05.01.2012

Das geltende Einkommensteuer-Vorauszahlungssystem mit gleichgroßen vierteljährlichen Teilbeträgen ist verfassungsgemäß

Vorauszahlungen auf die Einkommensteuer sind grundsätzlich in vier gleich großen Teilbeträgen zu leisten; eine Ausnahme hiervon kommt insbes. nicht in Betracht, soweit der Steuerpflichtige geltend macht, der Gewinn des laufenden Veranlagungszeitraums entstehe nicht gleichmäßig. Das geltende Vorauszahlungssystem ist verfassungsgemäß.

BFH 22.11.2011, VIII R 11/09
Der Sachverhalt:
Der Kläger begehrt, die vierteljährlichen Vorauszahlungen auf die Einkommensteuer u.a. in unterschiedlicher (ansteigender) Höhe festzusetzen.

Als Gesellschafter einer Sozietät von Rechtsanwälten erzielte der Kläger Einkünfte aus freiberuflicher Tätigkeit. Von 2002 bis 2007 setzte das Finanzamt die Einkommensteuer-Vorauszahlungen gegen den Kläger in der Weise fest, dass der Kläger am 10. Juni, 10. September und 10. Dezember jeweils 20 Prozent sowie Ende Januar des Folgejahres eine nachträgliche Vorauszahlung von 40 Prozent zu zahlen hatte; die Vorauszahlung für das jeweils erste Quartal wurde auf 0 € festgesetzt.

Dem war ein Gespräch zwischen dem Kläger und dem Finanzamt vorausgegangen. An diese Verfahrensweise sah sich das Finanzamt ab dem Veranlagungszeitraum 2007 nicht mehr gebunden; für den Veranlagungszeitraum 2007 kam es jedoch im Einspruchsverfahren noch einmal zu einer einvernehmlichen Lösung. Für 2008 setzte das Finanzamt gegen den Kläger (erstmals) vier gleich hohe Vorauszahlungen auf die Einkommensteuer fest.

Hiergegen richtet sich die Klage. Der Kläger behauptet, seine Kanzlei erziele regelmäßig nur etwa 30 Prozent ihres Gewinns im ersten Halbjahr. Er könne deshalb nicht verpflichtet sein, bis zum 10. Juni 50 Prozent der Steuern auf den voraussichtlichen Jahresgewinn zu entrichten. Ebenso könne er nicht verpflichtet sein, am 10. März mehr Steuern zu zahlen, als anteilig auf die ersten beiden Monate des Jahres entfielen.

Das FG wies die Klage ab. Die Revision des Klägers hatte vor dem BFH keinen Erfolg.

Die Gründe:
Das Finanzamt hat es zu Recht abgelehnt, die Vorauszahlungen gegen den Kläger deshalb in unterschiedlicher Höhe festzusetzen, weil der Gewinn der Sozietät im laufenden Veranlagungszeitraum und allgemein nicht stetig anwachse.

Die Vorschrift des § 37 EStG enthält keine ausdrückliche Bestimmung, nach welchem Maßstab die insgesamt zu entrichtenden Vorauszahlungen auf die einzelnen Termine zu verteilen sind. Trotz ihres insoweit unvollständigen Wortlauts ist die Vorschrift aber der ergänzenden Auslegung zugänglich und bedürftig. Die Auslegung ergibt, dass die insgesamt zu entrichtenden Vorauszahlungen grundsätzlich in gleich hohen Teilbeträgen festzusetzen sind. Eine Ausnahme hiervon kommt insbes. nicht in Betracht, soweit der Steuerpflichtige geltend macht, der Gewinn des laufenden Veranlagungszeitraums entstehe nicht gleichmäßig.

Für die Festsetzung von jeweils gleich hohen Teilbeträgen spricht die historische Rechtsentwicklung. Wie diese zeigt, hat sich der Gesetzgeber bewusst für ein Vorauszahlungssystem entschieden, das aus Vereinfachungsgründen ohne unterjährige Ermittlungen des Einkommens auskommt. Das schließt aus systematischen Gründen die Anwendung eines materiellen Maßstabs für die Bemessung der einzelnen Vorauszahlungen aus. Dies würde nicht nur von der Finanzverwaltung, sondern auch vom Steuerpflichtigen einen erheblichen Mehraufwand erfordern. Systemkonform ist allein ein rechnerischer Aufteilungsmaßstab, der ohne tatsächliche Ermittlungen im Einzelfall angewandt werden kann.

Das geltende Vorauszahlungssystem ist auch nicht verfassungswidrig. Es greift weder unverhältnismäßig in grundrechtlich geschützte Positionen ein noch verstößt es gegen das Gebot der Besteuerung nach der individuellen Leistungsfähigkeit. Das gilt zunächst für die im System angelegte und vom Gesetzgeber gewollte Nichtberücksichtigung der unterjährigen Leistungsfähigkeit. Ihr steht zum einen der Vorteil erheblicher Verwaltungsvereinfachung und Entlastung der Steuerpflichtigen gegenüber. Unverhältnismäßig hohe Vorauszahlungen werden außerdem durch die Möglichkeit der Anpassung in § 37 Abs. 3 S. 3 EStG grundsätzlich vermieden.

Die vom Gesetzgeber bewusst gewählte Typisierung erachtet der Senat nicht zuletzt unter Berücksichtigung des berechtigten öffentlichen Interesses an einer Verstetigung der Steuereinnahmen für gerechtfertigt. Entsprechendes gilt im Ergebnis für die im Gesetz bestimmten Entrichtungstermine. Zu berücksichtigen ist dabei, dass die Vorauszahlungen im geltenden System gerade nicht für die Einnahmen eines bestimmten Quartals zu leisten sind, sondern dass es sich um einen Bruchteil der für das gesamte Jahr zu entrichtenden Vorauszahlungen handelt.

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