19.11.2020

Bestimmung des Werts eines Anteils an einer Personengesellschaft für Zwecke der Erbschaftsteuer

§ 97 Abs. 1a BewG enthält Vorgaben zur Ermittlung des gemeinen Werts eines Anteils am Betriebsvermögen einer Personengesellschaft durch Aufteilung des gemeinen Werts des der Personengesellschaft gehörenden Betriebsvermögens.
Die Vorgaben des in § 97 Abs. 1a BewG enthaltenen Aufteilungsschemas sind auch dann zu beachten, wenn im Einzelfall der danach ermittelte Wert des Anteils von dem gemeinen Wert abweicht.
Der Steuerpflichtige kann einen niedrigeren gemeinen Wert des Anteils durch einen zeitnahen Verkauf oder ein Gutachten eines öffentlich bestellten und vereidigten Sachverständigen nachweisen. In einem solchen Fall ist eine Aufteilung nach § 97 Abs. 1a BewG nicht vorzunehmen.

Kurzbesprechung
BFH v. 17.6.2020 - II R 43/17

BewG § 11 Abs. 2, § 97 Abs. 1a, § 109 Abs. 2, § 151 Abs. 1 S. 1 Nr. 2
GG Art. 3 Abs. 1, Art 20 Abs 3


Gemäß § 151 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BewG ist u.a. gesondert festzustellen der Wert des Anteils am Betriebsvermögen gemäß §§ 95, 96 und 97 BewG, wenn der Wert für die Erbschaftsteuer von Bedeutung ist. Die Feststellung des Werts eines Anteils am Betriebsvermögen einer Personengesellschaft für Zwecke der Erbschaftsteuer setzt nicht voraus, dass sich der Betrieb noch in der werbenden Phase befindet. Vielmehr ist eine Feststellung noch über das Ende der werbenden Tätigkeit hinaus so lange durchzuführen, wie am Todestag als Bewertungsstichtag noch positives oder negatives Betriebsvermögen vorhanden ist.

Nach § 97 Abs. 1a BewG ist der gemeine Wert eines Anteils am Betriebsvermögen einer in § 97 Abs. 1 Satz 1 Nr.  5 BewG genannten Personengesellschaft wie folgt zu ermitteln und aufzuteilen:

1. Der nach § 109 Abs. 2 BewG ermittelte gemeine Wert des der Personengesellschaft gehörenden Betriebsvermögens (Gesamthandsvermögen) ist wie folgt aufzuteilen:

a) die Kapitalkonten aus der Gesamthandsbilanz sind dem jeweiligen Gesellschafter vorweg zuzurechnen;
b) der verbleibende Wert ist nach dem für die Gesellschaft maßgebenden Gewinnverteilungsschlüssel auf die Gesellschafter aufzuteilen; Vorabgewinnanteile sind nicht zu berücksichtigen.

2. Für die Wirtschaftsgüter und Schulden des Sonderbetriebsvermögens eines Gesellschafters ist der gemeine Wert zu ermitteln. Er ist dem jeweiligen Gesellschafter zuzurechnen.

3. Der Wert des Anteils eines Gesellschafters ergibt sich als Summe aus dem Anteil am Gesamthandsvermögen nach Nr. 1 und dem Wert des Sonderbetriebsvermögens nach Nr. 2.

§ 97 Abs. 1a BewG enthält Vorgaben zur Ermittlung des gemeinen Werts eines Anteils am Betriebsvermögen einer Personengesellschaft durch Aufteilung des nach § 109 Abs. 2 BewG ermittelten gemeinen Werts des der Personengesellschaft gehörenden Betriebsvermögens Nach diesen Vorgaben ist der gemeine Wert eines durch Erwerb von Todes wegen übergangenen Anteils des Erblassers und Gesellschafters am Gesamthandsvermögen einer Personengesellschaft in mehreren Schritten zu ermitteln und aufzuteilen.
  • Zunächst wird der gemeine Wert des der Personengesellschaft gehörenden Gesamthandsvermögens insgesamt nach § 109 Abs. 2 i.V.m. § 11 Abs. 2 BewG ermittelt.
  • In einem zweiten Schritt wird der so ermittelte gemeine Wert des Gesamthandsvermögens auf den Anteil, der Gegenstand der Bewertung ist, und die übrigen Anteile aufgeteilt. Dies erfolgt dadurch, dass die Kapitalkonten aus der Gesamthandsbilanz den jeweiligen Gesellschaftern vorweg zuzurechnen sind (§ 97 Abs. 1a Nr. 1 Buchst. a BewG).
  • Danach wird der verbleibende Unterschiedsbetrag zwischen dem gemeinen Wert des Gesamthandsvermögens der Personengesellschaft und der Summe der Kapitalkonten (verbleibender Wert des Betriebsvermögens) nach dem für die Personengesellschaft maßgebenden Gewinnverteilungsschlüssel aufgeteilt, wobei Vorabgewinnanteile nicht zu berücksichtigen sind (anteiliger verbleibender gemeiner Wert des Betriebsvermögens, § 97 Abs. 1a Nr. 1 Buchst. b BewG).
  • Im Anschluss werden für die aktiven Wirtschaftsgüter und Schulden des Sonderbetriebsvermögens die gemeinen Werte ermittelt und den Gesellschaftern getrennt zugerechnet (§ 97 Abs. 1a Nr. 2 BewG).
  • Der Wert des Anteils eines Gesellschafters am Gesamthandsvermögen einer Personengesellschaft ergibt sich sodann aus einer Addition des nach den dargestellten Vorgaben ermittelten Werts des Anteils des Gesellschafters am Gesamthandsvermögen und des Werts des ihm zuzurechnenden Sonderbetriebsvermögens (§ 97 Abs. 1a Nr. 3 BewG).


Die Vorgaben des in § 97 Abs. 1a BewG enthaltenen Aufteilungsschemas sind auch dann zu beachten, wenn im Einzelfall der danach ermittelte Wert des Anteils von dem gemeinen Wert abweicht. Denn § 97 Abs. 1a BewG beinhaltet eine typisierende und generalisierende Methode zur Ermittlung des gemeinen Werts eines Anteils an einer Personengesellschaft. Die Regelung soll dem Steuerpflichtigen und der Finanzverwaltung auf vereinfachte, schematische Weise die Wertbestimmung ermöglichen. Soweit sich im Einzelfall ein Unterschied zwischen dem nach dem BewG ermittelten Wert und dem gemeinen Wert ergibt, ist dies aufgrund der typisierenden Bewertungsmethoden hinzunehmen.

Das typisierende Aufteilungsschema des § 97 Abs. 1a BewG kann im Einzelfall zu einem positiven Wert des Anteils am Betriebsvermögen der Personengesellschaft und daher zu einer Bereicherung bei der Erbschaft- und Schenkungsteuer führen, auch wenn bei der Gesellschaft zu verteilendes Vermögen am Bewertungsstichtag tatsächlich nicht (mehr) vorhanden ist und ein Kaufpreis für den Anteil nicht gezahlt worden wäre. Dieser Fall kann eintreten, wenn das Betriebsvermögen der Personengesellschaft einen negativen Wert aufweist und der Anteil eines Gesellschafters mit einem positiven Kapitalkonto zu bewerten ist, während die Kapitalkonten der anderen Gesellschafter negativ sind.

Die Vorwegzurechnung des Werts des positiven Kapitalkontos nach § 97 Abs. 1a Nr. 1 Buchst. a BewG führt --wie im Streitfall-- zu einem positiven Wert des Anteils, wenn der Wert des positiven Kapitalkontos den verbleibenden Wert des Betriebsvermögens nach § 97 Abs. 1a Nr. 1 Buchst. b BewG übersteigt und Wirtschaftsgüter und Schulden des Sonderbetriebsvermögens nicht zuzurechnen sind. Die typisierende Aufteilung mit der Vorwegzurechnung des positiven Kapitalkontos stellt nicht darauf ab, ob ein Auszahlungsanspruch in Höhe des positiven Kapitalkontos tatsächlich besteht oder realisiert werden kann. Deshalb kommt es auch nicht darauf an, ob der Gesellschafter, für den ein negatives Kapitalkonto ausgewiesen ist, nach § 735 BGB, ggf. über §§ 105 Abs. 3, 161 Abs. 2 HGB nachschusspflichtig ist und insofern die Deckungslücke aufzufüllen hat, oder ob dies insbesondere wegen der Haftungsbeschränkung des Kommanditisten nach §§ 161 Abs. 1, 171 Abs. 1 HGB sowie der nur beschränkten Teilhabe am Verlust nach § 167 Abs. 3 HGB ausgeschlossen ist. Der BFH stellte heraus, dass es nicht zuletzt Zweck der Typisierung ist, die Ermittlung aller vermögensrechtlichen Rechte und Pflichten der Gesellschafter untereinander zu vermeiden.

Ist der Steuerpflichtige der Auffassung, der gemeine Wert des Anteils an der KG fällt zu seinen Gunsten niedriger aus, als sich aus der schematischen Aufteilung des § 97 Abs. 1a BewG ergibt, kann er einen niedrigeren gemeinen Wert aus einem zeitnahen Verkauf ableiten oder --sollte ein zeitnaher Verkauf nicht vorliegen-- durch ein Gutachten eines öffentlich bestellten und vereidigten Sachverständigen nachweisen, der den Wert unter Berücksichtigung der Ertragsaussichten der Gesellschaft oder einer anderen anerkannten, auch im gewöhnlichen Geschäftsverkehr für nichtsteuerliche Zwecke üblichen Methode ermittelt. In einem solchen Fall ist eine Aufteilung nach § 97 Abs. 1a BewG nicht vorzunehmen.

Im Streitfall hatte das FA den Wert des durch die Steuerpflichtige erworbenen Anteils der KG, die am Todestag unstreitig noch über positives und negatives Betriebsvermögen verfügte, zutreffend unter Anwendung des in § 97 Abs. 1a BewG vorgesehenen Schemas ermittelt und aufgeteilt sowie mit 117.894 € festgestellt.

Verlag Dr. Otto Schmidt
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