12.10.2021

Anwaltskosten wegen strafbarem Facebook-Kommentar können Werbungskosten sein

Rechtsanwaltskosten für die Vertretung in einem Disziplinarverfahren können auch dann als Werbungskosten bei der Einkommensteuer abgezogen werden, wenn das Verfahren wegen eines strafbaren Kommentars in den sozialen Medien eingeleitet wurde.

FG Köln v. 17.6.2021 - 14 K 997/20
Der Sachverhalt:
Der Kläger wurde aufgrund eines bei Facebook veröffentlichten privaten Kommentars wegen öffentlicher Aufforderung zu Straftaten rechtskräftig verurteilt. Daneben wurde gegen ihn als Soldat ein gerichtliches Wehrdisziplinarverfahren durchgeführt, in dem es auch um den Fortbestand des Dienstverhältnisses ging.

In seiner Einkommensteuererklärung machte der Kläger 1.785 € Rechtsanwaltskosten für seine Verteidigung im Disziplinarverfahren als Werbungskosten geltend. Das Finanzamt lehnte die Berücksichtigung ab. Die berufliche Veranlassung der Kosten werde durch das vorsätzliche strafbare Handeln des Klägers auf seinem privaten Facebook-Account überlagert.

Das FG gab der hiergegen gerichteten Klage statt. Die Entscheidung ist noch nicht rechtskräftig. Die beim BFH anhängige Revision des Finanzamts wird dort unter dem Az. VI R 16/21 geführt.

Die Gründe:
Das Finanzamt hat zu Unrecht den Werbungskostenabzug der Rechtsanwaltskosten für die Vertretung des Klägers in dem gegen ihn geführten Wehrdisziplinarverfahren versagt.

Für Kosten einer Rechtsverfolgung gilt, dass diese Werbungskosten sind, wenn der Gegenstand des Prozesses objektiv mit der Einkunftsart zusammenhängt, in deren Rahmen die Aufwendungen geltend gemacht werden. Rechtsverfolgungskosten aus bürgerlich-rechtlichen oder arbeitsrechtlichen Streitigkeiten, die ein Arbeitsverhältnis und die Ansprüche daraus betreffen, stehen im Zusammenhang mit den Einnahmen aus nichtselbständiger Arbeit i.S.d. § 19 EStG. Ausnahmsweise können auch strafbare Handlungen, die in Zusammenhang mit einer beruflichen Tätigkeit stehen, Erwerbsaufwendungen begründen. Aufwendungen, die durch strafbare Handlungen ausgelöst werden, sind nicht ohne Weiteres der privaten Lebensführung zuzuordnen.

Die Rechtsprechung erkennt Strafverteidigungskosten und die sich aus einer strafbaren Handlung ergebenden Schadensersatzzahlungen einheitlich nur in solchen Fällen als Werbungskosten an, in denen der strafrechtliche Vorwurf, gegen den sich der Steuerpflichtige zur Wehr setzt, eindeutig durch sein berufliches Verhalten veranlasst ist. Die dem Steuerpflichtigen zur Last gelegte Tat muss in Ausübung - und nicht nur bei Gelegenheit - der beruflichen Tätigkeit begangen worden und ausschließlich und unmittelbar aus der beruflichen Aufgabenerfüllung heraus erklärbar sein.

Die vorliegend streitbefangenen Rechtsanwaltskosten des Klägers für seine Vertretung in dem gegen ihn eröffneten Wehrdisziplinarverfahren erfüllen die Voraussetzung des § 9 Abs. 1 S. 1 EStG für den Werbungskostenabzug auch unter Berücksichtigung der durch die Rechtsprechung herausgebildeten Einschränkungen. Die Kosten betreffen das Arbeitsverhältnis und die Ansprüche hieraus. Die strengere Rechtsprechung des BFH zu Strafverteidigungskosten ist auf arbeitsrechtliche oder dienstrechtliche Verfahren nicht anwendbar. Denn solche Aufwendungen sind bereits durch ihren Zweck, das Gehalt zu erhalten, untrennbar dem Dienstverhältnis zugewiesen. Die strafbare Handlung stellt demgegenüber nur eine entferntere Ursache dar.
FG Köln PM vom 11.10.2021
Zurück