10.08.2016

Ausschluss früherer Beamter vom Richteramt

Da für den Tatbestand des § 41 Nr. 4 ZPO ein tatsächliches Auftreten als Vertreter nicht erforderlich ist, ist ein (Finanz-)Beamter, der kraft Gesetzes oder aufgrund erteilten generellen oder einzelnen Auftrages Vertreter einer Behörde war und nunmehr Richter wird, von der Mitwirkung an allen Sachen ausgeschlossen, die bereits vor seiner Übernahme in das Richterverhältnis anhängig waren und somit von ihm hätten vertreten werden können. Die Ausschließung ist unverzichtbar und in jeder Lage des Verfahrens von Amts wegen zu berücksichtigen.

BFH 7.6.2016, I B 159/15
Der Sachverhalt:
Der Kläger ist ein Schweizer Staatsbürger und er war in den Streitjahren 2004 bis 2006 unbeschränkt steuerpflichtig. Er stritt mit dem Finanzamt darüber, ob seine in der Schweiz erzielten Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit abkommensrechtlich im Inland besteuert werden durften und ob die aus einer Steuerfahndungsprüfung gewonnenen Erkenntnisse die Steuerbehörde dazu berechtigt hatten, frühere Steuerbescheide, in denen der Kläger als beschränkt steuerpflichtig veranlagt worden war, aufzuheben und Bescheide zu erlassen, durch die die Steuer auf der Grundlage einer unbeschränkten Steuerpflicht des Klägers neu festgesetzt wurde.

Das FG gab der Klage statt. Daraufhin beantragte das Finanzamt mit seiner Beschwerde, die Revision gegen das FG-Urteil zuzulassen und machte u.a. geltend, dass eine an dem FG-Urteil mitwirkende Richterin im Streitfall von Gesetzes wegen von der Ausübung des Richteramtes ausgeschlossen sei. Der BFH hielt die Nichtzulassungsbeschwerde für begründet, hob das Urteil der Vorinstanz auf und wies die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an einen anderen Senat des FG zurück.

Die Gründe:
Das FG-Urteil konnte keinen Bestand haben, weil die daran mitwirkende Richterin für den für den vorliegenden Fall von der Ausübung des Richteramts ausgeschlossen war.

Nach der gem. § 51 Abs. 1 FGO im Finanzgerichtsprozess sinngemäß anwendbaren Bestimmung des § 41 Nr. 4 ZPO ist ein Richter u.a. von der Ausübung des Richteramts kraft Gesetzes ausgeschlossen, wenn er in der Sache als Prozessbevollmächtigter oder Beistand einer Partei bestellt oder als gesetzlicher Vertreter einer Partei aufzutreten berechtigt ist oder gewesen ist. Da für den Tatbestand des § 41 Nr. 4 ZPO ein tatsächliches Auftreten als Vertreter nicht erforderlich ist, ist ein (Finanz-)Beamter, der kraft Gesetzes oder aufgrund erteilten generellen oder einzelnen Auftrages Vertreter einer Behörde war und nunmehr Richter wird, von der Mitwirkung an allen Sachen ausgeschlossen, die bereits vor seiner Übernahme in das Richterverhältnis anhängig waren und somit von ihm hätten vertreten werden können.

Im vorliegenden Fall war eine solche Konstellation gegeben. Denn die Richterin war ausweislich der Angaben des Finanzamtes und des von diesem vorgelegten Geschäftsverteilungsplans für das Jahr 2012, in dem die Sache beim FG anhängig geworden war, selbst Sachgebietsleiterin und Stellvertreterin desjenigen Sachgebietsleiters, der die Rechtsbehelfsstelle geleitet hat, in der die Streitsache bearbeitet worden war; sie war außerdem aufgrund einer Generalvollmacht ermächtigt, das Finanzamt in allen stattfindenden Terminen beim FG zu vertreten und alle Erklärungen für und gegen die Behörde abzugeben. Darauf, ob sie in ihrer Zeit als Vertreterin des Finanzamtes tatsächlich mit der Streitsache befasst war, kam es nicht an.

Da die Ausschließung unverzichtbar und in jeder Lage des Verfahrens von Amts wegen zu berücksichtigen war, stand der Aufhebung und Zurückverweisung nicht entgegen, dass das Finanzamt diese nicht bereits in erster Instanz gegenüber dem FG gerügt hatte.

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