03.02.2016

Auslegung des Klagebegehrens einer Anfechtungsklage gegen einen Gewinnfeststellungsbescheid durch den BFH

Der BFH ist bei der Auslegung des Klagebegehrens nicht an die Auslegung des FG und die von ihm verfassten Anträge gebunden. Der Gewinnfeststellungsbescheid kann mehrere Feststellungen enthalten, die selbständiger Gegenstand des Klagebegehrens sein können.

BFH 20.8.2015, IV R 12/12
Der Sachverhalt:
Der Tatbestand wurde aus Gründen des Steuergeheimnisses nicht veröffentlicht. Aus den Entscheidungsgründen ergab sich aber, dass der Kläger als Mitunternehmer einer Personengesellschaft (Klägerin) entgeltlich auf die allein ihm zustehende Nutznießung an den Anteilen der X-AG verzichtet hatte: Die Einnahmen aus dem Verzicht wurden in der Gesamthandsbilanz der Klägerin und nicht in einer Sonderbilanz für den Kläger erfasst.

Das FG gab der Klage statt. Während des vom Finanzamt betriebenen Revisionsverfahrens erging ein nach § 164 Abs. 2 AO geänderter Gewinnfeststellungsbescheid 2006. Infolgedessen war das FG-Urteil bereits aus verfahrensrechtlichen Gründen aufzuheben, da ihm ein nicht mehr existierender Bescheid zu Grunde lag. Der BFH gab der Klage gegen den Gewinnfeststellungsbescheid 2006 überwiegend statt.

Gründe:
Klagebegehren war dahingehend auszulegen, dass von vornherein nur die Feststellung des Gewinns aus der Gesamthandsbilanz der Klägerin angefochten werden sollte. Der BFH kann die Klageschrift ohne Bindung an die Feststellungen des FG selbst auslegen. Als prozessuale Willenserklärung ist die Klageschrift in gleicher Weise wie Willenserklärungen i.S.d. BGB analog § 133 BGB auszulegen. Infolgedessen konnte der Gewinnfeststellungsbescheid nicht dahin umgedeutet werden, dass er zumindest konkludent, auch ohne einen entsprechenden ausdrücklichen Regelungsausspruch, die selbständige Feststellung eines dem Kläger zuzurechnenden Sondergewinns enthielt.

Zwar wurde in der dem ursprünglichen Gewinnfeststellungsbescheid beigefügten Anlage ausgeführt, dass der Ablösebetrag für den Nießbrauch als Sonderbetriebseinnahme des Klägers berücksichtigt werde. Weiter wurde erläutert, dass die von der Klägerin erklärten Einkünfte aus Gewerbebetrieb sich um eine Gewerbesteuerrückstellung verminderten, was sich auf die Einkünfte aus Gewerbebetrieb auswirke. Die Ausführungen in der Anlage können den Regelungsausspruch im Gewinnfeststellungsbescheid aber grundsätzlich weder erweitern noch ergänzen. Sie dienen lediglich dazu, einen bestimmten Regelungsausspruch (hier die Feststellung des Gesamthandsgewinns) näher zu erläutern.

Davon ausgehend war der von den Klägern bereits mit dem Klagebegründungsschriftsatz angekündigte und in der mündlichen Verhandlung gestellte Antrag, die festgestellten Einkünfte aus Gewerbebetrieb des Klägers bei der Klägerin um die Einnahmen aus der "Veräußerung" des "Ertragsnießbrauchsrechts" zu reduzieren und die "Einnahmen" der Klägerin festzustellen, rechtsschutzgewährend dahin auszulegen, dass damit die Änderung des Gewinnfeststellungsbescheids dahingehend begehrt worden war, dass der Gewinn aus der Gesamthandsbilanz unter Außerachtlassung des Entgelts für den Verzicht auf die Nutznießung niedriger festzustellen sei. Das Klagebegehren konnte deshalb, anders als das FG meinte, nicht als isolierte Anfechtung der Sonderbetriebseinnahmen des Klägers ausgelegt werden. Eine solche Auslegung scheiterte schon daran, dass weder in dem ursprünglichen Gewinnfeststellungsbescheid noch in dem hier streitgegenständlichen Gewinnfeststellungsbescheid die Feststellung eines Sondergewinns für den Kläger enthalten war.

Infolgedessen war die Klage überwiegend begründet. Die Feststellung des Gewinns aus der Gesamthandsbilanz war insoweit fehlerhaft, als das Entgelt für den Verzicht auf die Nutznießung an den Anteilen der X-AG in die Berechnung des Gesamthandsgewinns mit eingeflossen war. Dies führte jedoch nicht zu einer vollständigen Stattgabe der Klage, weil bedingt durch die Herabsetzung des Gesamthandsgewinns die von dem Finanzamt berücksichtigte Gewerbesteuerrückstellung ebenfalls rückgängig zu machen war. Die Nutznießung hatte allein dem Kläger zugestanden und war nicht in der Gesamthandsbilanz der Klägerin, sondern allenfalls in einer für den Kläger zu erstellenden Sonderbilanz zu erfassen. Entsprechend konnte das Entgelt für den Verzicht auf die Nutznießung allenfalls als Sonderbetriebseinnahme des Klägers den Gesamtgewinn (nicht zu verwechseln mit dem Gesamthandsgewinn) der Klägerin erhöhen.

Linkhinweis:

  • Der Volltext der Entscheidung ist auf der Homepage des BFH veröffentlicht.
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