28.02.2014

Die spanische Steuer auf den Einzelhandelsverkauf bestimmter Mineralöle verstößt gegen das Unionsrecht

Die Wirkungen dieses Urteils sind nicht zeitlich zu beschränken. Die spanische Regierung und die Generalitat de Catalunya handelten insoweit nicht gutgläubig, als sie diese Steuer während eines Zeitraums von mehr als zehn Jahren aufrechterhielten.

EuGH 27.2.2014, C-82/12
Der Sachverhalt:
Die Verbrauchsteuerrichtlinie betrifft u. a. Mineralöle wie Benzin, Diesel, Heizöl und Kerosin. Sie enthält Regeln für die Erhebung von Verbrauchsteuern in der Union, durch die verhindert werden soll, dass der Handelsverkehr durch zusätzliche indirekte Steuern übermäßig behindert wird. Nach der Richtlinie können jedoch auf Mineralöle andere indirekte Steuern als die durch sie eingeführte harmonisierte Verbrauchsteuer erhoben werden, wenn zwei kumulative Voraussetzungen erfüllt sind. Zum einen müssen diese Steuern eine oder mehrere besondere Zielsetzungen verfolgen. Zum anderen müssen sie die Besteuerungsgrundsätze der Verbrauchsteuern oder der Mehrwertsteuer in Bezug auf die Besteuerungsgrundlage sowie die Berechnung, die Steuerentstehung und die steuerliche Überwachung beachten.

Spanien führte eine Steuer auf den Einzelhandelsverkauf bestimmter Mineralöle (im Folgenden: IVMDH) ein und stützte sich dabei auf die letztgenannte Möglichkeit der Richtlinie. Diese Steuer war dazu bestimmt, die neuen auf die Autonomen Gemeinschaften Spaniens im Gesundheitsbereich übertragenen Zuständigkeiten sowie mögliche Umweltausgaben zu finanzieren. Die IVMDH war in Spanien vom 1.1.2002 bis 31.12.2012 in Kraft und wurde anschließend in die harmonisierte Verbrauchsteuer auf Mineralöle integriert.

Die klagende Transportes Jordi Besora SL, ein im Gebiet der Autonomen Gemeinschaft Katalonien niedergelassenes Gütertransportunternehmen, zahlte als Endverbraucher einen Betrag von rd. 45.600 € als IVMDH für die Steuerjahre 2005 bis 2008. Da diese Gesellschaft die IVMDH für mit der Richtlinie unvereinbar hält, beantragte sie die Erstattung des genannten Betrags. In diesem Zusammenhang fragt der Oberste Gerichtshof von Katalonien den EuGH, ob die IVMDH mit der Verbrauchsteuerrichtlinie vereinbar ist.

Darüber hinaus haben die Generalitat de Catalunya und die spanische Regierung beantragt, die Wirkungen des vorliegenden Urteils zeitlich zu beschränken, falls der EuGH feststellen sollte, dass die IVMDH gegen das Unionsrecht verstößt. Sie weisen insbes. darauf hin, dass die IVMDH zu zahlreichen Verfahren geführt habe und dass die Verpflichtung zur Erstattung dieser Steuer, deren Aufkommen im Zeitraum von 2002 bis 2011 sich auf ungefähr 13 Mrd. € belaufen habe, die Finanzierung der öffentlichen Gesundheit in den Autonomen Gemeinschaften gefährden würde.

Der EuGH entschied, dass die IVMDH gegen die Verbrauchsteuerrichtlinie verstößt, und kam zu dem Ergebnis, dass die Wirkungen des Urteils nicht zeitlich zu beschränken sind.

Die Gründe:
Die IVMDH hat keine besondere Zielsetzung im Sinne der Verbrauchsteuerrichtlinie. Damit eine Zielsetzung besonders ist, darf sie nicht reine Haushaltszwecke verfolgen. Im vorliegenden Fall sind die Einnahmen aus der IVMDH den Autonomen Gemeinschaften zugewiesen worden, um die Ausübung bestimmter Zuständigkeiten dieser Gemeinschaften zu finanzieren. Die Stärkung der Autonomie einer Gebietskörperschaft durch die Einräumung der Befugnis zur Steuererhebung ist aber eine rein fiskalische Zielsetzung, die als solche keine besondere Zielsetzung darstellt.

Damit bei einer Steuer wie der IVMDH von einer besonderen Zielsetzung ausgegangen werden kann, muss sie selbst darauf gerichtet sein, den Gesundheits- und den Umweltschutz zu gewährleisten. Etwa, wenn die Einnahmen zwingend dafür zu verwenden wären, die sozialen und die umweltbezogenen Kosten zu senken, die auf spezifische Weise mit dem Verbrauch der Mineralöle zusammenhängen. Die Einnahmen aus der IVMDH müssen jedoch von den Autonomen Gemeinschaften für gesundheitsbezogene Ausgaben im Allgemeinen und nicht für gesundheitsbezogene Ausgaben, die auf spezifische Weise mit dem Verbrauch der besteuerten Mineralöle zusammenhängen, verwendet werden. Solche allgemeinen Ausgaben können aber durch die Einnahmen aus jedweder Steuer finanziert werden.

Zudem sieht die spanische Regelung keinen Mechanismus vor, durch den die Verwendung der Einnahmen aus der IVMDH zu Umweltzwecken im Voraus festgelegt würde. In diesem Fall kann bei der IVMDH nur dann davon ausgegangen werden, dass sie selbst auf die Gewährleistung des Umweltschutzes gerichtet ist, wenn diese Steuer hinsichtlich ihrer Struktur, insbesondere des Steuergegenstands und des Steuersatzes, derart gestaltet ist, dass sie die Steuerpflichtigen davon abhält, Mineralöle zu verwenden, oder die Verwendung anderer Erzeugnisse mit weniger schädlichen Auswirkungen auf die Umwelt fördert. Dies ist hier jedoch nicht der Fall.

Die zeitliche Beschränkung der Wirkungen eines Urteils ist i.Ü. nur ausnahmsweise zulässig ist, sofern zwei Kriterien erfüllt sind, nämlich guter Glaube der Betroffenen und die Gefahr schwerwiegender Störungen. Vorliegend kann nicht davon ausgegangen werden, dass die Generalitat de Catalunya und die spanische Regierung gutgläubig handelten, als sie die IVMDH während eines Zeitraums von mehr als zehn Jahren aufrechterhielten. Daher sind die Wirkungen des Urteils nicht zeitlich zu beschränken. Der EuGH hat bereits im Jahr 2000 über eine Steuer mit vergleichbaren Merkmalen wie die IVMDH entschieden. Außerdem hat die Kommission den spanischen Behörden bereits im Jahr 2001 mitgeteilt, dass die Einführung einer solchen Steuer gegen das Unionsrecht verstieße. Darüber hinaus hat die Kommission im Jahr 2003 wegen dieser Steuer ein Vertragsverletzungsverfahren gegen Spanien eingeleitet.

Nach ständiger Rechtsprechung rechtfertigen die finanziellen Konsequenzen, die sich aus einem im Vorabentscheidungsverfahren ergangenen Urteil für einen Mitgliedstaat ergeben könnten, für sich allein nicht die zeitliche Begrenzung der Wirkungen dieses Urteils. Wäre dies nicht so, würden die schwersten Verstöße günstiger behandelt, da sie es sind, die die bedeutendsten finanziellen Auswirkungen für die Mitgliedstaaten haben können. Zudem würde eine allein auf diese Art von Erwägungen gestützte zeitliche Beschränkung der Wirkungen eines Urteils darauf hinauslaufen, dass der gerichtliche Schutz der Rechte, die die Steuerpflichtigen aus den Steuervorschriften der Union herleiten, wesentlich eingeschränkt wäre.

Linkhinweis:

Für den auf den Webseiten des EuGH veröffentlichten Volltext der Entscheidung klicken Sie bitte hier.

EuGH PM Nr. 22 vom 27.2.2014
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