02.03.2023

Beitrittsaufforderung: BMF-Richtsätze als geeignete Schätzungsgrundlage

Das BMF wird aufgefordert, dem Revisionsverfahren beizutreten, um zu der Frage Stellung zu nehmen, ob und ‑‑wenn ja‑‑ unter welchen Voraussetzungen ein äußerer Betriebsvergleich in Gestalt einer Schätzung anhand der Richtsätze der amtlichen Richtsatzsammlung des BMF zulässig ist.

Kurzbesprechung
BFH-Beschluss v. 14.12.2022 - X R 19/21

FGO § 122 Abs 2 S 3
AO § 162 Abs 1, § 162 Abs 2 S 1, § 162 Abs 2 S 2


Nach § 162 Abs. 1 Satz 1 AO hat die Finanzbehörde die Besteuerungsgrundlagen zu schätzen, soweit sie diese nicht ermitteln oder berechnen kann; § 96 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 2 FGO i.V.m. § 162 AO gibt dem FG eine eigene Schätzungsbefugnis.

Nach § 162 Abs. 1 Satz 2 AO (i.V.m. § 96 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 2 FGO) sind bei der Schätzung alle Umstände zu berücksichtigen, die für sie von Bedeutung sind. Die Schätzungsergebnisse müssen schlüssig, wirtschaftlich möglich und vernünftig sein.

Bislang hat die höchstrichterliche Rechtsprechung die Schätzung von Besteuerungsgrundlagen durch einen äußeren Betriebsvergleich anhand der aus der amtlichen Richtsatzsammlung des BMF zu entnehmenden Richtsätze grundsätzlich als "anerkannte Schätzungsmethode" bewertet. Der BFH hat zudem wiederholt klargestellt, dass die amtlichen Richtsätze keine Rechtsnormen sind, sondern nur anerkannte Hilfsmittel der Verprobung und Schätzung der Umsätze und Gewinne.

Dennoch sich der BFH bislang in keiner Entscheidung näher damit auseinandergesetzt, auf welchen Grundlagen und Parametern die Richtsätze des BMF beruhen, wie sie zustande kommen und welche Auswirkungen sich hieraus auf die Tauglichkeit eines äußeren Betriebsvergleichs anhand der Richtsatzsammlung ergeben.

In Anbetracht der insbesondere für die steuerrechtliche, aber auch für die steuerstrafrechtliche Praxis erheblichen Bedeutung der Verprobung und Schätzung von Besteuerungsgrundlagen anhand der amtlichen Richtsatzsammlung hält der BFH es für sachgerecht, das BMF ‑ auch mit Blick auf dessen Herausgeberschaft der Sammlung ‑ am Revisionsverfahren zu beteiligen. Dies gilt auch vor dem Hintergrund, dass weiterhin Klärungsbedarf über das Zustandekommen der einzelnen Richtsätze besteht und statistische Unzulänglichkeiten eingewandt werden.

Unklar erscheint insbesondere,
 
  • welche Einzeldaten mit welchem Gewicht in die Ermittlung der Richtsätze der jeweiligen Gewerbeklasse einfließen, wie die Repräsentativität der Daten sichergestellt wird und ob es Einzeldaten gibt, die von vornherein ausgeschlossen werden;
  • ob die regional zum Teil erheblich unterschiedliche Höhe fixer Betriebskosten (insbesondere Raum- und Personalkosten) der Festlegung bundeseinheitlicher Richtsätze entgegensteht;
  • weshalb die Ergebnisse von Außenprüfungen bei sog. Verlustbetrieben unberücksichtigt bleiben, obwohl auch solche Betriebe grundsätzlich einen positiven Rohgewinnaufschlagsatz ausweisen;
  • ob ganz oder teilweise erfolgreiche Rechtsbehelfe des Steuerpflichtigen gegen die auf eine Außenprüfung ergangenen Steuerbescheide Eingang in die Richtsatzsammlung finden.

Zudem stellt sich die Frage, wie dem Steuerpflichtigen ermöglicht werden kann, das Ergebnis einer Schätzung auf der Grundlage der amtlichen Richtsatzsammlung ‑‑insbesondere auch im Hinblick auf die spezifischen Daten, die dieser Sammlung zugrunde liegen‑‑ nachzuvollziehen und zu überprüfen.

Verlag Dr. Otto Schmidt
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