09.09.2014

Divergenz zwischen Elster- und Elster Lohn I-Daten: Keine Berichtigung fehlerhafter Steuerfestsetzung bei Nichtbeachtung eines Bearbeitungshinweises

Hat der Steuerpflichtige seine Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit in der elektronisch per Elster an das Finanzamt übermittelten Einkommensteuererklärung zutreffend erklärt, weichen die Angaben in der von dem Arbeitgeber via Elster Lohn I übermittelten elektronischen Lohnsteuerbescheinigung zu Gunsten des Steuerpflichtigen hiervon ab und setzt das Finanzamt - trotz eines computergestützten Bearbeitungshinweises wegen dieser Divergenz - die Einkommensteuer auf der Grundlage der - unzutreffenden - Lohnangaben des Arbeitgebers fest, ist eine Berichtigung der fehlerhaften Steuerfestsetzung wegen einer offenbaren Unrichtigkeit nach § 129 AO ausgeschlossen.

Niedersächsisches FG 28.7.2014, 3 V 226/14
Der Sachverhalt:
Die Beteiligten streiten darüber, ob der bestandskräftig gewordene Einkommensteuerbescheid 2012 nach § 129 AO wegen einer offenbaren Unrichtigkeit berichtigt werden durfte. Die Antragsteller sind verheiratet und wurden zusammen zur Einkommensteuer veranlagt. Im Jahr 2013 übermittelten sie ihre Einkommensteuererklärung in elektronischer Form via Elster und übersandten außerdem die komprimierte Steuererklärung an das Finanzamt.

In der Steuererklärung gab der Antragsteller bei seinen Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit - zutreffend - einen Bruttoarbeitslohn von rd. 41.000 € sowie einbehaltene Lohnsteuer von rd. 4.600 € an. Ebenso übermittelte der Arbeitgeber des Antragstellers dem Finanzamt eine elektronische Lohnsteuerbescheinigung via Elster Lohn I und teilte - versehentlich unzutreffend - einen Bruttoarbeitslohn von rd. 27.000 € und Lohnsteuer i.H.v. rd. 3.000 € mit.

Das Finanzamt erließ am 2.8.2013 einen Einkommensteuerbescheid gegenüber den Antragstellern und legte dabei die fehlerhaften Daten des Arbeitsgebers zugrunde. Im Rahmen einer Lohnsteuer-Außenprüfung bei dem Arbeitgeber des Antragstellers stellte das Finanzamt fest, dass die Daten des Antragstellers falsch an das Finanzamt übermittelt worden waren. Daraufhin erließt es am 31.10.2013 einen nach § 129 AO geänderten Bescheid mit den richtigen höheren Daten. Nach erfolglosem Vorverfahren erhoben die Antragsteller Klage und beantragten die Aussetzung der Vollziehung.

Das FG gab dem Antrag auf Aussetzung der Vollziehung statt. Die Beschwerde zum BFH wurde wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache und zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung zugelassen.

Die Gründe:
Es bestehen vorliegend ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Verwaltungsaktes.

Nach § 129 AO kann die Finanzbehörde Schreibfehler, Rechenfehler oder ähnliche offenbare Unrichtigkeiten, die beim Erlass eines Verwaltungsaktes unterlaufen sind, jederzeit berichtigen. Voraussetzung ist, dass die Unrichtigkeit einem Schreib- oder Rechenfehler ähnlich ist, d.h. dass es sich um einen "mechanischen" Fehler handelt, der ebenso "mechanisch", also ohne weitere Prüfung, erkannt und berichtigt werden kann.

Ist jedoch die mehr als theoretische Möglichkeit eines Rechtsirrtums gegeben, liegt keine offenbare Unrichtigkeit vor. Auch eine aus rechtlichen oder tatsächlichen Gründen erforderliche, vom Sachbearbeiter - ggf. unter Verletzung der Amtsermittlungspflicht - jedoch unterlassene Sachverhaltsermittlung ist kein mechanisches Versehen. Ob ein mechanisches Versehen oder ein die Berichtigung nach § 129 AO ausschließender Tatsachen- oder Rechtsirrtum vorliegt, ist jeweils nach den Verhältnissen des Einzelfalls zu beurteilen.

Vorliegend handelt es sich bei der Übernahme der fehlerhaft übertragenen Lohnsteuerdaten weder um einen Schreibfehler, Rechenfehler noch um einen ähnlich offenbaren Fehler. Dem Sachbearbeiter des Finanzamts wurden bei der Bearbeitung der Steuererklärung der Antragsteller sowohl die Daten des Arbeitgebers als auch die des Steuerpflichtigen zur Kenntnis gebracht und sogar ein ausdrücklicher Hinweis auf deren Divergenz angezeigt. Es bestand damit unzweifelhaft ein Grund für den Bearbeiter, die fehlende Stimmigkeit der Daten zu überprüfen.

Der Auffassung des FG Münster (Urteil v. 24.2.2011, 11 K 4239/07 E), wonach in einem entsprechenden Fall für eine Überprüfung der Divergenz kein Anlass bestanden hätte und somit eine Änderung nach § 129 AO möglich gewesen sei, folgt der erkennende Senat nicht.

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