25.04.2013

Besteuerung nicht realisierter Wertzuwächse bei Transfer von Sitz oder Aktiva einer in Spanien ansässigen Gesellschaft in anderen Mitgliedsstaat unzulässig

Die spanischen Rechtsvorschriften, nach denen nicht realisierte Wertzuwächse besteuert werden, wenn eine in Spanien niedergelassene Gesellschaft ihren Sitz oder ihre Aktiva in einen anderen Mitgliedstaat transferiert, verstoßen gegen das Unionsrecht. Die Niederlassungsfreiheit steht zwar einer solchen Besteuerung nicht entgegen, wohl aber dem Erfordernis der sofortigen Zahlung der Steuer.

EuGH 25.4.2013, C-64/11
Der Sachverhalt:
Nach den spanischen Rechtsvorschriften über die Körperschaftsteuer werden die nicht realisierten Wertzuwächse in die Bemessungsgrundlage des Steuerjahrs einbezogen, falls eine in Spanien niedergelassene Gesellschaft ihren Sitz in einen anderen Mitgliedstaat verlegt oder ihre Aktiva dorthin verlagert oder wenn eine Betriebsstätte in Spanien ihre Tätigkeiten einstellt.

Da diese Vorgänge keine unmittelbare steuerliche Wirkung haben, wenn sie innerhalb des spanischen Hoheitsgebiets stattfinden, stellen solche Vorschriften nach Ansicht der Kommission eine diskriminierende Maßnahme und ein Hindernis für die Niederlassungsfreiheit dar, da sie die Gesellschaften, die diese Freiheit in Anspruch nehmen, dem Nachteil geringerer liquider Mittel aussetzen. Aus diesem Grund erhob die Kommission eine Vertragsverletzungsklage gegen Spanien vor dem EuGH.

Die Gründe:
Die Besteuerung nicht realisierter Wertzuwächse der Aktiva einer Betriebsstätte, die ihre Tätigkeiten in Spanien einstellt, stellt keine Beschränkung der Niederlassungsfreiheit dar. Denn diese Besteuerung ist nicht die Folge der Verlegung des Sitzes oder der Verlagerung der Aktiva einer im spanischen Hoheitsgebiet ansässigen Gesellschaft in einen anderen Mitgliedstaat, sondern folgt lediglich aus der Einstellung ihrer Tätigkeiten. Insoweit handelt es sich um einen rein innerstaatlichen Sachverhalt und nicht um eine unterschiedliche Behandlung von Sachverhalten, die unter die Niederlassungsfreiheit fallen.

Dagegen liegt bei der sofortigen Besteuerung nicht realisierter Wertzuwächse im Fall der Verlegung des Sitzes oder der Verlagerung der Aktiva einer in Spanien niedergelassenen Gesellschaft in einen anderen Mitgliedstaat eine Beschränkung der Niederlassungsfreiheit vor. Eine solche Gesellschaft erleidet in diesen Fällen eine finanzielle Benachteiligung gegenüber einer vergleichbaren Gesellschaft, die derartige Transfers innerhalb des spanischen Hoheitsgebiets vornimmt. Denn bei Letzterer werden die dadurch entstehenden Wertzuwächse erst dann in die Bemessungsgrundlage der Körperschaftsteuer einbezogen, wenn sie tatsächlich realisiert werden. Diese unterschiedliche Behandlung ist geeignet, eine Gesellschaft davon abzuhalten, ihre Tätigkeiten aus dem spanischen Hoheitsgebiet in einen anderen Mitgliedstaat zu verlagern.

Die festgestellte unterschiedliche Behandlung lässt sich auch nicht damit erklären, dass eine andere objektive Situation als bei Gesellschaften vorliegt, bei denen diese Vorgänge im Inland stattfinden. Mit den spanischen Rechtsvorschriften soll das rechtmäßige Ziel der Wahrung der Steuerhoheit Spaniens erreicht werden. Das Unionsrecht steht daher einer Ermittlung der Steuer auf die in Spanien erzielten nicht realisierten Wertzuwächse zu dem Zeitpunkt, zu dem die Besteuerungsbefugnis von Spanien gegenüber der betroffenen Gesellschaft endet - im vorliegenden Fall zum Zeitpunkt der Verlegung des Sitzes oder der Verlagerung der Aktiva in einen anderen Mitgliedstaat - grundsätzlich nicht entgegen.

Allerdings sind die zur Erreichung dieses Ziels getroffenen Maßnahmen nicht verhältnismäßig und gehen über das erforderliche Maß hinaus. Denn die Steuerhoheit Spaniens kann durch Maßnahmen gewahrt werden, die die Niederlassungsfreiheit weniger stark beeinträchtigen. So ist es möglich, die Zahlung der Steuerschuld erst nach dem Transfer zu verlangen, d.h. zu dem Zeitpunkt, zu dem der Wertzuwachs besteuert worden wäre, wenn die Gesellschaft keinen Transfer aus dem spanischen Hoheitsgebiet vorgenommen hätte.

Ferner reichen die zwischen den Behörden der Mitgliedstaaten bestehenden Mechanismen der gegenseitigen Unterstützung aus, um den Herkunftsstaat in die Lage zu versetzen, die Richtigkeit der Erklärungen von Gesellschaften zu überprüfen, die für einen Aufschub der Zahlung der Steuer optieren. Somit steht das Recht auf Niederlassungsfreiheit der Besteuerung der in einem bestimmten Hoheitsgebiet entstandenen Wertzuwächse auch dann nicht entgegen, wenn sie noch nicht realisiert wurden. Es steht aber dem Erfordernis der sofortigen Zahlung der Steuer entgegen.

Linkhinweis:

Für die auf den Webseiten des EuGH veröffentlichte Pressemitteilung klicken Sie bitte hier.

EuGH PM Nr. 53 vom 25.4.2013
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