßnahmen i.S.v. § 7h Abs. 1 S. 1 u. 2 EStG entfallen, soweit diese nach dem rechtswirksamen Abschluss eines obligatorischen Erwerbsvertrags oder eines gleichstehenden Rechtsakts durchgeführt worden sind. Eine entsprechende Regelung enthält § 7i Abs. 1 S. 5 EStG.

Danach setzen die erhöhten Absetzungen grundsätzlich voraus, dass die betroffenen Maßnahmen nach einem obligatorischen Erwerb anfallen, d.h. zu einem Zeitpunkt, zu dem sich die Investition des Steuerpflichtigen in das begünstigte Gebäude dahingehend konkretisiert hat, dass er einen rechtswirksamen obligatorischen Erwerbsvertrag abgeschlossen hat. Die Alternative des gleichstehenden Rechtsakts muss einen entsprechenden Konkretisierungsgrad erreichen. Da nach § 7h Abs. 1 S. 3 EStG "obligatorischer Erwerbsvertrag" und "gleichstehender Rechtsakt" gleichwertige alternative Begünstigungsvoraussetzungen darstellen, sind an den gleichstehenden Rechtsakt hinsichtlich seiner Rechtsbindung und der Rechtsklarheit dieselben Anforderungen zu stellen wie an den obligatorischen Erwerbsvertrag.

Der Begriff des obligatorischen Erwerbsvertrags umfasst insbes. Kauf oder Tausch eines bebauten Grundstücks; maßgebender Zeitpunkt für den Erwerb ist die formgerechte schuldrechtliche Erwerbsverpflichtung, von der sich kein Beteiligter mehr einseitig lösen kann. Parallel hierzu sind gleichstehende Rechtsakte insbes. der Erbfall, das Vermächtnis nach Annahme, der Zuschlag im Zwangsversteigerungsverfahren oder der Erwerb von Anteilen an einer Personengesellschaft, nicht aber ein unwiderrufliches notarielles Kaufangebot. Denn ein solches begründet weder eine beidseitige Verpflichtung noch definiert es einen konkreten Erwerbszeitpunkt.

Nach diesen Grundsätzen stellt das im Streitfall zu beurteilende Vertragsangebot vom 10.7.2003 keinen gleichstehenden Rechtsakt i.S.v. § 7h Abs. 1 S. 3, § 7i Abs. 1 S. 5 EStG dar; daran ändert auch seine befristete Unwiderruflichkeit nichts. Es kommt jedenfalls dann nicht darauf an, wie lange das Angebot bindend war, wenn - wie im Streitfall - das Angebot erst nach Ablauf der Bindungsfrist (am 11.11.2003) angenommen wurde. Daher konnten erst für Maßnahmen nach Annahme des Vertragsangebots begünstigte Sanierungsaufwendungen anfallen.

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