07.07.2022

Beendigung der Selbstnutzung eines Familienheims

Der Erwerber eines erbschaftsteuerrechtlich begünstigten Familienheims ist aus zwingenden Gründen an dessen Nutzung zu eigenen Wohnzwecken gehindert, wenn die Selbstnutzung objektiv unmöglich oder aus objektiven Gründen unzumutbar ist. Zweckmäßigkeitserwägungen reichen nicht aus. Gesundheitliche Beeinträchtigungen können zwingende Gründe darstellen, wenn sie dem Erwerber eine selbständige Haushaltsführung in dem erworbenen Familienheim unmöglich machen.

Kurzbesprechung
BFH v. 1. 12. 2021 - II R 18/20

ErbStG § 13 Abs 1 Nr. 4c S 5
FGO § 118 Abs 2


Die Steuerpflichtige hatte das von ihrem Vater ererbte Einfamilienhaus zunächst selbst bewohnt, war aber bereits nach sieben Jahren ausgezogen. Im Anschluss wurde das Haus abgerissen. Gegenüber dem FA und dem FG machte sie erfolglos geltend, sie habe sich angesichts ihres Gesundheitszustands kaum noch in dem Haus bewegen und deshalb ohne fremde Hilfe dort nicht mehr leben können. Die nach erfolglosem Einspruch eingelegte Klage blieb erfolglos. Das FG vertrat die Auffassung, die gesundheitlichen Probleme seien kein zwingender Grund für den Auszug, da sich die Steuerpflichtige fremder Hilfe hätte bedienen können.

Der BFH hob das Urteil des FG auf und verwies die Streitsache an das FG zurück.

Grundsätzlich setzt die Steuerbefreiung gemäß § 13 Abs. 1 Nr. 4c des Erbschaft- und Schenkungsteuergesetzes voraus, dass der Erbe für zehn Jahre das geerbte Familienheim selbst nutzt, es sei denn, er ist aus "zwingenden Gründen" daran gehindert. "Zwingend", so der BFH, erfasst nicht nur den Fall der Unmöglichkeit, sondern auch die Unzumutbarkeit der Selbstnutzung des Familienheims.

Reine Zweckmäßigkeitserwägungen, wie etwa die Unwirtschaftlichkeit einer Sanierung, genügen zwar nicht. Anders ist jedoch der Fall zu beurteilen, wenn der Erbe aus gesundheitlichen Gründen für eine Fortnutzung des Familienheims so erheblicher Unterstützung bedarf, dass nicht mehr von einer selbständigen Haushaltsführung gesprochen werden kann. Das FG muss daher im zweiten Rechtsgang unter Mitwirkung der Steuerpflichtigen das Ausmaß ihrer gesundheitlichen Beeinträchtigungen prüfen.
Verlag Dr. Otto Schmidt
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