11.12.2025

Anwendung des § 50i Abs. 1 EStG auf Besitz-Personengesellschaften in Schenkungsfällen

1. § 50i Abs. 1 Satz 4 des Einkommensteuergesetzes (EStG) i.d.F. des Gesetzes zur Anpassung des nationalen Steuerrechts an den Beitritt Kroatiens zur EU und zur Änderung weiterer steuerlicher Vorschriften vom 25.07.2014 (BGBl I 2014, 1266, BStBl I 2014, 1126) ‑‑KroatienAnpG‑‑ setzt als modifizierte Rechtsgrundverweisung auf Abs. 1 Satz 1 der Vorschrift eine Übertragung oder Überführung des betreffenden Wirtschaftsguts in das Betriebsvermögen der Besitz-Personengesellschaft voraus.
2. Eine Übertragung oder Überführung in diesem Sinne ist (nur) der erstmalige Übergang des Wirtschaftsguts "von außen" in das Betriebsvermögen der Besitz-Personengesellschaft, nicht jedoch (...)

Kurzbesprechung
ein Transfer von Wirtschaftsgütern zwischen dem Gesamthands- und dem Sonderbetriebsvermögen oder zwischen verschiedenen Sonderbetriebsvermögen derselben Personengesellschaft.
3. Eine Übertragung oder Überführung kann nur dann ohne Aufdeckung stiller Reserven im Sinne des § 50i Abs. 1 EStG erfolgt sein, wenn das maßgebliche Wirtschaftsgut überhaupt über stille Reserven verfügt hat. Hieran fehlt es insbesondere, wenn die Herstellung oder der entgeltliche Erwerb des Wirtschaftsguts mit dem Zeitpunkt, zu dem es Betriebsvermögen der Personengesellschaft geworden ist, zusammenfällt.
4. Ein Wirtschaftsgut im Sinne des § 50i Abs. 1 EStG, das ohne Aufdeckung stiller Reserven in ein Betriebsvermögen einer Besitz-Personengesellschaft übertragen worden ist, bleibt nach § 50i EStG steuerverhaftet, wenn es im Wege der Schenkung ohne Aufdeckung stiller Reserven und ohne Ausscheiden aus dem Betriebsvermögen der Personengesellschaft zivilrechtlich auf eine andere Person übertragen wird; die Rechtsfolgen des § 50i Abs. 1 Satz 1 und 3 EStG können in diesem Fall auch erstmals bei dem Rechtsnachfolger eintreten.
5. Bei der nach § 50i Abs. 1 EStG vorzunehmenden Prüfung, ob Anteile die Voraussetzungen des § 17 EStG erfüllen, ist auf die im Zeitpunkt der Übertragung oder Überführung jeweils gültige Fassung des § 17 EStG abzustellen.

BFH v. 16.7.2025 - I R 13/22

EStG § 17, EStG § 50i Abs 1 S 4, EStG § 50i Abs 1 S 1, EStG § 50i Abs 1 S 3
KroatienAnpG


Streitig war, ob eine im Jahr 2015 (Streitjahr) von der S Ltd. an den Steuerpflichtigen ausgeschüttete Dividende in der Bundesrepublik Deutschland (Deutschland) der Besteuerung unterliegt.

Nach § 50i Abs. 1 Satz 4 EStG gelten dann, wenn Wirtschaftsgüter vor dem 29.6.2013 Betriebsvermögen eines Einzelunternehmens oder einer Personengesellschaft geworden sind, die deswegen Einkünfte aus Gewerbebetrieb erzielen, weil der Steuerpflichtige sowohl im überlassenden Betrieb als auch im nutzenden Betrieb allein oder zusammen mit anderen Gesellschaftern einen einheitlichen geschäftlichen Betätigungswillen durchsetzen kann und dem nutzenden Betrieb eine wesentliche Betriebsgrundlage zur Nutzung überlässt, die Sätze 1 und 3 der Vorschrift sinngemäß.

§ 50i Abs. 1 Satz 1 EStG ordnet für Wirtschaftsgüter des Betriebsvermögens oder Anteile im Sinne des § 17 EStG, die vor dem 29.6.2013 in das Betriebsvermögen einer Personengesellschaft im Sinne des § 15 Abs. 3 EStG übertragen oder überführt worden sind und bei denen im Zeitpunkt der Übertragung oder Überführung eine Besteuerung der stillen Reserven unterblieben ist, Folgendes an: Der Gewinn aus der späteren Veräußerung oder Entnahme dieser Wirtschaftsgüter, den ein Steuerpflichtiger erzielt, der im Sinne eines DBA in einem anderen Vertragsstaat ansässig ist, ist ungeachtet entgegenstehender Bestimmungen dieses DBA zu versteuern.

Nach § 50i Abs. 1 Satz 3 EStG erstreckt sich die Versteuerung ‑‑ebenfalls ungeachtet entgegenstehender Bestimmungen eines DBA‑‑ auch auf laufende Einkünfte aus der Beteiligung an der Personengesellschaft, auf die die in Satz 1 genannten Wirtschaftsgüter oder Anteile übertragen oder überführt wurden. § 50i Abs. 1 Satz 3 EStG ist hinsichtlich der laufenden Einkünfte aus Beteiligungen an der Personengesellschaft in allen Fällen anzuwenden, in denen die Einkommensteuer noch nicht bestandskräftig festgesetzt worden ist (§ 52 Abs. 48 Satz 2 EStG).

Die von § 50i Abs. 1 Satz 4 EStG angeordnete sinngemäße Geltung des Satzes 1 bedeutet, dass sämtliche in diesem Satz genannten Tatbestandsmerkmale auch bei der Prüfung des Satzes 4 erfüllt sein müssen (modifizierte Rechtsgrundverweisung); eine Modifikation erfolgt lediglich insoweit, als dass die Übertragung oder Überführung eines in § 50i Abs.´1 Satz 1 EStG genannten Wirtschaftsguts nicht in das Betriebsvermögen einer gewerblich geprägten Personengesellschaft erfolgen muss, sondern in das Betriebsvermögen einer Besitz-Personengesellschaft oder eines Besitz-Einzelunternehmens im Rahmen einer Betriebsaufspaltung.

Dementsprechend setzt auch § 50i Abs. 1 Satz 4 EStG eine Übertragung oder Überführung eines Wirtschaftsguts in das Betriebsvermögen der Besitz-Personengesellschaft oder des Besitz-Einzelunternehmens voraus. Für dieses Verständnis sprechen sowohl der Wortlaut als auch das Telos und die Systematik der Vorschrift.

Im Streitfall war das FG zutreffend davon ausgegangen, dass sich das Betriebsvermögen einer Personengesellschaft im Sinne des § 50i Abs.1 EStG aus dem gesamthänderisch gebundenen Vermögen und dem Sonderbetriebsvermögen im Sinne des § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG zusammensetzt. Denn der Wortlaut des § 50i Abs. 1 EStG unterscheidet zwischen diesen beiden Arten des Betriebsvermögens einer Mitunternehmerschaft nicht.

Die Übertragung oder Überführung eines in § 50i Abs. 1 Satz 1 EStG genannten Wirtschaftsguts muss jedoch "von außen" in das Betriebsvermögen einer Besitz-Personengesellschaft vorgenommen worden sein; maßgeblicher Anknüpfungszeitpunkt für die Prüfung, ob eine Übertragung oder Überführung im Sinne des § 50i Abs. 1 EStG stattgefunden hat, ist daher der Zeitpunkt, zu dem das Wirtschaftsgut erstmals in das (Sonder-)Betriebsvermögen der Besitz-Personengesellschaft gelangt ist.

Ein Transfer von Wirtschaftsgütern innerhalb des Betriebsvermögens derselben Personengesellschaft zwischen ihrem Gesamthands- und ihrem Sonderbetriebsvermögen oder zwischen verschiedenen Sonderbetriebsvermögen ist keine (weitere) Überführung "in" das Betriebsvermögen der Personengesellschaft. Denn wenn ein Wirtschaftsgut bereits Betriebsvermögen einer Personengesellschaft ist, kann es nicht mehr in ein solches übertragen oder überführt werden.

Die Verwirklichung des Tatbestands des § 50i Abs. 1 EStG scheidet ferner dann aus, wenn das Wirtschaftsgut im Zeitpunkt seiner Übertragung oder Überführung keine stillen Reserven enthält. Denn der Tatbestand setzt das Vorhandensein stiller Reserven voraus. Nur dann kann ihre Besteuerung im Zeitpunkt der Übertragung oder Überführung unterblieben sein. Dementsprechend findet der Tatbestand insbesondere dann keine Anwendung, wenn der Zeitpunkt, zu dem ein Wirtschaftsgut oder der Anteil im Sinne des § 17 EStG hergestellt worden ist, zeitlich mit dem Zeitpunkt der Übertragung oder Überführung in das Betriebsvermögen der Besitz-Personengesellschaft zusammenfällt. Denn im Herstellungszeitpunkt existieren noch keine von § 50i Abs. 1 EStG vorausgesetzten stillen Reserven.

Entsprechendes gilt, wenn das Wirtschaftsgut im Zeitpunkt des entgeltlichen Erwerbs zu Marktkonditionen Betriebsvermögen der Gesellschaft geworden ist. Denn in diesem Fall sind etwaige stille Reserven auf der Seite des Veräußerers besteuert; dementsprechend sind keine stillen Reserven in das Betriebsvermögen der Personengesellschaft übergegangen. Der entgeltliche Erwerb von Sonderbetriebsvermögen durch den Gesellschafter ist regelmäßig in gleicher Weise zu beurteilen wie der entgeltliche Erwerb von Gesamthandsvermögen durch die Personengesellschaft. Denn in der juristischen Sekunde zwischen dem entgeltlichen Erwerb im Privatvermögen des Gesellschafters und der Einlage in das Sonderbetriebsvermögen der Personengesellschaft können regelmäßig keine stillen Reserven entstanden sein.

Der BFH hob die Entscheidung des FG auf und verwies den Streitfall zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das FG zurück. Denn auf der Grundlage der bisher getroffenen Feststellungen lassen sich im Streitfall weder sämtliche Tatbestandsmerkmale des § 50i Abs. 1 Satz4 EStG bejahen noch ist die Anwendung der Vorschrift  ausgeschlossen.
Verlag Dr. Otto Schmidt