19.10.2023

Außergewöhnliche Belastungen bei Unterbringung in einer Wohngemeinschaft

Aufwendungen für die krankheits-, pflege- und behinderungsbedingte Unterbringung in einer dem jeweiligen Landesrecht unterliegenden Wohngemeinschaft sind als außergewöhnliche Belastung zu berücksichtigen.

Kurzbesprechung
BFH v. 10.8.2023 - VI R 40/20

EStG § 33
WTG NW § 15, § 18, § 24, § 25, § 30 Abs 2, § 35


Der schwerbehinderte (Grad der Behinderung 100) und pflegebedürftige (Pflegegrad 4) Steuerpflichtige wohnte gemeinsam mit anderen pflegebedürftigen Menschen in einer Pflegewohngemeinschaft, deren Errichtung und Unterhaltung dem Wohn- und Teilhabegesetz des Landes Nordrhein-Westfalen (WTG NW) unterfiel. Dort wurde er rund um die Uhr von einem ambulanten Pflegedienst und Ergänzungskräften betreut, gepflegt und hauswirtschaftlich versorgt.

Die Aufwendungen für die Unterbringung (Kost und Logis) in der Pflegewohngemeinschaft machte er als außergewöhnliche Belastung gemäß § 33 EStG geltend. Das FA lehnte dies ab, da diese Aufwendungen nur bei einer vollstationären Heimunterbringung abzugsfähig seien.

Nach erfolgreichem Klageverfahren wies auch der BFH die vom FA eingelegte Revision als unbegründet zurück. Er stellte klar, dass Aufwendungen für die krankheits- oder pflegebedingte Unterbringung in einer dafür vorgesehenen Einrichtung grundsätzlich als außergewöhnliche Belastung abzugsfähig sind. Dies gilt nicht nur für Kosten der Unterbringung in einem Heim im Sinne des § 1 HeimG, sondern auch für Kosten der Unterbringung in einer Pflegewohngemeinschaft, die dem jeweiligen Landesrecht unterfällt.

Ausschlaggebend für den steuermindernden Abzug der Aufwendungen ist allein, dass die Pflegewohngemeinschaft ebenso wie das Heim zuvörderst dem Zweck dient, ältere oder pflegebedürftige Menschen oder Menschen mit Behinderung aufzunehmen und ihnen Wohnraum zu überlassen, in dem die notwendigen Betreuungs-, Pflege- und Versorgungsleistungen erbracht werden. Die Abzugsfähigkeit der Unterbringungskosten knüpft dagegen nicht daran an, dass dem Steuerpflichtigen -wie bei der vollstationären Heimunterbringung- Wohnraum und Betreuungsleistungen "aus einer Hand" zur Verfügung gestellt werden. Ausreichend ist, wenn er - wie im Streitfall - als (Mit)Bewohner einer Pflegewohngemeinschaft neben der Wohnraumüberlassung von einem oder mehreren externen (ambulanten) Leistungsanbietern (gemeinschaftlich organisiert) Betreuungs-, Pflege- und Versorgungsleistungen in diesen Räumlichkeiten bezieht.

Zu beachten ist jedoch, dass krankheits- oder pflegebedingt anfallende Kosten nur insoweit abzugsfähig sind, als sie zusätzlich zu den Kosten der normalen Lebensführung anfallen. Deshalb waren im Streitfall die tatsächlich angefallenen Unterbringungskosten um eine sogenannte Haushaltsersparnis zu kürzen. Deren Höhe bestimmt der BFH im Wege der Schätzung nach dem steuerlich abziehbaren Höchstbetrag für den Unterhalt unterhaltsbedürftiger Personen.
Verlag Dr. Otto Schmidt
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