22.08.2025

Besteuerungsrecht für Einkünfte eines in Luxemburg angestellten Orchestermusikers im öffentlichen Dienst

Der bei einer Körperschaft des öffentlichen Rechts im Großherzogtum Luxemburg angestellte Orchestermusiker ist Künstler im Sinne von Art. 16 Abs. 1 DBA-Luxemburg 2012.

Kurzbesprechungen
BFH v. 20.3.2025 - VI R 25/23

EStG § 1 Abs 1 S 1, EStG § 2 Abs 1 S 1, EStG § 19
DBA LUX 2012 Art 3 Abs 1, DBA LUX 2012 Art 14, DBA LUX 2012 Art 16 Abs 1, DBA LUX 2012 Art 18 Abs 1 Buchst a, DBA LUX 2012 Art 18 Abs 3, DBA LUX 2012 Art 22 Abs 1 Buchst b DBuchst ff, DBA LUX 2012 Art 18 Abs 1, DBA LUX 1958 Art 5, DBA LUX 1958 Art 9, DBA LUX 1958 Art 11 Abs 2
GG Art 3 Abs 1


Die verheirateten Steuerpflichtigen wohnen in der Bundesrepublik Deutschland (Deutschland). Der Ehemann war im Streitjahr (2015) beim staatlichen Orchestre Philharmonique du Luxembourg im Großherzogtum Luxemburg (Luxemburg) beschäftigt und erzielte als Musiker Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit. Lohnsteuerlicher Arbeitgeber war das Établissement Public "Salle de concerts Grande-Duchesse Joséphine-Charlotte". Hierbei handelt es sich um eine Körperschaft des öffentlichen Rechts, die vom Kultusministerium des Großherzogtums subventioniert und von der Stadt Luxemburg unterstützt wird. Weder das Orchestre Philharmonique du Luxembourg noch das Établissement Public "Salle de concerts Grande-Duchesse Joséphine-Charlotte" sind nach ihrem staatlichen Kulturauftrag auf Gewinnerzielung ausgerichtet.

Das FA besteuerte die Einkünfte des Ehemannes im Streitjahr unter Anrechnung der luxemburgischen Steuer. Einspruch und Klage blieben ohne Erfolg. Im Revisionsverfahren entschied auch der BFH, dass der luxemburgische Arbeitslohn des Ehemannes in Deutschland gemäß Art. 16 Abs. 1 DBA-Luxemburg 2012 i.V.m. Art. 22 Abs. 1 Buchst. b Doppelbuchst. ff DBA-Luxemburg 2012 aus den nachfolgenden Gründen unter Anrechnung der bereits in Luxemburg gezahlten Einkommensteuer zu versteuern ist.

Die im Inland wohnhaften Steuerpflichtigen sind mit ihrem Welteinkommen in Deutschland unbeschränkt steuerpflichtig (§ 1 Abs. 1 Satz 1 und § 2 Abs. 1 Satz 1 EStG). Dies umfasst auch die Einkünfte des Ehemannes aus nichtselbständiger Arbeit im Sinne des § 19 EStG aus ausländischen Quellen, im Streitfall die Vergütungen, die der Ehemann im Streitjahr als angestellter Musiker in Luxemburg erhalten hatte. Das Deutschland nach innerstaatlichem Recht zustehende Besteuerungsrecht ist auch nicht nach Art. 18 Abs. 1 Buchst. a DBA-Luxemburg 2012 ausgeschlossen.

Nach Art. 18 Abs. 1 Buchst. a DBA-Luxemburg 2012 können Gehälter, Löhne und ähnliche Vergütungen, die von einem Vertragsstaat, einem seiner Länder oder einer ihrer Gebietskörperschaften oder einer anderen juristischen Person des öffentlichen Rechts dieses Staates an eine natürliche Person für die diesem Staat, einem seiner Länder, einer ihrer Gebietskörperschaften oder einer anderen juristischen Person des öffentlichen Rechts geleisteten Dienste gezahlt werden, nur in diesem Staat besteuert werden.

Zwar ist der streitgegenständliche Arbeitslohn dem Ehemann von einer luxemburgischen Körperschaft des öffentlichen Rechts für die dieser geleisteten Dienste gezahlt worden. Der Anwendung des Art. 18 Abs. 1 Buchst. a DBA-Luxemburg 2012 steht aber Art. 18 Abs. 3 DBA-Luxemburg 2012 entgegen, wonach auf Gehälter, Löhne und ähnliche Vergütungen für Dienstleistungen, die im Zusammenhang mit einer Geschäftstätigkeit eines Vertragsstaats, eines seiner Länder, einer ihrer Gebietskörperschaften oder einer anderen juristischen Person des öffentlichen Rechts dieses Staates erbracht werden, die Art. 14, 15, 16 oder 17 DBA-Luxemburg 2012 anzuwenden sind.

Vor diesem Hintergrund übt das Établissement Public "Salle de concerts Grande-Duchesse Joséphine-Charlotte" mit dem Orchestre Philharmonique du Luxembourg eine Geschäftstätigkeit im Sinne von Art. 18 Abs. 3 DBA-Luxemburg 2012 aus. Zwar ist die Philharmonie mit einem staatlichen Kulturauftrag versehen und soll das kulturelle Ansehen Luxemburgs fördern. Auch erweist sich das Betreiben des Orchesters als unwirtschaftlich und bedarf der staatlichen Förderung. Gleichwohl verfolgt die Philharmonie neben der Förderung der Kultur zumindest auch den Zweck, Einnahmen zu erzielen. Dabei hebt sich die Veranstaltung kostenpflichtiger Konzerte innerhalb der Gesamtbetätigung des Établissement Public "Salle de concerts Grande-Duchesse Joséphine-Charlotte" wirtschaftlich hervor.

Damit richtet sich die Besteuerung des luxemburgischen Arbeitslohns des Ehemannes, den er im Streitjahr als Musiker des Orchestre Philharmonique du Luxembourg erzielte, gemäß Art. 18 Abs. 3 DBA-Luxemburg 2012 nach den Art. 14, 15, 16 oder 17 DBA-Luxemburg 2012.

Gemäß Art. 14 Abs. 1 DBA-Luxemburg 2012 können vorbehaltlich der Art. 15 bis 19 DBA-Luxemburg 2012 Gehälter, Löhne und ähnliche Vergütungen, die eine in einem Vertragsstaat ansässige Person aus unselbständiger Arbeit bezieht, nur in diesem Staat besteuert werden, es sei denn, die Arbeit wird in dem anderen Vertragsstaat ausgeübt (Satz1). Wird die Arbeit dort ausgeübt, so können die dafür bezogenen Vergütungen in dem anderen Staat besteuert werden (Satz 2). In dem letztgenannten Fall wird die Doppelbesteuerung bei in Deutschland ansässigen Personen durch Freistellung der Gehälter, Löhne und ähnlichen Vergütungen von der Bemessungsgrundlage der Einkommensteuer vermieden (Art. 22 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a DBA-Luxemburg 2012).

Art. 14 Abs. 1 DBA-Luxemburg 2012 kam jedoch im Streitfall nicht zur Anwendung, weil die Voraussetzungen der gegenüber dieser Bestimmung vorrangigen Regelung des Art. 16 Abs. 1 DBA-Luxemburg 2012 erfüllt waren, der als lex specialis vorgeht. Nach seinem Wortlaut ist Art. 16 Abs. 1 DBA-Luxemburg 2012 "ungeachtet der Artikel 7 und 14 ..." anzuwenden.

Art. 14 Abs. 1 DBA-Luxemburg 2012 enthält entsprechend einen Anwendungsvorbehalt hinsichtlich der Art. 15 bis 19 DBA-Luxemburg 2012. Im Unterschied zu Art. 14 Abs. 1 Satz 2 i.V.m. Art. 22 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a DBA-Luxemburg 2012 wird die Doppelbesteuerung in diesem Fall nicht durch Ausnahme der Vergütung von der Bemessungsgrundlage der Einkommensteuer vermieden, sondern durch Anrechnung der in Luxemburg erhobenen Steuer auf die deutsche Steuer nach Maßgabe von Art. 22 Abs. 1 Buchst. b Doppelbuchst. ff DBA-Luxemburg 2012 i.V.m. § 34c EStG.

Der BFH verneinte auch einen Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG. Zwar wird der Ehemann als Künstler zum einen im Vergleich zu nichtkünstlerisch tätigen Arbeitnehmern (im Kunstbetrieb zum Beispiel Bühnenarbeiter oder angestellte Mitarbeiter hinter den Kulissen) unterschiedlich behandelt. Denn letztere nehmen in der Regel ‑‑ anders als der künstlerisch tätige Ehemann ‑‑ regelmäßig an der Freistellungs- und nicht "lediglich" an der Anrechnungsmethode teil. Zum anderen wird der Ehemann im Hinblick auf diese wie ein selbständiger Künstler behandelt, obwohl zwischen angestellten und freischaffenden Künstlern Unterschiede betreffend das Anstellungsverhältnis und damit einhergehend der Art der erzielten Einkünfte bestehen. Einen Gleichheitsverstoß sieht der BFH hierin jedoch nicht.
Verlag Dr. Otto Schmidt