14.09.2012

Der Ansatz der zumutbaren Eigenbelastung im Rahmen der außergewöhnlichen Belastungen wegen Krankheitskosten ist nicht verfassungswidrig

Das BVerfG hat in seiner Entscheidung vom 13.2.2008 (2 BvL 1/06) hinsichtlich der gebotenen steuermindernden Berücksichtigung von Krankenversicherungsbeiträgen darauf abgestellt, dass die konkreten Versicherungsbeiträge zur Erlangung eines sozialhilfegleichen Versorgungsniveaus nach Art und Umfang erforderlich sein müssen. Für die gebotene Berücksichtigung von Krankheitsaufwendungen bedeutet dies konkret, dass Krankheitskosten als Kosten der Existenzsicherung nicht generell ohne Einberechnung einer zumutbaren Belastung abgezogen werden müssen.

FG Rheinland-Pfalz 6.9.2012, 4 K 1970/10
Der Sachverhalt:
Die Kläger hatten für den Veranlagungszeitraum 2008 rd. 1.250 € (u.a. Aufwendungen für Chefarztbehandlung und Zweibettzimmerzuschlag) an Krankheitskosten als außergewöhnlichen Belastungen (agB) geltend gemacht. Das Finanzamt sah die Krankheitskosten ohne weitere Prüfung dem Grunde nach als abzugsfähig an. Ließ allerdings wegen der zumutbaren Belastung i.H.v. rd. 39.000 € (= 6 % des Gesamtbetrages der Einkünfte), keinen Abzug zu.

Die Kläger waren der Ansicht, bei Krankheitskosten sei stets zu unterstellen, dass die Kosten zwangsläufig entstanden seien. Das BVerfG habe in seiner Entscheidung vom 13.2.2008 (2 BvL 1/06) für den Bereich der Kranken- und Pflegeversicherung dem subjektiven Nettoprinzip über den Gleichheitssatz unmittelbaren Verfassungsrang eingeräumt, der es erfordere, dass der hierfür - also für die Versicherungsbeiträge - aufgebrachte Teil des Einkommens von der Bemessungsgrundlage der Einkommensteuer vollständig auszunehmen sei.

Ebenso fordere das BVerfG eine realitätsgerechte, den entsprechenden Bedarf abdeckende Steuerfreiheit des Existenzminimums. Der Gleichheitssatz gebiete, dass ein sozialhilfegleiches Versorgungsniveau in voller Höhe aus steuerfreiem Einkommen bestritten werden könne.

Das FG wies die Klage ab. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig, die Revision wurde nicht zugelassen.

Die Gründe:
Die Kürzung der Aufwendungen um die zumutbare Belastung war nicht verfassungswidrig.

Das BVerfG hatte in seiner angesprochenen Entscheidung vom Februar 2008 hinsichtlich der gebotenen steuermindernden Berücksichtigung von Krankenversicherungsbeiträgen darauf abgestellt, dass die konkreten Versicherungsbeiträge zur Erlangung eines sozialhilfegleichen Versorgungsniveaus nach Art und Umfang erforderlich sein müssen. Für die gebotene Berücksichtigung von Krankheitsaufwendungen bedeutet dies konkret, dass Krankheitskosten als Kosten der Existenzsicherung nicht generell ohne Einberechnung einer zumutbaren Belastung abgezogen werden müssen.

Anderes kann allenfalls nur für die medizinischen Leistungen gelten, die ein Sozialleistungsempfänger - kostenfrei - erhält. Eine existenzielle Betroffenheit war bei den danach noch verbleibenden marginalen Aufwendungen angesichts der Höhe der Einkünfte der Kläger nicht zu erkennen; bei den gesamten Krankheitskosten handelte es sich um rd. 0,18 % des Gesamtbetrages der Einkünfte. Den Klägern verblieb somit ein Einkommen, das deutlich weit über dem Regelsatz für das Existenzminimum lag.

Außerdem war noch zu beachten, dass das BVerfG den Gesetzgeber in der einschlägigen Entscheidung vom Februar 2008 erst ab dem Veranlagungszeitraum 2010 zu einer Neuregelung der Berücksichtigung von Krankenversicherungsbeiträgen aufgefordert hatte. Im vorliegenden Fall war allerdings das Jahr 2008 maßgeblich.

Hintergrund:
Unter Hinweis auf das vorliegende Verfahren war schon im Vorfeld von mehreren Zeitschriften den Steuerpflichtigen empfohlen worden, alle Krankheitskosten zur Berücksichtigung bei den agB zu beantragen, und zwar unabhängig davon, ob sie offensichtlich unter dem Betrag der zumutbaren Belastung lägen oder nicht und die Entscheidung in diesem Verfahren abzuwarten.

FG Rheinland-Pfalz PM vom 14.9.2012
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