30.01.2013

Beweis des ersten Anscheins für private Nutzung eines betrieblichen Pkw wird bei Vorhandensein vergleichbarer privater Fahrzeuge entkräftet

Der Beweis des ersten Anscheins, der für eine private Nutzung betrieblicher Pkw spricht, ist entkräftet, wenn für private Fahrten andere vergleichbare Fahrzeuge zur Verfügung stehen. Diese müssen dem betrieblichen Fahrzeug in Status und Gebrauchswert vergleichbar sein.

BFH 4.12.2012, VIII R 42/09
Der Sachverhalt:
Die Revisionsbeklagten, A und B, sind die ehemaligen Gesellschafter der AB-GbR. Sie hatten sich zur GbR zusammengeschlossen, um im Rahmen dieser Gesellschaft ihre Anwaltstätigkeit auszuüben. Die Gesellschaft ermittelte ihren Gewinn nach § 4 Abs. 3 EStG. Seit 2006 ist die Gesellschaft aufgelöst. Im Rahmen der einheitlichen und gesonderten Feststellung von Besteuerungsgrundlagen für die GbR sowie der Umsatzsteuerfestsetzung 1999 streiten die Beteiligten über die Frage, ob für einen auf B zugelassenen Pkw Porsche 911 im Streitjahr ein privater Nutzungsanteil zu berücksichtigen ist.

Das Finanzamt setzte den von der Gesellschaft im Streitjahr erzielten Gewinn auf 236.286 DM fest. Darin enthalten war auch ein privater Nutzungsanteil für den Porsche 911 i.H.v. 21.166 DM. Das Finanzamt ging bei der Veranlagung davon aus, dass die Zulassung des zum Betriebsvermögen der Gesellschaft gehörenden Pkw Porsche 911 auf B während des gesamten Kalenderjahres bestanden habe. Entsprechend verfuhr das Finanzamt bei der Festsetzung der Umsatzsteuer.

Während des Klageverfahrens stellte sich heraus, dass der Porsche 911 im Streitjahr nur in der Zeit vom 22.4. bis 4.11.1999 auf B zugelassen war. Daneben war auf ihn während des gesamten Streitjahres ein in seinem Privatvermögen befindlicher Porsche 928 S4 zugelassen; gleiches gilt für den Zeitraum 22.7. bis 31.12.1999 für einen im Privatvermögen gehaltenen Volvo V70 T5. Die fünf zum Haushalt des B und seiner Ehefrau gehörenden Kinder waren im Streitjahr minderjährig.
Das FG gab der Klage insoweit statt, als das Finanzamt für den Zeitraum 1.1. bis 21.4.1999 sowie für die Zeit vom 22.7. bis 31.12.1999 einen privaten Nutzungsanteil angesetzt hatte; i.Ü. wies es die Klage ab. Die Revision des Finanzamts hatte vor dem BFH keinen Erfolg.

Die Gründe:
Angesichts der beiden privat zur Verfügung stehenden Fahrzeuge Porsche 928 S4 und Volvo V70 T5 ist der Anscheinsbeweis für die private Nutzung des Porsche 911 erschüttert. Es wäre Aufgabe des Finanzamts gewesen, die private Nutzung des Porsche 911 durch B im fraglichen Zeitraum zu beweisen. Diesen Beweis hat es jedoch nicht erbracht.

Nach allgemeiner Lebenserfahrung werden dienstliche oder betriebliche Fahrzeuge, die zu privaten Zwecken zur Verfügung stehen, auch tatsächlich privat genutzt. Dafür spricht der Beweis des ersten Anscheins. Dieser kann durch den sog. Gegenbeweis entkräftet oder erschüttert werden. Hierzu ist der Vollbeweis des Gegenteils nicht erforderlich. Die Revisionsbeklagten müssen also nicht beweisen, dass eine private Nutzung des Porsche 911 nicht stattgefunden hat. Erforderlich, aber auch ausreichend ist, dass ein Sachverhalt dargelegt (und im Zweifelsfall nachgewiesen) wird, der die ernsthafte Möglichkeit eines anderen als des der allgemeinen Erfahrung entsprechenden Geschehens ergibt.

Vorliegend hat das FG nach gründlicher Abwägung der Umstände des Streitfalls den Schluss gezogen, der Anscheinsbeweis für eine Privatnutzung des Pkw Porsche 911 sei für den hier in Frage stehenden Zeitraum 1.1. bis 21.4.1999 sowie für die Zeit vom 22.7. bis 31.12.1999 erschüttert. An diese Würdigung ist der Senat gebunden, denn sie ist verfahrensrechtlich einwandfrei zustande gekommen und weder durch Denkfehler noch durch die Verletzung von Erfahrungsgrundsätzen beeinflusst.

Es ist davon auszugehen, dass B jedenfalls ab dem 22.7.1999 vergleichbare Fahrzeuge zur Verfügung standen. Das gilt zunächst für den im Privatvermögen des B befindlichen und im gesamten Streitjahr auf diesen zugelassenen Porsche 928 S4, ein Fahrzeug, welches mit seiner Motorleistung dem im Betriebsvermögen befindlichen Porsche 911 sowohl in Ausstattung, Fahrleistung und unter Prestigegesichtspunkten in etwa vergleichbar war. Die Folgerung des FG, bei Gleichwertigkeit beider Fahrzeuge sei keine nachvollziehbare Veranlassung ersichtlich, für Privatfahrten das dienstliche bzw. betriebliche Fahrzeug zu nutzen, ist daher revisionsrechtlich nicht zu beanstanden.

Gegen eine private Nutzung des Porsche 911 nach dem 21.7.1999 sprechen auch die familiären Verhältnisse des B und der Umstand, dass auf ihn vom 22.7. bis 31.12.1999 noch ein Kombi Volvo V70 T5 zugelassen war, ein ebenfalls relativ stark motorisiertes und gut ausgestattetes Fahrzeug. Zwar hatte theoretisch auch die Ehefrau des B die Möglichkeit, für private Fahrten den Porsche 911 zu nutzen. Allerdings müssen Eltern kleinerer Kinder - hier: fünf Kinder zwischen vier und elf Jahren - nach allgemeiner Lebenserfahrung des Öfteren Transportaufgaben oder größere Einkäufe erledigen. Es erscheint naheliegend, dass für derartige Aufgaben eher ein Auto mit größerem Platzangebot und großem Kofferraum, wie zum Beispiel ein Kombi Volvo V70 T5, gewählt wird als ein Sportwagen.

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