11.08.2022

Berechnung der Überentnahmen i.S. des § 4 Abs. 4a Sätze 2 und 3 EStG bei der sinngemäßen Anwendung der Regelungen auf Einnahmenüberschussrechner

1. Auch bei Steuerpflichtigen mit einer Gewinnermittlung nach § 4 Abs. 3 EStG ist im Rahmen der sinngemäßen Anwendung des § 4 Abs. 4a Sätze 2 und 3 EStG periodenübergreifend zu ermitteln, ob im betrachteten Gewinnermittlungszeitraum Überentnahmen vorliegen.
2. Überentnahmen sind bei Einnahmenüberschussrechnern nicht auf die Höhe eines niedrigeren negativen Kapitalkontos zu begrenzen, das zum Ende des jeweiligen Gewinnermittlungszeitraums nach bilanziellen Grundsätzen vereinfacht ermittelt wird.

Kurzbesprechung
BFH v. 17. 5. 2022 - VIII R 38/18

EStG § 4 Abs 3, § 4 Abs 4a S 1, § 4 Abs 4a S 2, § 4 Abs 4a S 3, § 4 Abs 4a S 4, § 4 Abs 4a S 5, § 4 Abs 4a S 6, § 52 Abs 6 S 7, § 52 Abs 6 S 8

Gemäß § 4 Abs. 4a Satz 6 Halbsatz 1 EStG sind bei der Gewinnermittlung nach § 4 Abs. 3 EStG die Sätze 1 bis 5 des § 4 Abs. 4a EStG sinngemäß anzuwenden. Schuldzinsen sind gemäß § 4 Abs. 4a Satz 1 EStG nach Maßgabe der Sätze 2 bis 4 nicht abziehbar, wenn Überentnahmen getätigt worden sind.

Eine Überentnahme ist der Betrag, um den die Entnahmen die Summe des Gewinns und der Einlagen des Wirtschaftsjahres übersteigen (§ 4 Abs. 4a Satz 2 EStG). Die nicht abziehbaren Schuldzinsen werden typisiert mit 6 % der Überentnahme des Wirtschaftsjahres zuzüglich der Überentnahmen vorangegangener Wirtschaftsjahre und abzüglich der Beträge, um die in den vorangegangenen Wirtschaftsjahren der Gewinn und die Einlagen die Entnahmen überstiegen haben (Unterentnahmen), ermittelt; bei der Ermittlung der Überentnahme ist vom Gewinn ohne Berücksichtigung der gemäß § 4 Abs. 4a EStG nicht abziehbaren Schuldzinsen auszugehen (§ 4 Abs. 4a Satz 3 EStG).

Der sich dabei ergebende Betrag, höchstens jedoch der um 2.050 € verminderte Betrag der im Wirtschaftsjahr angefallenen Schuldzinsen, ist dem Gewinn hinzuzurechnen (§ 4 Abs. 4a Satz 4 EStG). Der Abzug von Schuldzinsen für Darlehen zur Finanzierung von Anschaffungs- oder Herstellungskosten von Wirtschaftsgütern des Anlagevermögens bleibt unberührt (§ 4 Abs. 4a Satz 5 EStG).

Die Beschränkung des Schuldzinsenabzugs nach § 4 Abs. 4a EStG ist periodenübergreifend angelegt. Dies folgt aus dem Grundtatbestand in § 4 Abs. 4a Satz 1 EStG ("Überentnahmen"), insbesondere aber aus der Berechnungsvorschrift in § 4 Abs. 4a Satz 3 EStG. So können Schuldzinsen nach § 4 Abs. 4a EStG in einem Wirtschaftsjahr auch dann nicht abziehbar sein, wenn in diesem Jahr selbst keine Überentnahme zu verzeichnen ist, denn die nicht abziehbaren Schuldzinsen können auch ausschließlich auf den Überentnahmen früherer Jahre beruhen.

Die vorstehenden Grundsätze gelten auch im Rahmen der sinngemäßen Anwendung der Regelungen in § 4 Abs. 4a Sätze 1 bis 5 EStG auf Steuerpflichtige, die ihren Gewinn im Wege der Einnahmenüberschussrechnung ermitteln (§ 4 Abs. 4a Satz 6 Halbsatz 1 EStG). Die Begrenzung der Überentnahme eines Gewinnermittlungszeitraums auf die Höhe eines (vereinfacht ermittelten) niedrigeren bilanziellen negativen Eigenkapitals (wie im Streitfall vom Steuerpflichtigen begehrt) sieht das Gesetz nicht vor. Eine solche Auslegung widerspräche auch dem Normzweck der auf den Steuerpflichtigen sinngemäß anzuwendenden Regelungen in § 4 Abs. 4a Sätze 2 und 3 EStG und dem Zweck der Einnahmenüberschussrechnung i.S. des § 4 Abs. 3 EStG als vereinfachter Gewinnermittlungsmethode.

Es widerspräche der dargelegten Regelungsintention des § 4 Abs. 4a Sätze 2 und 3 EStG, wenn für Zwecke der Ermittlung der Überentnahmen im Rahmen einer Kontrollrechnung auf das bilanzielle Eigenkapital des Betriebs, das sich in der betrieblichen Totalperiode bis zum betrachteten Gewinnermittlungszeitraum ergibt, abgestellt und der jeweils günstigere Betrag herangezogen werden müsste. dass eine Überentnahme i.S. des § 4 Abs. 4a Sätze 2 und 3 EStG trotz eines positiven bilanziellen Eigenkapitals (positiven Kapitalkontos) des Betriebs in diesem Gewinnermittlungszeitraum vorliegen und die Hinzurechnung auslösen kann. Hieraus folgt auch, dass eine Überentnahme i.S. des § 4 Abs. 4a Sätze 2 und 3 EStG nicht auf ein niedrigeres bilanzielles negatives Eigenkapital des Betriebs in diesem Gewinnermittlungszeitraum zu begrenzen ist.
Verlag Dr. Otto Schmidt
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