14.10.2021

Besteuerung von Anteilszuteilungen durch eine EU-Kapitalgesellschaft - steuerneutrale Kapitalmaßnahmen i.S. des § 20 Abs. 4a EStG

1. Ein ausländischer Vorgang ist dann nicht mit einer Abspaltung i.S. des § 20 Abs. 4a Satz 7 EStG vergleichbar, wenn es an einer Übertragung von Vermögensteilen gegen Gewährung von Anteilen des übernehmenden Rechtsträgers an die Anteilsinhaber des übertragenden Rechtsträgers fehlt.
2. Die Ermittlung der Höhe des Kapitalertrags ist nicht bereits deshalb unmöglich i.S. des § 20 Abs. 4a Satz 5 EStG, weil die Anteile von einer ausländischen Gesellschaft zugeteilt werden.
3. Die Voraussetzungen des § 20 Abs. 4a Satz 5 EStG liegen jedenfalls dann nicht vor, wenn die Steuerbarkeit der Anteilszuteilung dem Grunde nach --wegen der Fiktion des § 27 Abs. 8 Satz 9 KStG-- und der Höhe nach --wegen eines vorhandenen Börsenkurses der zugeteilten Anteile-- feststeht.
4. Es ist fraglich, ob die Regelung des § 27 Abs. 8 Satz 9 KStG, die keine individuelle Nachweismöglichkeit einer Einlagenrückgewähr für Anteilseigner von EU-Kapitalgesellschaften im Veranlagungsverfahren vorsieht, unter Berücksichtigung der EuGH-Rechtsprechung mit den Vorgaben der Kapitalverkehrsfreiheit (Art. 63 AEUV) zu vereinbaren ist.

Kurzbesprechung
BFH v. 4.5.2021 - VIII R 14/20
BFH v. 4.5.2021 - VIII R 17/18

EStG § 20 Abs 1 Nr. 1 S 1, § 20 Abs 4a S 5, § 20 Abs 4a S 7
KStG § 27 Abs 8 S 9
AEUV Art 63


Die Beteiligten streiten in beiden Streitfällen um die einkommensteuerliche Behandlung der von einer ausländischen Kapitalgesellschaft vorgenommenen Zuteilung von Aktien an einem anderen Unternehmen.

Nach § 20 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 EStG gehören zu den Einkünften aus Kapitalvermögen u.a. Gewinnanteile (Dividenden), Ausbeuten und sonstige Bezüge aus Aktien. Unerheblich ist es insofern, ob es sich bei der ausschüttenden Gesellschaft um eine in- oder ausländische handelt. Mit der Einbuchung der Verizon-Aktien auf dem Depot sind dem Steuerpflichtigen Kapitalerträge i.S. des § 20 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 EStG in Form einer Sachausschüttung zugeflossen. Die Zuteilung der Aktien stellte auch keine Gegenleistung im Rahmen einer Veräußerung i.S. des § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 EStG dar. Die Aktienzusammenlegung war nicht "auslösendes Moment" für die Ausschüttungen. Für diesen als Sachausschüttung steuerbaren Kapitalertrag i.S. des § 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG der in Großbritannien ansässigen Gesellschaft steht der Bundesrepublik Deutschland abkommensrechtlich das Besteuerungsrecht zu.

Im Streitfall war das FG zutreffend davon ausgegangen, dass die Sachausschüttung gemäß § 27 Abs. 8 Satz 9 KStG nicht nach § 20 Abs. 1 Nr. 1 Satz 3 EStG von der Besteuerung auszunehmen ist. Außerdem waren die Voraussetzungen des § 20 Abs. 4a Satz 7 EStG nicht erfüllt sind. Danach gelten abweichend von § 20 Abs. 4a Satz 5 EStG und § 15 UmwStG die Sätze 1 und 2 der Regelung entsprechend, wenn Vermögen einer Körperschaft durch eine Abspaltung auf andere Körperschaften übergeht. Die Anwendung der Regelung hätte im Streitjahr zur Folge, dass die Anteilszuteilung steuerneutral erfolgt. Erforderlich ist der Vermögensübergang von einer Körperschaft auf eine andere Körperschaft durch Abspaltung. Eine Abspaltung gemäß § 123 Abs. 2 UmwG war im Streitfall jedoch wegen der Beteiligung ausschließlich ausländischer Rechtsträger nicht möglich (§ 1 Abs. 1 Nr. 2 UmwG).

Im Streitfall hielt jedoch die Entscheidung des FG, dass die Zuteilung der Verizon-Aktien gemäß § 20 Abs. 4a Satz 5 EStG keine Besteuerung auslöst, revisionsrechtlicher Prüfung nicht stand. Nach § 20 Abs. 4a Satz 5 EStG werden der Ertrag und die Anschaffungskosten von Anteilen i.S. des § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 EStG, die einem Steuerpflichtigen zugeteilt werden, ohne dass dieser eine gesonderte Gegenleistung zu entrichten hat, mit 0 € angesetzt, wenn die Voraussetzungen der Sätze 3 und 4 nicht vorliegen und die Ermittlung der Höhe des Kapitalertrags nicht möglich ist. Zwar ist die Regelung bei Auslandssachverhalten --und damit im Streitfall-- anwendbar. Jedoch ist auch bei diesen erforderlich, dass die Ermittlung der Höhe des Kapitalertrags nicht möglich ist. Dies wird nicht bereits deshalb unwiderleglich vermutet, weil die Anteile von einer ausländischen Gesellschaft zugeteilt wurden. Im Streitfall war es wegen der Fiktion des § 27 Abs. 8 Satz 9 EStG --vorbehaltlich dessen Unionsrechtskonformität -- gerade nicht zweifelhaft, dass eine --dem Grunde nach-- steuerpflichtige Sachausschüttung und keine Einlagenrückgewähr vorliegt. Zudem war die Ermittlung auch der Höhe des Kapitalertrags wegen des Börsenkurses der zugeteilten Aktien ohne weiteres möglich. Der BFH verwies daher den Streitfall an die Vorinstanz zwecks weiterer Sachverhaltsermittlung und erneuter Entscheidung zurück.

Darüber hinaus hält der BFH es für fraglich, ob die Regelung des § 27 Abs. 8 Satz 9 KStG, die keine individuelle Nachweismöglichkeit einer Einlagenrückgewähr für Anteilseigner von EU-Kapitalgesellschaften im Veranlagungsverfahren vorsieht, unter Berücksichtigung der EuGH-Rechtsprechung mit den Vorgaben der Kapitalverkehrsfreiheit (Art. 63 AEUV) zu vereinbaren ist.
Verlag Dr. Otto Schmidt
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