15.09.2022

Bauabzugsteuer - Betriebsausgabenabzug des Leistungsempfängers bei Zahlungen an eine inaktive ausländische Domizilgesellschaft

Die Sperrwirkung des § 48 Abs. 4 Nr. 1 EStG greift auch dann ein, wenn der Leistungsempfänger i.S. des § 48 Abs. 1 Satz 1 EStG die Zahlungen an eine inaktive ausländische Domizilgesellschaft erbringt. Die durch § 48 Abs. 4 Nr. 1 EStG ausgelöste Ungleichbehandlung zwischen Bauleistungsempfängern und Auftraggebern von Leistungen aus anderen Dienstleistungssektoren verstößt nicht gegen Art. 3 Abs. 1 GG.

Kurzbesprechung
BFH v. 9. 6. 2022 - IV R 4/20

EStG § 48 Abs 1 S 1, § 48 Abs 1 S 4, § 48 Abs 4 Nr. 1
AO § 160 Abs 1 S 1, § 180 Abs 1 S 1 Nr. 2 Buchst a
GG Art 3 Abs 1


Im zweiten Rechtsgang war streitig, ob die von der Steuerpflichtigen ‑ einer GmbH & Co. KG i.L. ‑ an britische Subunternehmer geleisteten Zahlungen in voller Höhe als Betriebsausgaben abziehbar oder diese gemäß § 160 Abs. 1 Satz 1 AO wegen unterlassener Empfängerbenennung in Höhe von 70 % zu kürzen sind. Das FG vertrat die Auffassung, dass gemäß § 48 Abs. 4 Nr. 1 EStG die Vorschrift des § 160 Abs. 1 Satz 1 AO selbst dann nicht anwendbar sei, wenn es sich bei den britischen Subunternehmern um inaktive Domizilgesellschaften handeln sollte.

Der BFH folgte der Entscheidung der Vorinstanz und entschied, dass der Steuerpflichtigen im Rahmen des gesonderten Feststellungsverfahrens 2002 der Betriebsausgabenabzug gemäß § 48 Abs. 4 Nr. 1 EStG auch dann nicht nach § 160 Abs. 1 Satz 1 AO versagt werden darf, wenn die Zahlungen für Bauleistungen an inaktive ausländische Domizilgesellschaften erfolgt sind.

Nach § 160 Abs. 1 Satz 1 AO sind Schulden und andere Lasten, Betriebsausgaben, Werbungskosten und andere Ausgaben steuerlich regelmäßig nicht zu berücksichtigen, wenn der Steuerpflichtige dem Verlangen der Finanzbehörde nicht nachkommt, die Gläubiger oder Empfänger genau zu benennen.

Allerdings ist § 160 Abs. 1 Satz 1 AO gemäß § 48 Abs. 4 Nr. 1 EStG nicht anzuwenden, wenn der Leistungsempfänger den Steuerabzug angemeldet und abgeführt hat. Hiermit ist der Steuerabzug nach § 48 Abs. 1 Satz 1 EStG gemeint, wonach der Leistungsempfänger verpflichtet ist, von der Gegenleistung einen Steuerabzug in Höhe von 15 % für Rechnung des Leistenden vorzunehmen, wenn jemand im Inland eine Bauleistung (Leistender) an einen Unternehmer i.S. des § 2 UStG oder an eine juristische Person des öffentlichen Rechts (Leistungsempfänger) erbringt. Als Leistender gilt auch derjenige, der über eine Leistung abrechnet, ohne sie erbracht zu haben (§ 48 Abs. 1 Satz 4 EStG). Die Anmeldung und Abführung des Steuerabzugs (Bauabzugsteuer) durch den Leistungsempfänger regelt § 48a EStG.

Die Sperrwirkung des § 48 Abs. 4 Nr. 1 EStG greift auch bei Zahlungen an eine inaktive ausländische Domizilgesellschaft ein. Weder der Wortlaut und die Entstehungsgeschichte noch der Gesetzeszweck lassen die vom FA vertretene einschränkende Auslegung des § 48 Abs. 4 Nr. 1 EStG zu.

Im Streitfall konnte dahingestellt bleiben, ob und inwieweit § 42 AO neben § 48 Abs. 4 Nr. 1 EStG anwendbar ist. Denn das FG hatte in tatsächlicher Hinsicht keine Feststellungen getroffen, die Anhaltspunkte für einen Gestaltungsmissbrauch liefern könnten. Im Gegenteil hatte es ausgeführt, es lägen keine Umstände vor, wonach die Steuerpflichtige als Leistungsempfängerin § 48 Abs. 4 Nr. 1 EStG "instrumentalisiert" und sich den Abzug entgegen § 160 AO im Zusammenwirken mit einer formal als Subunternehmer eingeschalteten Domizilgesellschaft in rechtsmissbräuchlicher Weise erschlichen habe.

Der BFH ist auch nicht davon überzeugt, dass die von ihm vertretene Auslegung zu § 48 Abs. 4 Nr. 1 EStG gegen Art. 3 Abs. 1 GG verstößt. Die Privilegierung der Auftraggeber von Bauleistungen gegenüber den Auftraggebern von Leistungen aus anderen Dienstleistungssektoren, die bei Zahlungen an inaktive Domizilgesellschaften mit einer Versagung des Betriebsausgabenabzugs nach § 160 Abs. 1 Satz 1 AO zu rechnen haben, verletzt nach seiner Auffassung nicht den Gleichheitssatz.
Verlag Dr. Otto Schmidt
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