30.10.2025

Besteuerung der Übertragung von Einzweck-Gutscheinen nach Inkrafttreten der Gutschein-Richtlinie

1. Ob ein Gutschein als Einzweck-Gutschein (§ 3 Abs. 14 Satz 1 des Umsatzsteuergesetzes ‑‑UStG‑‑) oder als Mehrzweck-Gutschein (§ 3 Abs. 15 Satz 1 UStG) anzusehen ist, beurteilt sich nach den Verhältnissen zum Zeitpunkt der Ausstellung des Gutscheins. Es kommt bei dieser Beurteilung nicht darauf an, ob ein Gutschein nach seiner Ausgabe zwischen Steuerpflichtigen übertragen werden kann, die im eigenen Namen handeln und in anderen Mitgliedstaaten als demjenigen ansässig sind, in dem der Leistungsort liegt.
2. Neuer Sachvortrag im Revisionsverfahren ist unzulässig (ständige Rechtsprechung, vgl. Urteile des Bundesfinanzhofs vom 27.11.2019 - XI R 35/17, BFHE 267, 542, BStBl II 2021, 252, Rz 54; vom 18.11.2021 - V R 38/19, BFHE 274, 355, Rz 59); dies gilt erst recht, wenn (...)

Kurzbesprechung
BFH-Beschluss v. 25.6.2025-XI R 14/24 (XI R 21/21)

EGRL 112/2006 Art 30a Nr. 2, EGRL 112/2006 Art 30b Abs 1 EGRL 112/2006 Art 30b Abs 2 UAbs 1
UStG § 3 Abs 13, UStG § 3 Abs 14 S 1, UStG § 3 Abs 14 S 2, UStG § 3a Abs 2 S 1, UStG § 3a Abs 5 S 1 Nr 1, UStG § 3a Abs 5 S 2 Nr 3, UStG § 13 Abs 1 Nr. 1 Buchst a S 4
AEUV Art 267
FGO § 118 Abs 2
EURL 2016/1065
UStAusfVerm/StRÄndG Art 9 Nr. 2 Buchst b


Im Streitfall vertrieb die Steuerpflichtige über ihren Internetshop Gutscheincodes zum Aufladen von Nutzerkonten für das X Netzwerk (ein elektronisches Portal mit digitalen Inhalten) an Endverbraucher mit einem deutschen Nutzerkonto (Länderkennung DE). Die Endverbraucher konnten im X Netzwerk viele verschiedene elektronische Dienstleistungen in Anspruch nehmen. Zuvor hatte die Steuerpflichtige die Codes von Zwischenhändlern aus anderen Mitgliedstaaten der Europäischen Union (EU) erworben.

X war bei Ausgabe der Codes davon ausgegangen, dass es sich um Einzweck-Gutscheine handelt. Die Steuerpflichtige erfasste die Umsätze in ihren Umsatzsteuererklärungen nicht, weil sie der Auffassung war, dass es sich bei den Codes um Mehrzweck-Gutscheine handele, weil der Erwerb über Zwischenhändler im EU-Ausland zulässig sei.

Einspruch und Klageverfahren blieben ohne Erfolg. Der BFH rief im Jahr 2022 zur Klärung dieser Frage den EuGH an (Beschluss v. 3.11.2022 - XI R 21/21). Der EuGH entschied mit Urteil Finanzamt O vom 18.4.2024 - C-68/23 (EU:C:2024:342), dass nur der Ort der Leistung an die Endverbraucher zum Zeitpunkt der Ausstellung dieses Gutscheins feststehen muss. Ob der Gutschein vor der Einlösung über Zwischenhändler übertragen wird, die in anderen Mitgliedstaaten ansässig sind, ist unerheblich. Ebenso wenig entscheidend ist, dass Gutscheincodes möglicherweise unter Verstoß gegen die Nutzungsbedingungen der X von Endverbrauchern aus anderen Mitgliedstaaten eingelöst werden.

Der BFH hat nun mit seinem Beschluss v. 25.6.2025 diese rechtlichen Vorgaben des EuGH nunmehr umgesetzt. Weil nach den tatsächlichen Feststellungen des FG nur eine Einlösung von in Deutschland ansässigen Endverbrauchern in Betracht kommt, steht der Ort der Leistung in Deutschland fest. Da nur digitale Inhalte, die dem Regelsteuersatz unterliegen, abrufbar waren, handelte es sich bei den Gutscheincodes um Einzweck-Gutscheine. Ihre Übertragung unterliegt der Umsatzsteuer. Die Einstufung, die X bei der erstmaligen Ausgabe der Gutscheincodes vorgenommen hatte, erwies sich daher als zutreffend. Die Besteuerung von Gutscheinen hängt nicht vom Vertriebsweg ab. Der Erwerb direkt beim ausgebenden Unternehmer wird genauso besteuert wie der Erwerb über einen oder mehrere Zwischenhändler.

Hinweis: Die Entscheidung des BFH erging zu Gutscheinen, die (unabhängig vom Zeitpunkt der Einlösung) nach dem 31.12.2018 ausgeben wurden. Zu Gutscheinen, die vor dem 1.1.2019 ausgegeben wurden, hatte der BFH bereits mit Beschluss vom 29.11.2022 - XI R 11/21 (BStBl. II 2023, 424) entschieden, dass es bei der Übertragung von Gutscheincodes zu einer Steuerentstehung kam, weil diese Codes wie eine Ware gehandelt wurden und außerdem die Anzahlungsbesteuerung eingriff. Die praktischen Ergebnisse nach alter und neuer Rechtslage unterscheiden sich mithin nicht.
Verlag Dr. Otto Schmidt